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Zweiundvierzigstes Kapitel

Ein leidenschaftliches, unablässiges Verlangen, das sich durch keine Vernunftgründe beschwichtigen lassen wollte, zog Mark Jervis nach Hawal-Ghât. Doch heldenmütig widerstand er der Versuchung, die bald in der einen, bald in der andern Gestalt, bald mit gebieterischer, bald mit schmeichelnder Stimme an ihn herantrat. Er durfte sich der Qual des Abschiedes nicht noch einmal aussetzen, konnte nicht ein zweites Mal mit nackten Füßen über glühende Pflugscharen wandeln!

Vier volle Tage hielt er es aus, nicht anders als in seinen Gedanken und Träumen das Kantonnement zu besuchen. Auch am fünften lenkte er die Schritte seines Pony gewissenhaft nach der entgegengesetzten Seite und war nicht wenig erstaunt, als er, nach einem langen, unerfreulichen Ritte zwar nicht direkt auf dem verhexten Gebiet, aber doch ziemlich nahe dabei, das heißt bei dem alten Schießstande ankam, der auf der Rückseite des die Station begrenzenden Hügels lag. Zur Linken öffnete sich ein langes Thal, zur Rechten zog sich am Hügel ein Wald von immergrünen Eichen und Rhododendrons hin, unter dem sich ein Teppich von Farnkräutern und Herbstblumen ausbreitete; und durch dies Dickicht kam soeben ein junges, wohlgenährtes weißes Hündchen herangekeucht, das mit der ganzen Keckheit seines Alters und seiner Rasse einen ältlichen Affen verfolgte.

Mark, der langsam, mit dem Zügel seines Pony über dem Arme, einherschlenderte, stutzte. War der Hund denn nicht ein alter Freund von ihm? War es nicht derselbe, den er Mama Brande geschenkt hatte, als ihre Trauer um den armen Ben noch zu frisch gewesen war, und der deshalb damals keine Gnade vor ihren Augen gefunden hatte? Wem gehörte dieser Hund jetzt? Das Geräusch leichter, jugendlicher Fußtritte, ein Rascheln in den Büschen, das sich näherte, der Schimmer eines weißen Kleides und der ängstliche Laut einer Mädchenstimme, die »Tommy! Tommy!« rief, beantwortete die Frage.

Noch eine Sekunde, und Honor Gordon erreichte etwa dreißig Schritte von Mark den Pfad. Sie war beinahe atemlos und trug den Hut, den ihr wahrscheinlich ein vorwitziger Zweig vom Kopfe gerissen hatte, in der Hand. Ihre Stirnlöckchen waren in Unordnung und ihre Wangen ungewöhnlich lebhaft gefärbt.

Mark glaubte, sie nie so schön gesehen zu haben, und hatte seine ganze Selbstbeherrschung nötig, um sich nicht schwach zu zeigen.

Beinahe eine halbe Minute standen sie sich stumm gegenüber. Nur das leise Plätschern des schneegeborenen, unter Farnkräutern und Orchideen dahinfließenden Gebirgswässerchens unterbrach die tiefe Stille.

»Wie verändert er ist,« dachte Honor mit einem seltsam pressenden Gefühl in der Kehle. Drei kurze Monate hatten genügt, um den Zug frischer Jugendlichkeit von seinem Gesicht zu verwischen.

Das junge Mädchen machte eine gewaltige Anstrengung, und es gelang ihr endlich, das Schweigen zu brechen.

»Ich hatte eine Ahnung, daß ich Sie bald wieder sehen würde, ich träumte davon,« sagte sie.

»Träume bedeuten oft das Gegenteil,« gab Mark mit gezwungenem Lächeln zurück.

»Und wie hübsch von Tommy, daß er Sie fand. Jedenfalls erinnert er sich noch Ihrer.«

»Dafür hat er noch keinen Beweis gegeben. Im Gegenteil, er hat mich gänzlich geschnitten. Wie lange ist's aber auch her, daß er mich nicht gesehen hat!«

»Gerade drei Monate!«

»Richtig,« gab Mark mit geheuchelter Gleichgültigkeit zur Antwort.

