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Sechsundvierzigstes Kapitel

Der folgende Auszug ist dem Briefe einer Dame in Shirani entnommen, die an ihre liebste Freundin in Bombay schrieb:

»... Du wünschest, daß ich Dir von der Hochzeit erzähle, die wir kürzlich hier gefeiert haben, und so will ich denn, wie sich's gehört, gleich mit dem Anfange anfangen. Als der junge Jervis so unerwartet zurückkehrte, kannte das allgemeine Erstaunen keine Grenzen; aber die Erklärung seiner Abwesenheit war so einfach als möglich. Auch brachte er seinen reichen Onkel, den einzigen und eigentlichen Millionär, mit. Sie wohnten alle in Rookwood. Honor Gordons Verlobung wurde alsbald angezeigt, und ich muß gestehen, daß mir nie ein glückseligeres Brautpaar vorgekommen ist. Ich begegnete den beiden bei ihren Spazierritten im Walde, auch kamen sie häufig in den Klub und nach dem Tennisplatze und benahmen sich da weit vernünftiger, als manche Leute, die nicht verlobt sind. Lady Brande strahlte vor Zufriedenheit und ebenso der kleine Londoner Millionär, der von allem, was er sah, entzückt war und in dieser Beziehung einen angenehmen Gegensatz zu den meisten andern Gästen bildete, die von jenseits des Ozeans zu uns kommen. Besonders eingenommen schien er indessen von seiner künftigen Nichte. Man sah sie fast immer beisammen, und ich glaube, er nahm sie mehr in Anspruch, als eigentlich recht und billig war. Lady Brande und der junge Jervis haben sich von jeher aufs beste gestanden. Anfänglich wurde die Befürchtung laut, die Hochzeit werde wegen eines Trauerfalles in der Familie des Bräutigams – sein Vater ist gestorben – eine ganz stille sein, die Braut würde sich im Reisekleide trauen lassen und das Paar werde unmittelbar nach der Trauung abreisen. In Berücksichtigung der Wünsche Lady Brandes kam es indessen zu einem Kompromiß. Man beschloß, in Berücksichtigung der Wünsche des Bräutigams, auf Musik, großes Frühstück, festliche Aufführungen und dergleichen zu verzichten; aber die Braut sollte das herkömmliche weiße Kleid tragen, ein jeder, der Lust dazu hatte, konnte der Trauung in der Kirche beiwohnen und sich dann zu Kuchen und Champagner in Rookwood einfinden. Ich brauche wohl nicht zu sagen, daß niemand bei der einzigen Hochzeit fehlte, die in dieser Saison in Shirani stattfand, und der noch dazu eine Art Roman, eine Liebesgeschichte, vorausgegangen war. Die Hochzeitsgeschenke waren weniger Gaben eitler Prunksucht, als vielmehr Beweise herzlicher Zuneigung. Das schönste dieser Geschenke war, meiner Meinung nach, ein Halsband, das aus mehreren Reihen prachtvoller Perlen bestand, eins der kleinsten war ein Handschuhknöpfer, den Ida Langrishe geschenkt hatte.

»Holdchen Primrose und Dolly Merton waren kleine Brautjungfern, und da die erstere auf einem ›Brautführer‹ bestand, so begleiteten Frau Pauls beide reizenden Knaben in weißen Pagenkostümen die beiden Mädchen. Sie bildeten das hübscheste vierblätterige Kleeblatt, das man sich denken kann. Holdchen mit ihren goldblonden Locken sah aus wie ein leibhaftiger Engel, fand aber noch vor Ende des Tages Gelegenheit, sich von der Kehrseite zu zeigen. Ich war erstaunt, daß man dem schrecklichen Kinde erlaubt hatte, überhaupt dabei zu sein; aber der Bräutigam hatte es, wie mir Honor sagte, besonders gewünscht, und über den Geschmack läßt sich bekanntlich nicht streiten. Jedenfalls hatte er Holdchen über- oder unterschätzt. Ich versichere Dich, die Kleine stieg die Stufen zum Altar hinauf, als ob sie glaubte, die Anwesenden in der bis zum letzten Platze gefüllten Kirche seien nur hier, um Holdchen Primrose zu bewundern.

»Auch einige Fremde, Freunde des Bräutigams, waren gekommen, um der Trauung beizuwohnen. Zwei oder drei junge Pflanzer, deren Haar dringend der Schere bedurft hätte, ein Missionar, mit langem, braunem Barte, der an der Zeremonie teilnahm, und dann der sonderbare kleine Cardozo, der bei dieser Gelegenheit nur aus Zähnen und Diamantringen zusammengesetzt schien. Die Braut trug ein Kleid von weißem Atlas und das Perlenhalsband. Sie schien sehr nervös und aufgeregt, der Bräutigam dagegen zeigte sich gefaßt und ruhig, und als die beiden dann Arm in Arm durch den Mittelgang der Kirche schritten, sahen sie förmlich triumphierend glücklich aus. Es geht doch wirklich nichts über eine Heirat aus Liebe!

»In Rookwood versammelte sich dann eine große Anzahl Menschen, um auf das Wohl der Neuvermählten zu trinken. Sir Pelham hielt eine sehr hübsche Rede. Er sprach klar, kurz und witzig. Unter den nicht offiziellen Rednern that sich besonders Oberst Sladen hervor, der sagte, er habe der Braut, gleich als sie zum erstenmal im Klubhause erschienen sei, den Rat gegeben, den Millionär nicht aus den Augen zu lassen. ›Ich war damals freilich auf falscher Fährte,‹ fügte er hinzu, ›aber es scheint, daß Fräulein Gordon eine bessere Nase hatte, als ich.‹

»Der Triumph des Tages war indessen Holdchen Primrose vorbehalten! Glücklicherweise sprach sie nur vor einem kleinen Zuhörerkreise. Den Mund voll Marzipan, rief sie in ihren gewöhnlichen hohen, durchdringenden Tönen: ›Das ist von Lalla Paskes Hochzeitskuchen!‹ Frau Langrishe, die dicht daneben saß, sah aus, als ob sie der Schlag rühren sollte, was auch kein Wunder gewesen wäre. Der Marzipan war nicht von Lallas Hochzeitskuchen, aber die neugierige kleine Elfe war am Tage vorher in Rookwood gewesen, hatte, während die Mutter die Hochzeitsgeschenke besichtigte, einige geflüsterte Worte aufgeschnappt, und da sie ein besonders scharfes Auge für Kuchen hat, auch wirklich den zweiten Kuchen entdeckt. Frau Sladen bemächtigte sich sogleich der Kleinen und versuchte, sie zum Schweigen zu bringen, was sie indessen nur durch das Versprechen eines großen Stückes von dem ›andern Kuchen‹ erreichte, das Holdchen als Preis verlangte.

»Keiner dieser Zwischenfälle kam aber zu Augen und Ohren der Neuvermählten, und bald waren wir alle durch den Abschied von der Braut in Anspruch genommen. Unendlich viele Küsse wurden ausgetauscht, aber keine Thräne wurde vergossen. Das glückliche Paar nahm einen jungen weißen Foxterrier mit sich und fuhr in einer hübschen Viktoria davon, die fast unter den nachgeworfenen Pantoffeln verschwand. Wenn nachgeworfene Pantoffeln als Zeichen aufrichtiger Freundschaft und treugemeinter guter Wünsche gelten dürfen, so waren die beiden das beliebteste Menschenpaar, das seit Jahren hier Hochzeit gefeiert hat; denn ich glaube nicht, daß in ganz Shirani noch ein einziger alter Schuh aufzutreiben wäre.«

 

Ende

 


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