Franz Dingelstedt
Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters
Franz Dingelstedt

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Auch ein Rheinlied

nota bene ohne Becher – !

(1841 geschrieben zu Caub, in einer Lenznacht.)

»Quousque tandem . . . ! ?«

                      »Dies war die Stelle«, sprach ein greiser Krieger,
»Wo wir im Winter über sind gesetzt;
Hier haben wir zum ersten Mal als Sieger
Auf ihrer Schwelle unser Schwert gewetzt.
Herr – Eine Lust! Der Alt' auf seinem Schimmel,
Dort sprengt' er in die eisbedeckte Flut,
Und in den Wellen spiegelte der Himmel
Hell seine Sterne ab und uns'ren Mut.«

Nachdenklich sah ich in das dunkle Wasser,
Das träumend durch die stille Thalschlucht zog.
Die Bilder alle der Franzosenhasser,
Friedlich zu Fuße und zu Rosse hoch,
Die zahmen, die mit Wort und Reimen streiten,
Die wilden, die der Kampf in's Feuer trug,
Ich sah gespenstig sie hinüberschreiten,
Gen Westen zu ein langer Pilgerzug.

Grau nickten die zerbroch'nen Ritterschlösser
Hernieder an den »freien, deutschen« Strand . . . .
War jene Zeit, so fragt' ich, deutscher, besser
Und freier, da ihr stolzes Haupt noch stand,
Da Sang und Klang von ihren Söllern tönte
Und Jammer aus dem dunklen Burgverließ,
Da frech der Edle die Vasallen höhnte
Und Wanderer am Wege niederstieß?

Und jene Zeit, da mit dem Fürstenschwerte
Der Krummstab eines mächt'gen Pfaffen focht?
Und jene, da die freie, deutsche Erde
Ein kühner Römer spielend unterjocht – ? –
»Frei« war der Rhein, da er durch öde Steine
Noch unbewohnt sich selbst die Bahnen brach,
»Deutsch« war der Rhein, da hier im Eichenhaine
Ein wildes Volk auf Bärenhäuten lag!

Geht mir mit Eu'ren Liedern für und wider!
Geduldig ist das lumpige Papier,
Gleichgiltig strömt und kühl die Welle nieder,
Taub für der Menschen Zank um Mir und Dir,
Dem Franzmann beut sie schmeichlerisch den Rücken
Und trägt den Deutschen, wirft er sich hinein:
Der Rhein, wie Ihr, läßt sich von Jedem drücken,
Drum heißt er auch der freie deutsche Rhein.

Dumpf grollend ging die Woge mir zu Füßen,
Als wüßte sie, was meine Lippe schalt.
Da tauchte abwärts, unter Böllerschüssen,
Ein Nachtbild auf von riesiger Gestalt;
Dem Strom entgegen wälzte sich im Düstern,
Mit Donnerton der Dämpfer her von fern,
Und Rauch und Schaum entsprühte seinen Nüstern,
Und hoch am Maste hing es wie ein Stern.

Stern einer neuen Zeit! Sei mir willkommen!
Du gehst zur richtigen Minute auf,
Heran mit Deinen Wundern komm' geschwommen,
Entgegen dem gewohnten Wellen-Lauf,
Erwecke sie, die hier am Ufer träumen,
Und reiß' sie fort mit Deiner Räder Kraft!
Ja, brausen muß, wie Du, die Zeit und schäumen,
Eh' sie den neuen Geist lebendig schafft!

Strom- auf und nieder schwinge Deine Fahnen,
Trag' hin und her Dein Feuer durch die Welt,
Sei mit den eisernen Gedanken-Bahnen
Der Blitz, der uns die graue Nacht erhellt,
Das Band, das uns Geschiedene vereinet,
Die Hand, die uns durch Rad und Ruder lenkt –
Dann wird er »frei«, doch freier, als Ihr meinet,
Dann wird er »deutsch«, doch deutscher als Ihr denkt!

Auf, frommes Köln, auf heit'res Mainz, erwache,
Du, junges Mannheim, mache Dich bereit;
Von Stadt zu Stadt, den wachsenden, entfache
Sich die Aurora einer neuen Zeit!
Und Ihr, die uns von deutscher Lebensader
So viel geschwatzt, – daß sie zu reich nicht quillt!
Ihr schürtet drin und draußen an dem Hader,
Wie, wenn er, einig, Euch am Ende gilt?

Ihr habt's beschworen, seht nun, daß Ihr's zwinget,
Sonst wächst das Kind Euch Alten über's Haupt;
Dort fliegt es hin, ein Vogel leicht beschwinget,
Unhemmbar, stark, am Ziel, eh' Ihr es glaubt.
Der freie Rhein – Ja, frei nicht blos von Franken,
Der deutsche Rhein – Ja, deutsch nicht blos zum Spaß . . . .
Gut' Nacht! Ich will dem alten Herr-Gott danken,
Daß er – Genug, ich weiß noch nicht für was!


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