Felix Dahn
Die Bataver
Felix Dahn

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XXV.

Im triumphatorischen Schmuck, in die prachtvolle Palmata gehüllt, den vergoldeten Lorbeerkranz um die Schläfe, stand Cerialis in dem Schreibgemache Vespasians: nach der ihm im voraus gewordenen Verstattung durfte er, wenn auch der Kaiser allein wegen der Siege seiner Feldherren den Triumphzug hielt, diese beiden triumphatorischen Ehrenzeichen tragen. Es war der stolzeste Tag in des Siegers an Kämpfen und an Siegen reichem Leben.

Geraume Zeit mußte der Angemeldete harren: es hieß, Vespasianus sei beschäftigt, sich von den Sklaven das Festgewand anlegen zu lassen.

So hatte jener Muße, den Erinnerungen nachzuhängen, die dieser Raum ihm erweckte. Hier hatte er gestanden: – vor diesem Citrustisch – wieder war er mit Briefen und Urkunden bedeckt – noch nicht vier Monate waren es – eine ganze Woche fehlte – ein schwer verklagter Mann; hier hatte er Leben und Ehre dafür verpfändet, ein Werk zu vollenden, ein großes schweres Werk: – er kannte keinen unter seinen Waffengenossen, keinen, der das in gleicher, so kurz gesteckter Frist übernommen hätte: – er aber, er hatte es vollendet! Hier stand er wieder in dem gefährlichen Palast der Cäsaren: – ein stolzer Mann.

Er hörte den Schritt des nahenden Imperators: sein nachschleppender Purpur rauschte heran: wohlan, er mochte kommen. Hoch richtete sich der Feldherr auf.

Es befremdete ihn, daß der Herrscher nicht allein erschien: – hatten sie beide doch allein um jenen Vertrag, um jene bedingte Begnadigung gewußt: – unwillkürlich warf er einen raschen Blick nach dem geheimen Fach an der Wand, aus welchem damals Vespasian die lebensbedrohliche Urkunde genommen: sie war wohl längst zerstört, – das Fach stand geöffnet: es war leer.

Nun trat Vespasianus ein: ihm folgten in das Gemach seine beiden Söhne und Mucianus, seine rechte Hand, dem Feldherrn, wie dieser wußte, wenig hold: ernst sahen sie alle darein, auffallend ernst für einen Tag des Triumphes: sein Auge suchte das des freundlichen Titus: er fand es nicht; mit gefurchter Stirn sah der Kaisersohn zu Boden.

Des Vespasianus hohe Gestalt machte überwältigenden Eindruck: der Imperator trug bereits die Gewandung des Triumphators: diese war aber keine geringere, als die des kapitolinischen Jupiters selbst, die soeben aus dem Tempelschatz abgeholt worden war: die purpurne, mit Goldfäden gestickte Tunica palmata und die gleichfarbige, mit goldenen Steinen übersäte Toga picta und goldene Sandalen; in der Linken trug er das lange Scepter von Elfenbein, gekrönt mit dem blitztragenden Adler und das gewaltige Haupt umrahmte der dunkelgrüne Lorbeer. Er nahm nun Platz dem Feldherrn gegenüber auf einem purpurbehangenen Stuhl von Elfenbein; seine beiden Söhne stellten sich an seine beiden Seiten, Mucianus hinter ihn.

»Petillius Cerialis,« hob der Imperator an mit einer Eiseskälte im Ton, welche den Erstaunten durchfröstelte, »wir haben vor Wochen eine Übereinkunft getroffen in diesem Saal. Ich verhieß, das über dich gefällte Todesurteil einstweilen unvollstreckt zu lassen.«

»Was hat er davon zu reden – vor den andern?« dachte Cerialis unwirsch.

»Wenn du in vier Monaten erfüllen würdest, was du übernahmst. Du bist zurück.«

»Noch vor der Zeit,« unterbrach Cerialis stolz; er konnte seinen Unmut nicht mehr zügeln. »Noch kein Wort der Anerkennung, des Dankes!« grollte er in sich.