»Wohnen Sie hier in der Nähe?« fragte Honor weiter.

»Auf dem Ziegenpfade, der hier über den Hügel geht, mag die Entfernung etwa zwei Wegstunden betragen.«

»Ist Ihnen bekannt, daß wir mit halb Shirani eine Picknickpartie nach Hawal-Ghât gemacht haben?«

»Ja, ich weiß es.«

»Und warum haben Sie uns nie besucht? Wir reisen morgen ab!«

Er blickte, um ihren forschenden Augen zu entgehen, zu Boden. Ein halb unterdrückter Seufzer war die einzige Antwort.

»Wir sind doch wenigstens noch gute Freunde,« fuhr sie fort, während sie krampfhaft schluckte.

»Ja, das werden wir uns immer bleiben; aber ich hielt es für besser, mich fernzuhalten. Die Leute würden mich für ein Gespenst gehalten und sich vor mir entsetzt haben. Was gibt's Neues in Shirani?«

»Das Neueste ist, daß Frau Sladen nächste Weihnacht nach England geht, daß Fräulein Clower sich mit Hauptmann Burne verlobt hat und Lalla Paske sich demnächst mit Sir Gloster Sandilands verheiraten wird.«

»Der arme Kerl! Ich glaube, meine früheren Bekannten in Shirani denken, wenn sie überhaupt an mich denken, ich sei nach England abgereist?«

Sie zögerte einen Augenblick mit der Antwort und drehte ihren Ring um den Finger.

»Ihre Freunde wissen, daß Sie bei Ihrem Vater sind, um ihn zu pflegen,« versetzte sie endlich. »Wie geht's dem alten Herrn?«

»O, viel besser, ich danke Ihnen. Haben Sie Waring noch vor seiner Abreise gesehen?«

»Nein,« gab Honor in unverkennbarer Verlegenheit zurück. »Er folgte Ihrem Beispiele und schenkte sich alle Abschiedsbesuche. Seine Abreise erfolgte etwas – etwas plötzlich,« setzte sie errötend hinzu.

»Warum stocken Sie?« fragte Mark, Honor scharf anblickend. »Ich sehe Ihnen an, daß etwas vorgefallen ist, daß er etwas gethan hat.«

»Nein, es handelt sich vielmehr darum, daß er etwas nicht gethan hat,« gab sie mit gezwungenem Auflachen zur Antwort. »Natürlich geht mich die Sache nichts an; aber er hat seine Rechnungen nicht bezahlt. Vielleicht hätte ich Ihnen das nicht sagen sollen ...«

»Gewiß mußten Sie mir das sagen.«

»Er hat sehr viele Schulden, aber keine Adresse hinterlassen.«

Ein ungläubiger Ausruf Marks unterbrach die Sprecherin.

»Ja,« fuhr diese fort, »er ist alles schuldig geblieben, hat sogar den Dienern ihren Lohn und ihre kleinen Auslagen für Stiefelwichse und so weiter nicht bezahlt. Und das halten die Leute eigentlich für das Schlimmste,« setzte sie mit einem abermaligen nervösen Auflachen hinzu.

»Nein,« rief Mark, dessen bleiches Gesicht sich mit glühender Röte bedeckte, »ich will Ihnen noch was Schlimmeres sagen: Ich gab ihm im letzten Augenblick vor meiner Abreise alles, was ich besaß, händigte ihm eine Anweisung auf fünfhundert Pfund ein, um unsre Angelegenheiten in Shirani zu ordnen, und er gab mir sein Ehrenwort, alle Rechnungen zu begleichen und mir die Quittungen zu schicken. Und nun glaubt man in Shirani selbstverständlich, ich sei ein ebensolcher Schwindler und Betrüger, wie er! Man muß ja natürlich annehmen, ich sei vor meinen Gläubigern ausgekniffen ...«

»Ich bedaure wirklich, daß ich's Ihnen gesagt habe ...« begann Honor von neuem.

