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Wer ist der Mörder?

Es war eine wundervolle, sternbeglänzte Nacht. Zu dem stillen Hain an der Bucht schlug aus der Stadt der fröhliche Lärm herüber, den die lustigen Pompejaner vollführten, indem sie die Nacht zum Tage machten.

Von der Höhe aus, aus welcher sich der Hain befand, erblickte man durch die Zwischenräume des Gehölzes die breite, purpurne, sich fernher kräuselnden See, die weißen Villen von Stabiä an der ausgebuchteten Küste und die dämmerigen, lactiarischen Berge, mit dem zarten Himmel zerfließend.

Das kleine Tempelgebäude des Hains wurde von den milden Strahlen des Mondes beschienen, während die das weiße Gebäude umgebenden uralten Bäume ihre langen Schatten auf den Boden warfen.

Tiefes Schweigen herrschte rings im Hain. Da schlich plötzlich die unheimliche Gestalt des Kalenus durch die Nacht der Bäume nach der Rückseite des Tempels hin, um daselbst in dem dicht wuchernden Strauchwerk zu verschwinden und von diesem sichern Versteck aus die Zusammenkunft, welche Olinth und Apäcides miteinander verabredet, zu belauschen.

Er brauchte nicht lange zu warten. Bald ließen sich links und rechts nahende Schritte vernehmen. In dem Licht des Mondes erkannte er den jungen Isispriester, während dagegen der sich von der andern Seite Nähernde nicht Olinth, sondern Arbaces war. Derselbe befand sich, von Neugierde geleitet, auf dem Wege nach Diomeds Hause, um sich von Julia über die Wirkung des folgenschweren Trankes berichten zu lassen.

Kaum hatte er jetzt seinen Mündel erkannt, als er ihm zurief:

»Apäcides, als wir zuletzt zusammentrafen, warst du mein Feind. Aber ich sehnte mich trotzdem nach dir, beseelt von dem Wunsch, dich nach wie vor zu meinem Schüler und Freunde zu haben.«

Apäcides blickte mit Haß und Verachtung auf den Sprecher.

»Elender Betrüger,« warf er ihm entgegen, »so bist du also dem Rachen des Todes entronnen? Glaube jedoch nicht, aufs neue dein sündhaftes Gewebe um mich ziehen zu können; ich bin gegen dich gewaffnet.«

»Still, sprich leise,« flüsterte der Ägypter, nur mühsam den in ihm aussteigenden Zorn und beleidigten Stolz unterdrückend, »sprich leiser, man könnte dich hören, und vernähme ein anderes Ohr als das meinige ein solches Wort, so –«

»Drohst du? – Was wäre es denn, wenn mich die ganze Stadt gehört hätte?«

»Dann würden die Geister meiner Väter nicht dulden, daß ich dir's vergäbe. Aber halt und höre mich. Du bist ergrimmt, daß ich deine Schwester für den Isisdienst bestimmt gehabt. Vergib mir; ich, der ich nie einen Menschen um Vergebung bat, flehe dich jetzt an, mir zu verzeihen.«

»Aus meinen Augen, Elender!« schrie Apäcides. »Schon naht die Stunde, wo du und deine falschen Götter entlarvt werden sollen. Ein Schand- und Schimpfwort soll der Tempel der abgöttischen Isis, der königliche Name des Arbaces ein Ziel für das Hohngezisch und die Verwünschungen werden.«

Der Röte auf der Stirn des Ägypters folgte Todesblässe. Er blickte nach allen Seiten, ob nicht etwa ein Zuhörer da sei, und heftete dann das dunkle, weit offene Auge so grimmig drohend auf den Priester, daß vielleicht nur ein Mensch, der, wie Apäcides, von der kühnen Glut heiligen Eifers getragen wurde, mit fester Miene diesem furchtbaren Blick standhalten konnte.

»Apäcides,« keuchte der Ägypter, »sieh dich vor! Womit gehst du um? Geschah die Drohung nur im Zorn, oder kündigt sie einen überlegten Plan an?«

»Ich spreche, wie es mir der wahre Gott eingibt, dessen Diener ich jetzt bin,« erwiderte der Christ kühn. »Ich sprach im Bewußtsein, daß durch seine Gnade menschlicher Mut deiner Heuchelei und deinem Götzendienst bereits das Endziel gesetzt hat. Ehe die Sonne dreimal aus der Dämmerung gestiegen ist, wirst du alles erfahren! Dunkler Zauberer, zittere!«

Alle die grimmigen, wilden Leidenschaften, die er von seinem Volk und Land geerbt und unter listiger Sanftmut und philosophischer Kälte nur künstlich verbarg, tobten jetzt in der Brust des Ägypters. Schnell jagte ein Gedanke den andern. Seine Ehre, selbst sein Leben konnte gefährdet werden; ja, Tag und Stunde zu einem Unternehmen gegen ihn schienen bereits festgesetzt. Er sah aus den Worten des Neubekehrten, daß er den christlichen Glauben angenommen; er kannte den unbezähmbaren Eifer, der die Proselyten dieses Glaubens beseelte. Er faßte nach seinem Stilus im Gürtel, und nachdem er sich versicherte, daß weit und breit kein Mensch sei, schwang er das Mordinstrument, dasselbe zu zweien Malen in die Brust des ahnungslos weiterschreitenden Jünglings stoßend.

