Felix Dahn
Die Bataver
Felix Dahn

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IV.

Als Brinnobrand am andern Morgen sein Beutestück siegfreudig Civilis in dessen Zelthütte brachte und die Genossen den Hergang erzählten, schalt sie alle drei der Oberfeldherr tüchtig aus.

»Ist das euer Gehorsam?« grollte er. »Hab' ich nicht jeden Angriff, zumal diese unsinnigen Einzelanläufe und Gelübdestreiche, streng verboten, die uns so viele Leute schon gekostet? Wenn ihr, die Führer, so schlechtes Beispiel gebt, was kann ich von der Menge erwarten? Unbotmäßig, unfolgsam, voll Trotz sind fast all' unsre Haufen – am meisten haben noch meine Bataver Zucht und Kriegsgehorsam: sie haben's gelernt von den Römern. Aber die Überrheiner: – Chauken, Tenchterer und Tubánten zumal, – sie folgen mir schon jetzt nicht mehr, obwohl das Glück mich noch nie verlassen. Was würde im Unglück daraus werden? Auf euch muß ich doch zählen können.«

Brinnobrand ließ den Kopf hängen wie ein gescholtener Knabe. »Vergieb uns, Feldherr,« sprach Sido. – »Es war ein Narrenstreich,« sprach der Rote bittend. – »Ja«, bekräftigte Welo. »Und Ein Narr macht viele Narren.« – »Mag wohl sein, Wodan,« sprach der Schuldige. »Aber ein Narr ein Wort. Einer hatte es gelobt: – er mußt' es halten. Und wie wird sie sich freuen, schickt Einer ihr, mit Eichenlaub umflochten, des Riesen Kopf. Vergieb ihr: sie hat's gethan – durch Einen gethan: – Einer mußte.«

»Nun,« lächelte Civilis, »dann muß ich wohl verzeihen. Obwohl ich ihr zürnen sollte um dieses Königssohnes willen, der – nicht mehr froh blickt. Wie gern, wie gern doch hätt' ich sie als Markomannenkönigin begrüßt! Ein dauernd Band wäre so um zwei weit getrennte Völker vom Rhein zur Donau geschlungen worden. Ich sprach warm für dich, tapfrer Sido. Was könnte sogar ein Weib wie sie Besseres verlangen als solch einen Gemahl? Aber je wärmer ich sprach, desto eisiger ward sie. Stumm, fast wie mit Vorwurf – mir ganz unverständlich! – im Blick, schritt sie aus dieser Thüre und gleich darauf ritt sie davon.«

»Und wie lange glaubst du, Feldherr,« fragte Welo, »müssen wir noch vor diesem hartnäckigen Walle liegen?«

»Nicht mehr gar lang! Durch Überläufer erhalte ich fast täglich Nachricht aus dem eingeschlossenen Lager: die Not wächst dort rasch. Die Zugtiere, die Rosse der Reiterei, ja selbst ein Paar Hunde sind längst aufgezehrt, das Getreide ist zu Ende, Gras, Stengel und Kräuter, die zwischen den Steinen hervorsprießen, raufen sie aus. Nur wenige Tage noch kann's währen. Wozu also noch das Blut der Unsern opfern? Von selbst fällt alsbald die gezeitigte Frucht uns in die Hand. Gedenkt Armins! Wie warnte, wie beschwor er die Seinen, den eingeschlossenen Cäcina auszuhungern, das feste Lager nicht zu bestürmen. Die Unbotmäßigen stürmten, wurden blutig abgeschlagen und durch die Fliehenden hindurch entkam der Legat des Germanicus. Ach, die Unsern haben in dem halben Jahrhundert seit Armin noch immer nicht gehorchen gelernt! Nicht einmal ihm folgten sie. Und wie viel leichter wiege ich als der große Cherusker! Im Unglück bleiben sie mir schwerlich treu! – Sorgt nur dafür, daß nicht, wie schon wiederholt geschah, durch Saumsal und Nachlässigkeit unserer Wachen – allzuviel Wein haben sie mir in dem reichen Land ringsum erbeutet und gußweise trinken sie ihn aus ihren Helmen und Sturmhauben! – nochmal Vorräte durch List oder Gewalt geschafft werden in die Zwingburg, die Augustus sehr geschickt hier gebaut hat. Sonst gewinnt der Widerstand immer wieder neue Kräfte.«

»Ja, gut wär' es, kämen wir bald hier fort,« meinte Welo. »Denn während wir hier liegen, nehmen die Gallier immer mehr Städte für ihr Großgallien in Anspruch. Wir sollten dem nicht so ruhig zusehen.«

»Die Gallier? Laß sie nur!« lächelte Civilis. »Erst müssen die Römer ganz danieder liegen. Dazu mögen sie uns helfen, die Söhne dieses Landes. Aber auch darin verlange ich nichts von ihnen: – wehe dem Volke, das auf fremde Bundesgenossen sich verlassen muß. Nur das eine, Selbstverständliche habe ich als ihre einzige Leistung von ihnen verlangt, daß sie die Alpenpässe, – ihres eignen Gebietes Hausthüren! – besetzen und den Römern sperren.«

»Nun, das werden sie doch von selbst gethan haben – für sich selbst! – sonst verdienen ihre Feldherrn Rutenstreiche,« meinte der Königssohn.

»Sind die Römer vertrieben aus Gallien, dann . . .«

»Dann wird Wodan weiter helfen,« meinte der Rotkopf pfiffig. »Kommt! Wir wollen Brinno aufsuchen, der schon lange ganz allein die Wache hält dort im Osten unsres Heeres, hart am Rhein; 's ist schwerer Dienst: denn von dort her versuchen die Belagerten am häufigsten, Vorräte in das Lager zu werfen. Kommt, Einem singt ein Vöglein in die Ohren: Narrenstreich sühnt Narrenstreich.«

Und er zog eifrig die beiden Genossen mit sich aus dem Zelt.

 


 


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