»Vor der Zeit! In jedem Sinne. Denn du hast noch nicht erfüllt, was du versprachst.«

Cerialis fuhr auf; wohlwollend winkte ihm Titus, zu schweigen.

»Und wirst es nicht erfüllen in noch vier Monaten.«

»Imperator,« sprach Cerialis zornig, »Gallien samt den Batavern liegt zu deinen Füßen und in goldenen Ketten harret Weleda, vor deinem Triumphatorwagen zu schreiten.«

»Und wo ist Claudius Civilis?«

»Tot, Imperator!«

»Gelogen! Er lebt! Zuverlässige Kunde kam mir durch Mucianus hier. Er entkam lebend über den Strom, er liegt verwundet in dem Lande der Bruktrer.«

Cerialis zuckte die Achseln. »Hat ihn Mucianus dort gesehen? Mag sein! Aber er trägt den Tod doch unheilbar in dem Leib. Mehr als ein Giftpfeil deiner Numider hat ihn getroffen und du weißt . . .«

»Genug! Sei's um den Bataver! Zwar hast du den Vertrag von deiner Seite nicht erfüllt: – und du übernahmst die Erfüllung unbedingt: – so bin auch ich nicht gebunden, zu leisten, was ich nur bedingt versprach. Aber sei's um Civilis. Ich rechne dir den Wunden als einen Toten. Allein, Petillius Cerialis, wo warst du in den ersten zwei Stunden der Schlacht bei Trier?«

Das erbitterte den erfolggekrönten Feldherrn. Hochmütig erwiderte er: »wo immer ich im Anfang war, – am Ende stand ich als Sieger, zwar blutend, – für dich, o Vespasian! – aber doch als Sieger auf dem Feld.«

Da erhob sich Vespasian in edler Wallung: heiliger Zorn blitzte aus seinem grauen Auge: majestätisch überragte die hohe Gestalt alle Anwesenden: »Und durch welches Mittel hast du die Stadt der Lingonen gewonnen? Durch welche Mittel Weleda gefangen und Civilis in den Rhein gestürzt?«

»Durch Kriegslist, Imperator! Erinnre dich, ich fragte dich: in vier Monaten – um jeden Preis? Und du nicktest mir zu.«

»Aber nicht um den Preis der Ehre Roms!« donnerte Vespasianus. »Nicht durch niederträchtigen Treubruch, durch Meineid und Verrat! Elender! Ich überlegte lang, ob ich dich nicht den schändlich Getäuschten ausliefern solle. Aber wem? Drei Völker haben ein Recht auf dein verruchtes Haupt. Die Lingonen für ihre verbrannte Stadt, die Bruktrer für ihre verratene Seherin, die Bataver für jenen tapfern Mann. Du hast nicht, wie der Höllenhund, drei Köpfe. Behalte denn dein ehrlos Leben! Aber aus ehrbarer, frommer Menschen Gemeinschaft scheidest du. Das längst gefällte Urteil wird nicht vollstreckt, ich begnadige dich . . . – zur Verbannung für Lebenszeit. Hier, Mucianus,« er holte aus dem Purpurmantel eine Papyrusrolle hervor – »du haftest mir für ihn. Sofort schiffst du ihn ein: die Triere liegt im Tiber segelfertig bereit. Du schaffst ihn nach Cassyra, auf das ödeste Felseneiland des Weltmeers! Kein Wort, Verruchter! – Und nun meine Söhne, folgt mir! Zum Triumph! Hört ihr? Da unten scharren auf dem Marmor die Rosse vor dem goldnen Wagen.

Nicht über die wieder hereingebrachte gallische Provinz: – über Germanen triumphiert wieder einmal ein römischer Imperator. Zum erstenmal seit Germanicus, seit mehr als zwei Menschenaltern. Und wie damals das Weib des Cheruskers, soll heute, als Germaniens Bild und Wahrzeichen, jene Weleda vor meinem Wagen gehn. Auf! Zum Kapitol!«

 


 


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