Apäcides stürzte mit durchbohrtem Herzen nieder – stumm, ohne einen Seufzer am Fuße des kleinen Tempels.

Arbaces betrachtete ihn einen Augenblick mit der wilden Freude des Siegers über einen Feind. Aber unverweilt durchzuckte ihn das volle Bewußtsein der Gefahr, der er ausgesetzt war; sorgfältig wischte er seine Waffe im langen Gras und an dem Gewände seines Opfers ab, hüllte sich in seinen Mantel und wollte fliehen, als er die Gestalt eines jungen Mannes mit seltsam wankenden, unsichern Schritten des Weges daherkommen sah; das ruhige Mondlicht strömte voll auf das Gesicht, das in dem bleichenden Strahl weiß wie Marmor erschien. Der Ägypter erkannte die Züge und Gestalt des Glaukus.

Der unglückliche, sinnberaubte Grieche sang ein unzusammenhängendes, wahnwitziges Lied, aus Bruchstücken heiliger Oden und Hymnen bunt durcheinander gewoben.

»Ha,« dachte der Ägypter, diesen Zustand und seine furchtbare Ursache sogleich erratend, »so wirkt denn der Höllentrank, und das Schicksal hat dich hierher gesandt, damit ich zwei meiner Feinde auf einmal zerschmettere.«

Schnell, noch ehe dieser Gedanke ihm gekommen war, hatte er sich auf eine Seite des Tempels geflüchtet und unter den Zweigen versteckt; von diesem Schlupfwinkel aus lauerte er, wie der Tiger in seinem Lager, auf das Herannahen seines zweiten Opfers. Er bemerkte das irre, unruhige Feuer in den hellen, schönen Augen des Atheners, die Kämpfe, welche das Ebenmaß seiner Züge verzerrten und seine farblosen Lippen erschlafften; er sah, daß der Wankende gänzlich von Sinnen war. Als Glaukus sich jedoch dem Leichnam des Apäcides näherte, aus welchem der dunkelrote Strom langsam über das Gewand hinfloß, verfehlte gleichwohl ein so überraschender, schaudernder Anblick seinen Eindruck auf das umnachtete Gemüt nicht. Er hielt an, legte die Hand an die Stirn, wie um sich zu besinnen, und rief dann:

»Heda, Endimion! schläfst du so fest?« Damit beugte er sich, um den Körper aufzuheben.

In demselben Augenblick stürzte der Ägypter aus dem Gebüsch hervor und schlug den Gebeugten mit mächtiger Faust zu Boden, so daß er neben dem Leichnam niederfiel; dann ließ er seine kräftige Stimme mit aller Macht ertönen.

»Holla, Bürger, zu Hilfe! – daher – daher! ein Mord – ein Mord vor der Schwelle eures Tempels! Zu Hilfe, oder der Mörder entrinnt.«

Während dieser Worte setzte er dem Glaukus den Fuß auf die Brust.

Schnell und atemlos kamen jetzt zahlreiche Leute herbeigeeilt.

»Hebt den Leichnam auf,« rief ihnen der Ägypter zu, »und versichert euch des Mörders.«

Sie erhoben den Körper, und groß war das Grauen und die fromme Entrüstung, als sie in der leblosen Hülle einen Priester der vergötterten Isis entdeckten, aber vielleicht noch größer ihr Staunen, als sie in dem Angeklagten den glänzenden, bewunderten Athener erkannten.

»Glaukus!« riefen die Umstehenden einstimmig; »ist es möglich?«

»Eher wollte ich glauben,« flüsterte einer seinem Nachbar zu, »daß der Ägypter selbst der Mörder wäre.«

Hier drängte sich ein Centurio mit strenger Haltung in die Menge.

»Wie! Blut vergossen! Wer ist der Mörder?«

Das Volk zeigte auf Glaukus.

