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XV

Da Lajewskij beschlossen hatte, nicht mit einemmal energisch zu lügen, sondern langsam und allmählich, kam er am nächsten Nachmittag um zwei Uhr zu Samoilenko. Er wollte das Geld holen, um unbedingt am Sonnabend abzureisen. Nach dem gestrigen hysterischen Anfall, der zu seinem trüben Gemütszustand noch ein scharfes Gefühl von Scham gefügt hatte, war ein längeres Dableiben undenkbar. Wenn Samoilenko auf seinen Bedingungen bestehen würde, so könnte er ja darauf eingehen und das Geld nehmen und am nächsten Tag im Augenblick der Abfahrt sagen, Nadeschda Fjodorowna hätte selbst nicht mitgewollt. Bis morgen würde er sie schon überzeugen, daß alles das nur zu ihrem Besten geschehe. Und sollte Samoilenko, der sich ja augenscheinlich unter Herrn von Korens Einfluß befand, die Herausgabe des Geldes überhaupt verweigern oder neue Bedingungen stellen, so wollte er, Lajewskij, noch heute mit dem Frachtdampfer abfahren oder sogar mit dem kleinen Dampfboot nach Neu-Athos oder Noworossijsk. Von dort würde er seiner Mutter ein demütiges Telegramm senden und dableiben, bis ihm die Mutter Geld schickte.

In Samoilenkos Wohnzimmer traf er Herrn von Koren. Der Zoolog war gerade zum Essen gekommen und blätterte nach seiner Gewohnheit im Album und betrachtete die Herren mit den Zylindern und die Damen mit den Hauben.

›Zu dumm,‹; dachte Lajewskij, ›er könnte stören.‹;

»Guten Morgen.«

»'n Morgen,« erwiderte Herr von Koren, ohne ihn anzusehen.

»Ist Alexander Dawidytsch zu Hause?«

»Jawohl. In der Küche.«

Lajewskij wollte in die Küche, als er aber an der Tür sah, daß Samoilenko mit dem Salat zu tun hatte, ging er wieder ins Wohnzimmer und setzte sich. Im Beisein des Zoologen fühlte er sich unbehaglich, und heute fürchtete er, von dem gestrigen Anfall sprechen zu müssen. Einige Minuten vergingen im Schweigen. Plötzlich richtete Herr von Koren den Blick auf Lajewskij und fragte:

»Wie fühlen Sie sich nach der Geschichte von gestern?«

»Ausgezeichnet,« entgegnete Lajewskij und wurde rot, »im Grunde war es ja auch nichts Besonderes.«

»Bis zum gestrigen Tage hatte ich geglaubt, daß Hysterie nur bei Damen vorkäme. Darum meinte ich anfangs, Sie hätten den Veitstanz.«

Lajeswkij lächelte gezwungen und dachte: ›Wie wenig taktvoll ist das von ihm. Er weiß doch genau, daß es mir unangenehm ist.‹;

»Ja, es war eine komische Geschichte,« sagte er und lächelte weiter, »ich habe heute morgen die ganze Zeit gelacht. Das Merkwürdige an so einem hysterischen Anfall ist: man weiß ganz genau, daß er albern ist, und lacht innerlich über ihn und dabei weint man. In unserer nervösen Zeit ist man der Sklave seiner Nerven. Sie sind unsere Herren und tun mit uns, was sie wollen. Die Zivilisation hat uns in der Beziehung einen Bärendienst geleistet –«

Lajewskij redete, und es war ihm unangenehm, daß Herr von Koren ernst und aufmerksam zuhörte und ihn interessiert ansah, ohne mit den Wimpern zu zucken, als wollte er seine Worte auswendig lernen. Und über sich selbst ärgerte er sich, weil er trotz seiner nicht gerade liebevollen Gefühle gegen Herrn von Koren dieses verdammte gezwungene Lächeln nicht von seinem Gesicht bannen konnte.