»In der Sache bin nur ich zu tadeln; warum traute ich Waring,« gab Mark zur Antwort. »Aber meine eigenen Angelegenheiten machten mich damals halb wahnsinnig. Ich wollte so schnell als möglich von Shirani fort, um der Versuchung zu entgehen, das meinem Vater gegebene Wort zu brechen. Jetzt ist meine Lage geradezu schrecklich. Ich, der ich es nicht ertragen kann, nur einen Pfennig zu schulden, besitze im Augenblicke nicht die Mittel, unsre gemeinschaftlichen Rechnungen zu bezahlen; denn Waring hat natürlich die Anweisung zu Geld gemacht.«

»Und Ihr Onkel?«

»Er hat mir nie wieder geschrieben. Von seinem Standpunkte aus habe ich mich ja sehr schlecht gegen ihn benommen, und daß er das glauben muß, thut mir furchtbar leid; denn ich habe ihn von Herzen lieb. Nachdem er sich aber von mir losgesagt hat,« fügte Mark mit einem gezwungenen Lächeln hinzu, »bin ich nun wirklich der arme Verwandte, für den man mich bisher hielt. Doch, was sagen Sie dazu?« fuhr er fort. »Da stehe ich und spreche von mir selbst und von Geld und Geldsachen und frage nicht einmal nach Ihrem Befinden. Ist's Ihnen immer gut gegangen?«

»Gut soll's mir gegangen sein?« gab sie mit einem Aufblitzen ihrer dunkeln, grauen Augen zurück.

»Verzeihen Sie mir, Honor,« sagte er bittend. »Verzeihen Sie! Aber es war mir, wenn ich hier in den Bergen umherirrte, immer ein solcher Trost, zu denken, daß Sie glücklicher wären als ich.«

»Das heißt, daß ich Sie vergessen hätte?«

»Ja, daß Sie mich vergessen hätten,« wiederholte er mit einem leisen Beben der Stimme.

»Niemals! Ich werde Sie niemals vergessen!« lautete die mit leidenschaftlicher Bestimmtheit gegebene Antwort.

»Und dennoch wird's geschehen mit der Zeit, meine ich. Vielleicht nicht in den nächsten zwei oder drei Jahren; denn Sie sind nicht wie so viele andre Mädchen, und daß ich Ihre erste Liebe war, wird mich Ihnen stets unvergeßlich machen.«

»Unvergeßlich!« bestätigte sie flüsternd.

»Aber Sie wissen, man sagt, die Frauen heirateten stets den Mann ihrer zweiten Liebe,« brachte Mark mit stockender Stimme hervor.

»Wie ruhig Sie über solche Dinge sprechen können!« rief Honor im Tone der Empörung. »Wie kalt, hart und grausam sind Sie geworden!«

»Grausam? Wenn ich grausam bin, so werden Sie mir dies eines Tages danken. Sie werden dann begreifen und wissen –«

»Was ich weiß, ist nur, daß man, wenn man sich nach so langer Trennung wiedersieht, doch wohl etwas freundlicher gegeneinander sein könnte, und ...« hier versagte ihr die Stimme. Sie wurde blaß, und ihre schweren, schnellen Atemzüge verrieten ein unterdrücktes Schluchzen. Mark widerstand kaum dem wilden Verlangen, sie an sich zu reißen und an seine Brust zu pressen. Statt dessen aber bückte er sich nach kurzem Kampfe nur, um den kleinen Hund auf und in die Arme zu nehmen.

»Hat Ihr Onkel meinen Brief erhalten?« fragte er in kühlem, förmlichem Tone.

»Ja, und er war sehr davon ergriffen, sagte aber, Sie wären ein Ehrenmann und seine und Ihre Ansichten stimmten völlig überein. Ich dagegen bin andrer Meinung.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Onkel sagte natürlich Tante Sara, um was es sich handelte, und ich ließ dieser keine Ruhe, bis sie es mir verriet; denn die Sache ging mich doch am meisten an. Ich kenne jetzt das Hindernis und bin dessenungeachtet bereit, Ihre Frau zu werden. Was die Armut anbetrifft –«

