Felix Dahn
Die Bataver
Felix Dahn

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XVII.

Zur gleichen Stunde ritten auf dem linken Ufer der Maas auf einem der schmalen Waldwege von Süden her auf eine Fähre zu drei Männer in reicher römischer Tracht; römisch waren auch ihre Waffnung und Zaum-, Sattel- und Bügelzeug der wertvollen lusitanischen Pferde; aber sie redeten untereinander in der Sprache der Bataver.

Sie ließen sich samt ihren Gäulen übersetzen von dem Fergen im langen Grauhaar und dessen Knecht: drüben angelangt zahlten sie – in römischen Münzen – so verschwenderisch, daß der Alte staunte und dankte: »Lohn's euch der Wunschgott!« sprach er, indem er den Kahngästen behilflich war, die Rosse aus der flachen breiten, an beiden Enden gleich stumpf gerundeten Fähre auf den feuchten Ufersand auszuschiffen. – »Was seid ihr doch reich, ihr Edelinge!«

»Nicht wir,« sprach der älteste der Ankömmlinge, ein Mann in den Fünfzigen, dessen scharf geschnittene römische Züge wenig zu dem blauen Germanenauge paßten. »Nicht wir! Aber Rom ist reich, unermeßlich reich.« – »Wir nur,« fuhr der jüngste fort, sein Pferd am Zügel fassend, »weil uns Rom beschenkt.« – »Uns belohnt für unsere Treue,« schloß der dritte, sich von dem Rand des Bootes an dem langen Speer auf das Ufer schwingend. – »Weh uns,« hob der Jüngling wieder an, »brechen wir Rom den Bund.« – »Dann verarmen wir zuerst und – mit uns – bald ihr alle.« – »Du bist ein Freier,« sprach der älteste, das stolze Haupt unter dem hochgeschweiften Römerhelm in den Nacken werfend, »das zeigt dein Haar. Willst du nicht mit zum Allding? Wichtiges wird heute dort entschieden. Brinno und – nun andere mehr – wollen uns fortreißen zu den unsinnigsten Beschlüssen. Auf jede Stimme kommt's heute an. Laß den Knecht dort der Fähre warten und komm mit uns.«

Einen langen Blick unter den buschigen Brauen hervor warf der Ferge auf den Sprecher, dann auf die beiden andern. »Ich wollte die Naue nicht verlassen,« erwiderte er, »›der Knecht ist ein Schalk‹ sagt ein alt wahr Wort: er wird mich um manches Fahrgeld betrügen. Aber nun – nach euren Worten – nun geh' ich zum Allding.«

Er stieg in den Nachen, holte aus einem Verschlag unter dem Gransen ein Schwert hervor und steckte es in den breiten Wehrgurt; einen Mantel von gröbstem dunkelgelbem Segeltuch – es war wohl ein ausgedientes Segel – mit einem Riemen zusammengeschnürt, warf er über die linke Achsel. Denn er trug bei der Arbeit nur eine kurze Kniehose von ungegerbtem Leder, die Brust, die Arme und Beine waren entblößt und stark behaart und dunkelbraun gefärbt von Sonnenbrand, See, Wind und beizendem Seesalz: so nackt erschien man nicht im Ding; statt des Speeres nahm er die schwere Stange zur Hand, mit der man das Boot abstieß, mit dem starken gebogenen Haken unter der Spitze.

»Der Alte sieht aus wie der Neck des Stromes selbst,« flüsterte der Jüngling, »nicht, Labeo?«

Der nickte stumm; dann schwang er sich in den reich mit Gold gestickten spanischen Sattel und mahnte den Fergen: »geh nur voran, wir kennen den Weg. – Und wir haben noch Manches zu bereden, Briganticus,« fuhr er fort, als der Schiffer vor ihm im Gebüsch verschwunden war.

»Jawohl,« erwiderte der mittlere. »Ich sagte es vorher, als die Sonne kam, zu meinem Bruder: »Cajus, sagte ich, schau sie dir genau an: vielleicht siehst du sie heut abend nicht mehr zu Golde gehen.«

»Ja, Julius hat Recht,« erwiderte der Jüngste mit leise bebender Stimme. »Groß ist die Redegewalt des Verhaßten: – oft hat er wohl Wodan um Wortsieg geopfert! – Leicht reißt er die Menge dahin.« – »Und dieser Brinno, der rasende, lechzt nach Blut,« fuhr Julius Briganticus fort.

»Gewiß!« sprach Claudius Labeo. »Und mehr noch als nach dem der Legionen, nach dem Blut der Abtrünnigen, der Verräter, wie er uns schelten wird.«

»Ja, mir ist nicht wohl bei diesem Ritt!« sprach der jüngere Briganticus. »So geh' hin zu Civilis,« fuhr ihn sein Bruder an. »Erbitte seine Verzeihung. Er wird sie gewähren, gewiß! Er spielt gern den Großmütigen vor dem Volk. Und du magst dann der Gnade genießen, gebeugten Nackens unter ihm zu dienen.« – »Niemals!« rief Cajus ausbrechend. »Das ist's ja, was ich nicht ertrage! Wir machen heut' ein Ende. Hast du die Erlenstäbe mitgebracht?«

»Hier, unter dem Mantel,« erwiderte sein Bruder. »Wohl sind auch die Römer – wahrlich! – nicht gelinde Herren. Aber lieber doch dien' ich dem Fremden, dem der ganze Erdkreis dient, als dem verhaßten Vetter, dem hochmütigen, der, demselben Großvater entstammt, die ganze Sippe, den ganzen Gau, das ganze Volk unter seinen Willen zwingen will. Nieder mit ihm! – So!« Und er köpfte mit dem Schaft des Speeres eine hohe Distel, die am Wege stand.

Labeo warf von seinem Roß einen befriedigten Blick auf die beiden. »Ihr haßt ihn fast bitterer als ich, glaub' ich. Und doch hat unser Geschlecht seit den Tagen der Ahnen Grund, eure Sippe zu hassen. Wir waren das ältere Königshaus, bis ihr uns verdrängtet.«

»Weißt du denn nicht,« fragte Julius: »der Haß der Ungesippen ist nur Salz, der Haß der Gesippen aber ist Galle. Er soll nicht diesen Krieg entfesseln, in dem all unser Reichtum sicher untergeht. Meine gefüllten Speicher stehen dicht vor Xanten: – in der ersten Nacht der Empörung wirft der Centurio die strafende Fackel hinein.«

»Noch schwerer,« sprach Labeo, »wiegt das andere. Bricht dieser Krieg aus, – Civilis wird des Krieges Seele und unsres Gaues, ja aller Gaue Haupt. Dann ist's vorbei mit uns für immerdar im Volk der Bataver.« – »Das soll nicht sein, solang ich atme!« rief Julius. »Drum vorwärts, ihr Freunde! Spornt die Gäule, daß wir rechtzeitig zur Stelle sind. Vergeßt nicht, schon bevor das Allding beginnt, im stillen unter den Gauleuten zu verbreiten, was alles Hordeonius verheißen . . .« – »Und was Vocula gedroht,« schloß Cajus. »Nicht den Namen Bataver wird Rom übrig lassen, wenn wir uns rühren. Vorwärts! Und nieder mit Civilis!«

Alle drei gaben den Rossen die Sporen und sprengten ungeduldig waldeinwärts.

 


 


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