Franz Dingelstedt
Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters
Franz Dingelstedt

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XIV

                Hier auf der Kanone will ich ruh'n,
Auf den eisenbeschlagenen Rädern;
Ist freilich kein Lager von Eiderdun',
Mit Matratzen und stählernen Federn.

Doch schlief vielleicht schon mancher Held
Vor der Schlacht in der nämlichen Weisen
Und später noch tiefer – im blutigen Feld,
Auf dem Leib, statt drunter dein Eisen.

Erzähle mir nun, du eherner Mund,
Von deinen glorreichen Tagen,
Wie du einst zu schwerer Schlachtenstund'
Die Reveille munter geschlagen.

Bei Jena oder bei Austerlitz,
Gen Moskau oder gen Kassel,
Wo flammte zuletzt dein tödtlicher Blitz,
Wo rollte dein letztes Gerassel?

Oder bist du gar dem alten Fritz
Schon gefolgt zu rühmlicher Frohne?
Nein, hier am Zündloch, wo ich sitz',
Steht ein N. mit Lorbeer und Krone.

Den Namen, den Lorbeer kenn' ich wol,
Die Zeugen deiner Blüthe;
Nicht wahr, da brummtest und summtest du hohl,
Da glühte dem Leib und sprühte?

Es flog das Rad auf bezwungener Erd'
Ueber Lebende und über Leichen,
Zusammen stürzte die bange Heerd'
Unter deinen gewaltigen Streichen.

Du gabst den Takt zu dem Waffentanz,
Hoch hüpfte dein Herz, das beherzte,
Und schön zu der Panzer, der Schwerter Glanz
Stund dem Antlitz, das pulvergeschwärzte.

Jetzt bist du blank, jetzt bist du zahm,
Und lahm ist deine Laffette,
Dein Kupfergesicht hochroth vor Scham
Und feist, als ob's gealtert hätte.

Nun, schäme dich nicht, du elektrischer Aal,
Hast ja noch einen wackeren Posten,
Wenn auch da drüben im Arsenal,
Dein Futter, die Kugeln rosten.

Ertönst du nicht vom Walle herab
In die bebenden Niederungen,
Wenn ein armer Sklave aus seinem Grab,
Aus seinen Ketten entsprungen?

Wenn ein Krämerhaus in Flammen geräth,
Zur Friedensrevue vor den Thoren,
Zum Namenstag Seiner Majestät,
Und so oft ein Prinzeßchen geboren?

Geduld! Vielleicht kannst du wiederum, –
Und bald! – in die Feinde hageln:
Bis dahin, mein Veteran, sei stumm,
Daß sie dir das Maul nicht vernageln!


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