Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das Licht in der Finsternis.

In Diomeds Hause fand abermals ein Gastmahl statt, und zwar zu Ehren des Sohnes Lepidus, dessen Arbeit von den Richtern der philosophischen Schule mit dem Preis gekrönt worden war. Er hatte alle seine Bekannten geladen und strahlte vor Glück. Julia dagegen erschien ziemlich ernst und schweigsam, was um so mehr auffiel, als durch die Auszeichnung des Bruders ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung gegangen war.

Das bei der Tafel geführte Gespräch kam bald auf den Urteilsspruch, der über Glaukus und Olinth gefällt worden war.

Der Senat hatte beide zum Tode verurteilt, denn etwas anderes war der Kampf nicht, den Glaukus in der Arena mit dem Löwen und Olinth mit dem Tiger bestehen sollte.

Klodius bedauerte lebhaft, daß sich über den Ausgang desselben nicht gut wetten ließ; im übrigen merkte man ihm keine mitleidsvolle Regung für den unglücklichen Freund an. Er war ja auch nur ein Grieche, während Klodius der höchsten Gesellschaftsschicht der römischen Nation angehörte. Außerdem duldete seine gegenwärtige Stimmung kein Aufkommen von Sentimentalität; stand er ja doch im Begriffe, um die edle Julia zu freien, welche genug Reichtümer mit in die Ehe brachte, um seine bedeutenden Spielschulden mit Leichtigkeit zu bezahlen.

Es war für Glaukus gut, daß er den treulosen Abfall seiner ehemaligen Genossen nicht ahnte. Sein edles Gemüt würde in eine noch tiefere Trauer verfallen sein. Seit das Urteil gefällt worden, verweilte er nicht mehr in dem Hause seines Freundes Sallust.

Die Wächter führten ihn über das Forum zu einer Pforte an der Seite des Jupitertempels, öffneten die Tür und stießen ihn in den finstern Raum, der dahinter gähnte.

So schnell war die Umwandlung vor sich gegangen, welche ihn von der palmenreichen Höhe seines Glückes in den tiefsten Abgrund der Schande und in die Schrecken des Todes gestürzt hatte, daß er noch immer zu träumen wähnte. Seine Gesundheit und Jugend hatte über einen Trank gesiegt, dessen größeren Teil er glücklicherweise nicht zu sich genommen. Sinn und Bewußtsein waren ihm zurückgekehrt; aber immer noch drückte ein dumpfer Nebel auf seine Nerven und verdunkelte seinen Geist.

Der arme Athener! Das Hohngezisch der Menge, unter deren jauchzendem Zuruf er so oft seinen zierlichen Wagen und seine bäumenden. Rosse dahingeführt hatte, tönten zermalmend in sein Ohr, und die Gestalten seiner ehemaligen Freunde und Genossen tauchten vor seinen geistigen Blicken auf. Kein Mensch war jetzt da, der den bewunderten, geschmeichelten Fremden gestützt, getröstet hätte. Diese Mauern öffneten sich ihm nur, um auf der furchtbaren Arena in einen gewaltsamen, entehrenden Tod zu gehen. Und Ione! Auch von ihr hatte er nichts vernommen; kein ermutigendes Wort, keine bemitleidende Botschaft; auch sie hielt ihn für schuldig. Er knirschte mit den Zähnen und stöhnte laut. Da schlug eine Stimme laut an sein Ohr, und er vernahm die Frage:

»Athener Glaukus, bist du es?«

»So nannte man mich wirklich in der Zeit meines Glücks; vielleicht haben sie jetzt andere Benennungen für mich, und dein Name, Fremdling?«

»Ist Olinth, dein Genosse im Kerker, wie vor Gericht.«

»Was der, den man den Gottesleugner nennt? Hat dich vielleicht die Ungerechtigkeit der Menschen dahin gebracht, die Vorsehung der Götter zu leugnen?«

»Ach,« erwiderte Olinth, »du – nicht ich – bist der wahre Gottesleugner, denn du leugnest den einzigen, wahren Gott. Er ist nur im Kerker, sein Lächeln durchdringt dies Dunkel; am Vorabend des Todes flüstert mir mein Herz von Unsterblichkeit, und die Erde tritt nur vor mir zurück, um die müde Seele dem Himmel näher zu bringen.«

»Sage mir,« fragte Glaukus plötzlich, »hörte ich während der gerichtlichen Verhandlung nicht deinen Namen neben demjenigen des Apäcides? Hältst du mich für schuldig?«

»Gott allein liest das Herz; aber mein Verdacht ruht nicht auf dir, sondern auf deinem Ankläger.«

»Du gibst mir neues Leben wieder!« rief Glaukus. »Doch warum erscheint dir Arbaces verdächtig?«

Olinth setzte den aufhorchenden Athener von all dem in Kenntnis, was zwischen ihm und Apäcides vorgefallen war. »Arbaces,« schloß Olinth seine Auseinandersetzungen, »muß notwendigerweise um unseren Plan, seine Gaukeleien und die Betrügereien der Isispriester vor der Menge aufzudecken, gewußt haben. Ein böser Zufall führte ihn mit Apäcides in dem Hain zusammen, und er entledigte sich des Feindes, indem er ihn ermordete.«

»Ja, so ist es!« rief Glaukus mit einem tiefen Atemzuge; »ein Alp fällt mir von meiner Brust, ich bin jetzt glücklich!«

»Aber was hilft dir diese Entdeckung jetzt, Unglücklicher? Du bist verurteilt und wirst trotz deiner Schuldlosigkeit untergehen.«

» Doch ich selbst werde wenigstens wissen, daß ich schuldlos bin, während ich bisher in Betracht meines geheimnisvollen Wahnsinnes furchtbare, wenn auch nur vorübergehende Zweifel nähren mußte.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Sage mir, Christ, gehört zu den Lehren deines Glaubens, daß die Toten fortleben; – daß die, welche sich hier geliebt, später wieder vereinigt werden?«

»Ob das zu meinem Glauben gehört, Athener? Nein, ich glaube es nicht, ich weiß es. Die Unsterblichkeit unserer Seele und das Wiedersehen nach dem Tode ist die große Grundlehre unseres Glaubens, die große Wahrheit, zu deren Verkündigung ein Gott selbst den Tod erlitt.«

»Sage mir denn deine Lehren und erläutere mir deine Hoffnungen,« entgegnete Glaukus ernst.

Olinth verfehlte nicht, auf diese Bitte einzugehen, und so ergoß denn, wie so oft in den ersten Jahrhunderten des Christentums, das aufdämmernde Evangelium im Dunkel des Kerkers und vor den Toren des Todes seine milden, heiligenden Strahlen.

*


 << zurück weiter >>