»Die Armut wäre kein Hindernis,« fiel er lebhaft ein. »Ich besitze selbst ein kleines Vermögen und könnte wohl auch die Schulter ans Rad stemmen und für unsern Unterhalt arbeiten. Es handelt sich darum, daß ein dunkles Verhängnis einen Schatten auf mein Leben wirft, daß mein Geist und mein Verstand durch einen erblichen, unbarmherzigen Feind bedroht sind, und ich will und werde kein andres Wesen mit mir in den Abgrund ziehen. Mein Los ist geworfen, mein Schicksal bestimmt – ich muß es tragen!«

»Nein!« rief Honor, deren leidenschaftliches Herz sich gegen dies Schicksal aufbäumte. »Nein, es ist nicht Ihre Bestimmung, auf alles, auf die Welt, Ihre Freunde, auf das Vermögen, das Ihnen zufallen sollte, und auch auf mich zu verzichten, um sich mit einem alten Manne, der dies Opfer gar nicht zu ermessen vermag, lebendig zu begraben! Glauben Sie aber nicht etwa,« fuhr sie mit einer ungeduldigen Handbewegung fort, »daß ich rede wie eine Wahnsinnige. Ich weiß wohl, daß das, was Sie thun, das Rechte und Richtige ist, daß Sie gar nicht anders handeln können, und, und, ich bin stolz auf Sie! Aber es ist hart,« setzte sie hinzu, als sie jetzt in Marks bleiches, verstörtes Gesicht, in seine schmerzumflorten Augen sah und einen Blick hinter den Panzer von Selbstbeherrschung that, womit er sich umgeben hatte. »O, es ist sehr, sehr hart!« Dabei bedeckte sie ihr Gesicht mit den Händen und weinte bitterlich.

»Um Gottes willen, Honor, ich flehe Sie an, reden Sie nicht so und weinen Sie nicht! Ich kann es nicht ertragen!« rief der junge Mann. »Ich würde ja alle Kämpfe, die ich schon durchgemacht habe, gern noch einmal auf mich nehmen, wenn ich Ihnen dadurch auch nur eine Thräne ersparen könnte. Die Verhältnisse, das Schicksal, oder wie Sie es sonst nennen wollen, sind gegen uns. Ich darf Ihr Leben nicht vergiften und verderben; aber Sie wissen, daß ich Sie liebe und Sie lieben werde, so lange ich atme.«

»Das weiß ich,« gab sie, ihre nassen Augen zu ihm erhebend, zurück. »Aber Sie sollten mich nicht fragen, ob es mir gut gegangen ist, sollten nicht sagen, ich werde mich mit meiner zweiten Liebe verheiraten! O, Mark, wie konnten Sie das?«

»Ich gebe zu, daß es eine Roheit war. Ich wollte Ihnen die Sache leichter machen, und wenn Sie zuweilen an mich denken, so ... so ...« Seine Stimme brach.

»Und das wird oft, wird jeden Tag geschehen!« versicherte sie. »Aber jetzt muß ich fort. Es war schon spät, als Tommy mir davonlief und ich ihm nachsetzte, weil ich fürchtete, er könne das gleiche Schicksal haben, wie der arme Ben. Wollen Sie mich bis auf die Kuppe des Hügels, wo unsre Wege auseinandergehen, begleiten?«

»Ja,« gab er zur Antwort und setzte in Gedanken hinzu: »wo unsre Wege für immer auseinandergehen.«

Aus dem Heimwege fragte sie nach seinem täglichen Leben, seiner Beschäftigung und seinem Umgang, und er versuchte, ihr den gelben Bangalo, die Gärten, die benachbarten Ansiedler und die Missionare von der besten Seite zu schildern.

»Gibt es gar keine weißen Frauen in der Nähe?« fragte sie weiter.

»O ja, eine, und die ist noch dazu eine Freundin von Ihnen. Ihr kleiner Karneolring ist zu einem starken Bande zwischen uns geworden. Sie gibt sich für eine Perserin aus, ist aber eine höchst rätselhafte Persönlichkeit, von der niemand weiß, wer sie eigentlich ist und woher sie stammt. Alles, was man von ihr erfährt, ist, daß sie hier viel Gutes thut und Kranke und Sterbende pflegt. Sie sagte mir, daß Ihnen, aber nur Ihnen allein, ihre Lebensgeschichte bekannt sei.«

»Das ist so!« sagte Honor, die Augen zu Boden senkend.