»Uebrigens muß ich gestehen,« fuhr er fort, »der Anfall hatte direkte und ziemlich tiefe Ursachen. In letzter Zeit ist meine Gesundheit sehr erschüttert. Dazu die Langeweile, der ewige Geldmangel, dann die Entfernung von den Menschen und den geistigen Interessen. Meine Lage ist wirklich traurig.«

»Allerdings, Ihre Lage ist hoffnungslos.«

Diese ruhigen, kühlen Worte mit ihrer ungebetenen Prophezeihung beleidigten Lajewskij. Ihm fiel der Blick voll Spott und Hohn ein, den der Zoolog gestern auf ihn geworfen hatte. Einen Augenblick schwieg er, das Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden, dann fragte er:

»Woher ist Ihnen meine Lage bekannt?«

»Sie haben soeben selbst davon gesprochen. Außerdem nehmen Ihre Freunde so warmen Anteil an Ihrem Wohlergehen, daß man den ganzen Tag nur von Ihnen hört.«

»Was für Freunde? Vielleicht Samoilenko?«

»Ja, er auch.«

»Ich würde Alexander Dawidytsch und überhaupt meinen Freunden dankbar sein, wenn sie sich weniger um mich bekümmerten.«

»Da kommt Samoilenko, bitten Sie ihn doch, sich weniger um Sie zu kümmern.«

»Ich verstehe Ihren Ton nicht,« stieß Lajewskij hervor. Ihn erfaßte ein Gefühl, als begriffe er erst jetzt, daß der Zoolog ihn haßte, verachtete und sich über ihn lustig machte. Herr von Koren erschien ihm als seine bösester, unversöhnlichster Feind.

»Sparen Sie sich diesen Ton für andere Leute,« sagte er leise. Er hatte nicht die Kraft, laut zu sprechen, weil ihm der Haß die Brust und den Hals zusammenpreßte, wie gestern die krampfhafte Lachlust.

Samoilenko trat ein, in Hemdsärmeln, verschwitzt und rot von der Küchenwärme.

»Ah, du bist hier?« sagte er, »guten Tag, Freundchen. Hast du schon gegessen? Nur keine Förmlichkeiten, sag', hast du schon gegessen?«

»Alexander Dawidytsch,« sagte Lajewskij und stand auf, »wenn ich mich in einer intimen Angelegenheit mit einer Bitte an dich gewandt habe, so sollte das nicht heißen, daß ich dich von der Verpflichtung entbunden hätte, taktvoll zu sein und fremde Geheimnisse zu respektieren.«

»Was ist los?« sagte Samoilenko erstaunt.

»Wenn du kein Geld hast,« fuhr Lajewskij mit erhobener Stimme fort und trat aufgeregt von einem Fuß auf den andern, »dann gib es mir nicht, sag: Nein. Warum mußt du auf allen Gassen predigen, daß meine Lage hoffnungslos ist usw? Diese Wohltaten und Freundschaftsdienste, bei denen man für einen Groschen gibt und für einen Taler redet, kann ich nicht ausstehen. Du kannst mit deinen Wohltaten prahlen, soviel du willst. Aber keiner hat dir das Recht gegeben, meine Geheimnisse auszuschwätzen.«

»Was für Geheimnisse?« fragte Samoilenko, ohne zu verstehen und in aufsteigendem Aerger; »wenn du gekommen bist, um dich zu zanken, dann geh' lieber, du kannst später wiederkommen, wenn du dich beruhigt hast.«

Ihm fiel die Regel ein: Wenn du dich über deinen Nächsten ärgerst, so zähle in Gedanken bis hundert, und du wirst dich beruhigen. Er begann schnell zu zählen.

»Ich bitte Sie, sich um mich nicht zu kümmern,« fuhr Lajewskij fort, »Sie brauchen mich gar nicht zu beachten. Meine Lebensweise geht keinen was an. Ja, ich will abreisen. Ja, ich mache Schulden, trinke, lebe mit einer fremden Frau, ich bin hysterisch, ich bin schlecht, ich bin nicht so geistreich, wie gewisse Leute, aber wen geht das was an? Achten Sie doch meine Persönlichkeit.«

»Entschuldige, lieber Freund,« sagte Samoilenko, der erst bis fünfunddreißig gezählt hatte; »aber –«

»Achten Sie doch meine Persönlichkeit,« unterbrach ihn Lajewskij, »dieses beständige Reden von fremden Angelegenheiten, diese Ohs und Achs, dies beständige Ausspüren, Aushorchen, dies freundschaftliche Mitgefühl – soll der Teufel holen. Wenn man mir Geld leiht, macht man mir Bedingungen, wie einem kleinen Jungen. Mich behandelt man, wie, weiß der Teufel, wen! Nichts verlang' ich von Ihnen!« schrie Lajewskij, der vor Aufregung schwankte und Furcht hatte, er würde wieder einer hysterischen Anfall bekommen. – ›Ich kann also Sonnabend nicht fahren,‹; dämmerte es in seinem Kopf.

