Felix Dahn
Die Bataver
Felix Dahn

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XXI.

Wenige Stunden darauf war die Gallierschlacht geschlagen.

In hitzigem Anprall führte Classicus die Seinen heran. Es war nur die Hälfte der Treuerer. Tutor hatte Wort gehalten: grollend stand er mit der andern Hälfte und den Lingonen auf dem Walle des Lagers: – er hatte aber doch befohlen, sie in Schlachtordnung bereit zu halten.

Classicus warf, in hitzigem Anlauf, das erste feindliche Treffen, die rätischen und waskonischen Hilfskohorten: aber an dem zweiten Treffen, der XXI. Legion staute sich die gallische Flut, stockte, hielt kurze Weile an, dann wankte sie leise, – nun stärker und jetzt, da die frischen Kräfte der XIV. von der rechten Flanke her eingriffen, wirbelte und flutete alles zurück, dem Lager zu.

Tutor sah es mit wachsender Erregung. »Da! Da haben wir's! Geschieht ihm recht! Nun auch noch römische Reiter, die nachhauen! Ei, ei, ei! Wie sie fallen, die Unsern! Das kann ich nicht mit ansehn! Blast, ihr Hörner! Hinaus! Wir müssen sie retten. Das werden wir zwar nicht. Aber ich kann's doch nicht ansehn. O Götter, welche Dummheit! An dieser Dummheit werd' ich sterben. Und ich habe nicht einmal den Trost, daß es meine eigene war!«

Die Verstärkung kam nur noch recht, den Sieg der Feinde zu vergrößern, nicht mehr, ihn zu hemmen. Die Fliehenden rissen die Reihen derer mit sich, die sie aufhalten sollten. Tutor mit einer kleinen Schar gelangte noch am weitesten vorwärts gegen den Feind. Er sah, wie auf einer mäßigen Erderhöhung einige Druiden, kenntlich an ihren roten Mänteln, die Hände flehend gen Himmel erhoben.

»Ei, ist das nicht,« sprach Tutor, sich in den Bügeln hebend, »der gottähnliche Frauenröster? Jawohl! Der da, vor den andern Krebsen: – das ist Gutruat. Römische Reiter brausen heran, hügelaufwärts. Schau! Er flieht nicht. Was treibt er doch? Was hält er ihnen entgegen, hoch in die Hohe? Einen Schild? Nein! Eine Gestalt! Teutates ist's, der Kriegsgott, – aus Thon! Der soll ihn retten und die Schlacht! Schwerlich! Da! Da liegt der Vertraute der Götter auf dem Bauch! Gleich kommt die Reihe an uns! Vorwärts, ihr Kinder! Ihr könnt' nur Einmal sterben. Aber Einmal müßt ihr. Warum nicht jetzt? Ich bin der Frösche satt: der Bataver und der gebratenen.«

An ihm vorbeiflüchtendes Fußvolk des Classicus schrie: »Du, Tutor? Rette dich! Verrat! Wir sind verraten!«

»Du Esel! Verrat? Das ist das dümmste Wort in unsrer Sprache!« rief er dem nächsten zu.

Er führte seine Reiter mutig vor und warf das vorderste Geschwader der Römer. Hier kam die Flucht zum Stehen. Aber Tutor sank sterbend aus dem Sattel.

Classicus sprengte querfeldein heran. »Du, Freund? Komm! Auf ein frisches Pferd! Vergieb mir meine Thorheiten . . .«

»Sei still! Die aufzuzählen, bleibt dir nicht mehr Zeit und mir nicht mehr, sie alle anzuhören.«

»Du bist schwer getroffen?«

»Es langt. Der Wurfspeer muß sehr lang gewesen sein. Denn er fuhr durch meinen ganzen Bauch und zwischen den Rippen heraus. Ja, mein Bauch! Wodurch der Mensch sündigt, daran wird er gestraft. Gutruat hat wohl einen Pfeil ins Hirn erhalten? Möge dir – die Mahlzeit – des Lebens – gut bekommen. Ich – habe sie verdaut.« Er starb.

Er hörte nicht mehr wie Classicus rief: »Ich überlebe die Schande nicht! Der Tod sühnt alle Thorheit.« Und er hielt Wort. Er wandte das Roß und jagte, ganz allein, den neuandringenden Geschwadern entgegen: sofort war er erschlagen.