»Sie entzieht sich jeder Beobachtung, nur vor mir versteckt sie sich nicht, um Ihretwillen, wie sie sagt,« fuhr Mark fort. »Wenn wir uns sehen, sprechen wir nur von Ihnen.«

»Dann bitte, bringen Sie ihr einen Gruß von mir und sagen Sie ihr, daß ich oft an sie denke, und ob ich ihr nicht einmal schreiben dürfe, oder ob sie mir nicht schreiben wolle.«

»Sie vergessen, daß sie Perserin ist. Wie sollte sie Ihnen schreiben können?«

Honor errötete tief und drehte ihren Ring wieder und wieder um den Finger, ehe sie Antwort gab.

»Bitte, bestellen Sie immerhin meinen Gruß und Auftrag. Ich werde ihren Brief schon lesen können.«

Damit hatten die beiden die Stelle erreicht, wo ihre Wege sich schieden. Der seine ging der Berglehne entlang, der ihrige führte hinab ins Thal. Honor blieb noch einen Augenblick stehen und streichelte den glatten, festen Nacken des grauen Ponys. Dann drehte sie sich um und reichte dem Herrn des Tieres beide Hände. Sie sahen einander in die bleichen Gesichter und lasen, jeder in den Augen des andern, die Tragödie ihres Lebens. Plötzlich entzog das junge Mädchen dem Manne ihrer Liebe die Hände und lief, von Tommy begleitet, den Berg hinunter. Jervis blieb stehen, wo sie ihn verlassen hatte, bis das Geräusch ihrer Fußtritte verklungen war.

»Ich werde diesen Laut nie wieder hören!« stöhnte er laut, warf sich unter einen Baum und vergrub das Gesicht in den Händen.

Wie lange er in dieser Stellung verblieb, wußte nur das graue Pony. Nach und nach aber wurde dem Tiere das Warten zu lange. Es kam näher und rieb seine weichen, schwarzen Nüstern an dem lockigen Haupte des jungen Mannes, ein kleines, einfältiges Zeichen der Teilnahme, das ihn aus seiner Schmerzversunkenheit emporrüttelte, wenn es ihn auch nicht zu trösten vermochte; denn was verstand die stumme Kreatur von dem Jammer eines Menschenherzens!

*

Honor kam sehr spät zum Gabelfrühstück; der Nachmittag war schon ziemlich weit vorgerückt, als sie zu Hause eintraf und den Bangalo in ungewöhnlicher Aufregung fand. Selbst die Gesichter der Diener trugen den Stempel besonderer Wichtigkeit.

Frau Brande saß vor ihrem Schreibtische, wo sie schon Dutzende von kleinen Briefen angefangen und wieder zerrissen hatte. Ihre Haube saß schief, ihr blondes Haar war in Unordnung und ihr Gesicht gerötet. Was, um Gottes willen, konnte geschehen sein?

»O Honor, mein Kind, ich dachte schon, du kämest nie wieder, und ich hatte dich so nötig!« rief die alte Dame dem jungen Mädchen entgegen. »Aber wie blaß du aussiehst! Bist gewiß zu weit gegangen! Du fühlst dich doch nicht krank?«

»Nein, nein, Tantchen. Aber was ist hier geschehen? Es ist, als ob hier etwas Besonderes in der Luft läge!«

Mama Brande stürzte sich als einzige Antwort mit der ganzen Last ihrer Persönlichkeit an den Hals ihrer Nichte und brach in lautes, nervöses Schluchzen aus.

»Denke dir nur, Kind, vorhin – vorhin kam ein Kuli und brachte einen – einen Brief von Pel. Sie haben ihn zum Ritter und Kommandeur des Bath-Ordens gemacht, und deine Tante, deine arme, alte Tante« – hier unterbrach ein noch heftigeres Schluchzen Mama Brandes Redefluß – »ist jetzt Excellenz und eine wirkliche Lady.«


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