»Ich verlange von Ihnen nichts!« fuhr er fort, »ich bitte Sie nur, mich gefälligst von dieser Bevormundung zu befreien. Ich bin kein dummer Junge und kein Verrückter und verbitte mir diese Aufpasserei!«

Der Diakon trat ein und blieb wie angeschmiedet in der Tür stehen, als er Lajewskij erblickte, wie er bleich und hastig gestikulierend, an das Porträt des Fürsten Woronzow gewandt, seine Rede hielt.

»Dieses ewige Eindringen in mein Innenleben,« schloß Lajewskij, »beleidigt meine Menschenwürde, und ich ersuche die freiwilligen Schnüffler, ihre Spionage künftig zu unterlassen! Ich hab' genug davon!«

»Was hast du – was haben Sie gesagt?« fragte Samoilenko, der jetzt bis hundert gezählt hatte, mit rotem Kopf und trat auf Lajewskij zu.

»Ich hab' genug!« wiederholte Lajewskij, schwer atmend und griff nach seiner Mütze.

»Ich bin russischer Arzt, Edelmann und Staatsrat,« sagte Samoilenko langsam und deutlich, »Spion bin ich nie gewesen und erlaube niemand, mich zu beleidigen,« schrie er mit zitternder Stimme und legte den Ton auf das letzte Wort, »Mund halten!«

Der Diakon hatte den Doktor noch nie so majestätisch, aufgeblasen, rot und furchtbar gesehen. Er hielt sich den Mund zu, lief ins Entreezimmer und wälzte sich dort vor Lachen. Wie durch einen Nebel sah Lajewskij, daß Herr von Koren aufstand und sich, die Hände in den Hosentaschen, in einer Pose aufstellte, als warte er der Dinge, die da kommen sollten. Diese ruhige Pose erschien Lajewskij im höchsten Grade unverschämt und beleidigend.

»Nehmen Sie gefälligst zurück, was Sie da gesagt haben,« schrie Samoilenko.

Lajewskij wußte gar nicht mehr, was er gesagt hatte, und antwortete:

»Lassen Sie mich in Ruh'! Ich will gar nichts von Ihnen. Ich will nur, daß Sie und gewisse russifizierte deutsche Juden mich in Ruhe lassen. Sonst werde ich meine Maßregeln treffen, ich werde mich duellieren.«

»Jetzt versteht man doch,« sagte Herr von Koren und kam hinter dem Tisch hervor, »Herr Lajewskij wünscht vor der Abreise sich zu seinem Amüsement zu duellieren. Zu diesem Vergnügen kann ich ihm verhelfen. Herr Lajewskij, ich fordere Sie.«

»Eine Forderung?« zischte Lajewskij, trat auf den Zoologen zu und sah haßerfüllt auf seine dunkle Stirn und seine schwarzen Locken, »eine Forderung. Gut. Ich hasse Sie.«

»Sehr angenehm. Morgen ganz früh bei Kerbalais Wirtshaus. Alles nähere durchaus nach Ihrem Geschmack. Aber jetzt scheren Sie sich hinaus.«

»Ich hasse Sie,« sagte Lajewskij leise, »schon lange! Also ein Duell! Gut!«

»Wirf ihn hinaus, Alexander Dawidytsch, oder ich geh' fort,« sagte Herr von Koren, »sonst beißt er mich noch.«

Der ruhige Ton des Zoologen kühlte den Doktor ab, er kam gleichsam wieder zu sich und wurde vernünftig. Er umfaßte Lajewskij mit beiden Armen, führte ihn von seinem Gegner fort und stammelte mit freundlicher, vor Erregung zitternder Stimme:

»Meine Freunde, ihr guten, lieben – ihr seid hitzig geworden, und es wird ... Es wird ... Meine Freunde.«

Als Lajewskij diese weiche, freundliche Stimme hörte, wurde ihm klar, daß soeben in seinem Leben etwas noch nicht Dagewesenes, Wunderbares geschehen war. Als wäre er beinahe von einem Eisenbahnzug überfahren worden. Er hielt kaum das Weinen zurück, winkte mit der Hand ab und lief aus dem Zimmer.