Die Sieger drangen mit den Fliehenden zugleich in das Lager. Das geschlagene Heer löste sich auf: mit ihm das Großreich Gallien.


So rasch war die Entscheidung gefallen, daß Civilis nicht mehr im stande gewesen war, den Fluß zu überschreiten und den Verbündeten zu Hilfe zu eilen.

Zwar hatte er auf die erste Nachricht von dem verbotwidrigen Angriff der Gallier, laut klagend über solch wahnwitzigen Ungehorsam, sein Heer unter die Waffen gerufen: aber auf dem Weg den Rhein aufwärts – an der Stelle, wo seine Schiffe lagen, – hatte er an der Strombiegung vorüberzuziehen, von wo aus er seinen Damm in den Rhein gebaut hatte. Und hier sprengten seine dem Ufer zunächst trabenden Reiter plötzlich auf ihn zu, ein paar triefende Kannenefaten und Gugernen in der Mitte.

»O Civilis!« rief Sido, der die Reiter führte, »welches Unglück!«

»Die Gallier sind geschlagen? Traurig. Aber schadet uns noch nichts. Der Feind kommt nicht über den Damm.«

»Der Damm«, rief Welo, als der zweite heransprengend, »der Damm ist in der Römer Hand!«

»Das wolle Wodan nicht!« rief Civilis und erbleichte.

»Sieh hin,« rief Ulemer! »Sieh hinüber! Das sind römische Helme, römische Adler.«

»O großer Wodan, ja! Wo ist Brinno? Tot?«

»Nein«, sprach Brinnobrand heransprengend, »aber schwer wund. Gleich bringen sie ihn! O hättest du Einem den Damm vertraut: – er hätte ihn nicht verlassen!«

»Brinno,« begann Sido aufs neue – »so erzählen die wenigen Geretteten der Seinen – sah auf einer Triere und etlichen Kähnen Labeo und die Brigantiker, vom Strome hilflos fortgerissen, zu Thal treiben, rettungslos, so schien es. Er wollte mit seinen Leuten den Damm verlassen, auf seinen Nachen, sie zu fangen. Aber noch hielt er, deines Gebotes gedenkend, sich zurück. Da ward plötzlich auf der steuerlosen Triere ein Legionsadler sichtbar. Nun war Brinno nicht mehr zu halten. Er sprang ins Boot und stieß ab, jauchzend folgten ihm – gegen sein Verbot! – die Seinen – fast alle. Er erreichte das fliehende, nahezu sinkende Schiff.

Aber plötzlich wandte das den hochbordigen Bug, fuhr gegen die Verfolger an, warf Brinnos Boot und viele andere um und rauschte an den Damm zurück, den einstweilen – er ward fast nicht verteidigt! – Cerialis von der andern Seite her, mit allen seinen Segeln landend, angegriffen und genommen hatte.«

»Da bringen sie ihn auf seinem Schilde. Verzeih meinem Bruder.«

Aber Civilis erwiderte nichts. Er hielt das scharrende Roß mit der Linken und drückte die geballte Rechte vor die Augen. »Auch Er! – Auch der Treueste sonder Verlaß! – Ist das ein Heer? Ist das ein Volk? – Gewiß kein Staat!« –

»Feldherr, was befiehlst du?« fragte Sido besorgt, in seinen rechten Arm greifend. Dies stumme unthätige Harren war unerträglich.

»Sprich doch, Civilis!« rief Welo. – »Ich habe ihn niemals so gesehn. Was thut er?«

»Wodan grämt sich,« sprach Brinnobrand. »Er ist gar so allein!«

»Gebeut, Civilis!« mahnte Ulemer. »Was soll geschehen? Sollen wir vorwärts, den Galliern zu helfen?«

»Nein,« sagte Civilis, tonlos; matt war seine Stimme. »Zurück!«

»Wohin? Ins Lager?«

»Nein! Wir haben kein Lager mehr! Alles ist – hier – verloren! Die ganze Stellung – wie hatt' ich sie geliebt! – ist hin. Wir müssen fliehen. So weit nach Norden als möglich! Ja, fliehen, ihr Freunde! Fliehen! Rasch! Aber – tragt den wunden Brinno mit!«

 


 


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