Bald darauf saß er im Pavillon. – ›Fremden Haß an sich zu erfahren und sich vor dem Menschen, der einen haßt, in der traurigsten, verächtlichsten, hilflosesten Weise benehmen, Herrgott, wie ist das schwer,‹; dachte er und fühlte ein unangenehmes Prickeln am ganzen Körper von dem ausgestandenen Haß des Zoologen. – ›Wie roh ist das, Herrgott.‹;

Ein Glas Eiswasser mit Kognak ermunterte ihn etwas. Klar trat ihm Herrn von Korens ruhiges, gemessenes Gesicht vor die Augen, sein Blick von gestern, das Hemd mit dem Teppichmuster, die Stimme, die weißen Hände. Und ein schwerer, leidenschaftlicher, hungriger Haß wühlte sich in seine Brust und forderte Befriedigung. In Gedanken warf er Herrn von Koren auf den Boden und trat ihn mit Füßen. Er erinnerte sich des Vorgefallenen in allen Einzelheiten und wunderte sich, wie er diesem nichtigen Menschen hatte ungezwungen zulächeln können. Wie hatte er überhaupt auf die Meinung so kleiner Menschen etwas geben können, die niemand kannten und die in solch einem elenden Städtchen lebten. Dieses Nest stand ja nicht einmal auf der Karte, und in Petersburg kannte es gewiß kein vernünftiger Mensch. Sollte es zusammenstürzen oder abbrennen, so würde man die Nachricht davon in Rußland mit derselben Gleichgültigkeit in der Zeitung lesen wie eine Annonce über den Verkauf gebrauchter Möbel. Ob er morgen diesen Herrn von Koren totschoß oder ihn leben ließ, war ja ganz egal. Beides war gleich zwecklos und uninteressant. Nein, er wollte ihn in den Arm, ins Bein schießen, ihn verwunden und nachher über ihn lachen. Wie ein Käfer, dem man ein Bein ausgerissen hat, sich im Gras verkriecht, so sollte er nachher mit seinem dumpfen Leiden in der Menge verschwinden, die ebenso nichtig war wie er.

Lajewskij ging zu Scheschkowskij, erzählte ihm die Geschichte und bat ihn, sein Sekundant zu sein. Dann begaben sich beide zum Vorstand des Post- und Telegraphenbureaus, baten auch ihn, Sekundant zu sein und blieben zum Mittagessen da. Während der Mahlzeit wurde viel gescherzt und gelacht. Lajewskij witzelte darüber, daß er vom Schießen kaum eine blasse Ahnung hätte, und nannte sich Schützenkönig und Wilhelm Tell.

»Man muß diesem Herrn die Flötentöne beibringen,« sagte er.

Nach dem Essen setzte man sich an den Kartentisch. Lajewskij spielte, trank Wein und dachte: ›So ein Duell ist doch ganz dumm und unvernünftig, es bringt ja keine Entscheidung der Frage, sondern schiebt sie nur hinaus. Aber in vielen Fällen ist es unvermeidlich. Ich kann Koren doch nicht verklagen. Und dieses Duell besonders hat noch das Gute, daß ich nachher bestimmt nicht mehr in der Stadt bleiben kann.‹;

Er bekam allmählich einen leichten Rausch, zerstreute sich durch das Spiel und fühlte sich wohl.

Als aber die Sonne unterging und die Dunkelheit kam, wurde er unruhig. Es war keine Todesfurcht, denn während des Mittagessens und des Kartenspiels saß in ihm, Gott weiß warum, die feste Ueberzeugung, daß bei dem Duell nichts herauskommen würde. Es war die Furcht vor einem Etwas, das morgen früh zum erstenmal in seinem Leben geschehen mußte, und der Schrecken vor der kommenden Nacht. Er wußte es, diese Nacht würde lang und schlaflos sein. Er würde in ihr nicht nur an Herrn von Koren und seinen Haß denken, sondern auch an den Berg von Lüge, durch den er hindurch mußte; denn ihn zu umgehen, hatte er keine Kraft und wußte er keinen Weg. Es war, als wäre er plötzlich erkrankt. Er verlor jedes Interesse an den Karten und den Menschen, wurde unruhig und sagte, er wolle nach Hause. Er wollte sich möglichst bald ins Bett legen, sich nicht rühren und seine Gedanken auf die Nacht vorbereiten. Scheschkowskij und der Postbeamte begleiteten ihn, dann gingen sie zu Herrn von Koren, um wegen des Duells Verabredungen zu treffen.

Vor seiner Wohnung traf Lajewskij Atschmianow. Der junge Mann war erregt und außer Atem.

»Ich suchte Sie, Iwan Andrejitsch,« sagte er, »bitte, kommen Sie schnell –«

»Wohin?«

»Ein Herr, den Sie nicht kennen, möchte Sie in einer sehr wichtigen Angelegenheit sprechen. Er bittet Sie dringend, auf eine Minute zu ihm zu kommen. Er muß etwas mit Ihnen besprechen. Es ist für ihn eine wichtige Lebensfrage!«

In seiner Aufregung sprach er mit stark armenischem Akzent.

»Was ist denn das für ein Herr?« fragte Lajewskij.

»Er bat, seinen Namen nicht zu nennen.«

»Sagen Sie ihm, ich hätte keine Zeit. Morgen vielleicht –«

»Unmöglich,« sagte Atschmianow erschreckt, »die Sache ist auch für Sie sehr wichtig, sehr wichtig! Wenn Sie nicht kommen, geschieht ein Unglück.«

»Seltsam,« murmelte Lajewskij und begriff nicht, warum Atschmianow so erregt war und was für Geheimnisse es in diesem langweiligen, gänzlich überflüssigen Nest geben konnte, »seltsam,« wiederholte er nachdenklich, »übrigens, gehen wir meinetwegen. Mir ist's egal.«

Atschmianow ging schnell voran, er folgte. Sie gingen die Straße hinunter, dann durch eine Quergasse.

»Wie langweilig,« sagte Lajewskij.

»Gleich, gleich, es ist nicht weit.«

Am alten Wall durchschritten sie einen schmalen Durchgang zwischen zwei umzäunten Bauplätzen, dann begaben sie sich über einen großen Hof zu einem kleinen Häuschen.

»Das ist Mjuridows Haus, nicht wahr?« fragte Lajewskij.

»Ja.«

»Aber weshalb gehen wir durch diese Hinterhöfe? Das versteh' ich nicht. Auf der Straße ist's näher.«

»Macht nichts, macht nichts.«

Lajewskij fand es auch sonderbar, daß Atschmianow ihn zur Hintertür führte und ihm mit der Hand zuwinkte, als wollte er ihn auffordern, leise zu sein.

»Hierher, hierher,« sagte Atschmianow, öffnete behutsam die Tür und schlich sich auf den Zehen in den Flur, »leise, leise, ich bitte Sie. – Man könnte uns hören.«

Er horchte, atmete tief auf und flüsterte:

»Oeffnen Sie diese Tür und gehen Sie hinein. Fürchten Sie nichts.«

Lajewskij öffnete zweifelnd die Tür und trat in ein Zimmer mit niedriger Decke und verhängten Fenstern. Auf dem Tisch brannte ein Licht.

»Wer da?« fragt jemand im Nebenzimmer, »bist du's, Mjuridow?«

Lajewskij wandte sich dorthin und erblickte Kirillin und neben ihm Nadeschda Fjodorowna.

Er hörte nicht, was man ihm sagte, ging hinaus und wußte nicht, wie er auf die Straße gekommen war. Der Haß gegen den Zoologen und die Unruhe, alles war aus seinem Geist verschwunden. Auf dem Nachhausewege fuchtelte er ungeschickt mit der rechten Hand in der Luft und schaute aufmerksam vor sich auf den Boden, um auf dem Trottoir zu bleiben. Zu Hause, in seinem Kabinett ging er rastlos ans einer Ecke in die andere und zuckte eckig mit Hals und Schultern, als wären ihm Rock und Hemd zu eng. Dann machte er Licht und setzte sich an den Tisch.


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