»Er? Beim Mars! Er sieht eher aus, als ob er der Erschlagene wäre. Wer klagt ihn an?«

»Ich,« entgegnete Arbaces, sich stolz aufrichtend, und die Edelsteine, die sein Kleid schmückten, überzeugten durch ihr Gefunkel den würdigen Kriegsmann allsogleich von dem hohen Range des Anklägers.

»Verzeihe mir. – Dein Name?«

»Arbaces, ein, wie ich glaube, wohlbekannter Name in Pompeji. Ich kam durch den Hain daher und bemerkte den Priester und den Griechen in lebhaftem Gespräch vor mir. Die schwankenden Bewegungen des letztern, seine heftigen Gebärden, seine laute Stimme fielen mir auf; er schien mir entweder betrunken oder verrückt zu sein. Plötzlich sah ich ihn seinen Stilus erheben, – ich stürzte herbei, jedoch zu spät, um noch den tödlichen Streich aufzuhalten. Zweimal hatte er sein Opfer durchbohrt und beugte sich jetzt eben über dasselbe, als ich in Grauen und Entrüstung den Mörder zu Boden schlug.«

»Seine Augen öffnen sich, – seine Lippen kommen in Bewegung,« rief der Centurio.

»Sprich, Gefangener, was sagst du zu der Anschuldigung?«

»Der Anschuldigung? Haha! Ich sag euch, es ging ganz lustig her, als die alte Hexe ihre Schlange auf mich hetzte, und Hekate daneben stand und von einem Ohr zum andern lachte: – Was könnt ich tun? Aber ich bin krank – mir wird schwach, – die feurige Zunge der Schlange hat mich gestochen. Bringt mich zu Bett und schickt nach dem Arzt; der alte Äskulap selbst wird Sorge für mich tragen, wenn ihr ihm zu wissen tut, daß ich ein Grieche bin. O Erbarmen! – Mark und Bein verbrennen mir.«

Und mit einem durchschauernden Gestöhn sank der Athener in die Arme der Umstehenden zurück.

»Er rast,« sagte der Centurio mitleidig, »und in der Tollheit hat er den Priester erschlagen. Hat ihn jemand von euch heute gesehen?«

»Ich,« entgegnete einer der Zuschauer, »ich sah ihn diesen Morgen; er kam an meiner Bude vorbei und redete mich an. Er schien so wohl und gesund, wie der Kräftigste von uns.«

»Und ich sah ihn vor einer Stunde,« rief ein anderer; »er lief durch die Straßen und murmelte unter seltsamen Gebärden vor sich hin, gerade wie es der Ägypter beschrieben hat.«

»Dies bestärkt dessen Angabe, sie muß richtig sein. Auf jeden Fall muß der Angeklagte vor den Prätor. Schade! so jung und so reich; aber das Verbrechen ist furchtbar. Einen Priester der Isis in seinem heiligen Gewand und auf der Schwelle unseres ältesten Tempels zu erschlagen!«

Diese Worte erinnerten das Volk kräftiger an die Verruchtheit einer Tempelschändung, die in der ersten Aufregung und Neugier nicht so stark vor die Gemüter getreten war. Man schauderte in frommem Abscheu.

»Kein Wunder, daß die Erde bebte,« rief einer, »als sie ein solches Ungeheuer sah.«

»Fort mit ihm ins Gefängnis, fort!« schrien alle.

Und scharf und freudig hörte man die Stimme eines jungen Mädchen aus allen heraus:

»Die wilden Tiere haben jetzt keinen Gladiator nötig.«

»Tripp, Trapp, wie ziehen sie stattlich und frei.
Heisa! zum lustigen Spiele herbei!«

rief die Stimme des jungen Mädchens.

»Ja, ja! Das kommt zu rechter Zeit für die Spiele!« riefen mehrere, und mit dieser Vorstellung schien alles Mitleid für den Angeklagten zu verschwinden. Seine Jugend, seine Schönheit machten ihn nur um so geeigneter für die Arena.

»Bringt einige Bretter her,« gebot Arbaces, »oder eine Sänfte, wenn sie zur Hand ist; ein Isispriester darf nicht von gemeinen Händen in seinen Tempel geschleppt werden, wie ein abgeschlachteter Gladiator.«

Auf diese Mahnung hin legten die Nächststehenden den Leichnam des Apäcides, mit dem Gesicht nach oben, ehrfurchtsvoll auf den Boden, und einige entfernten sich, um eine Bahre herbeizuschaffen, damit der Tote, unberührt von profanen Händen, weggetragen werden könne.

In diesem Augenblick wich die Menge zu beiden Seiten vor einer stämmigen Gestalt, die sich mitten durch sie drängte, und der Christ Olinth stand dem Ägypter gegenüber. Im ersten Augenblick ruhte jedoch sein Auge mit einem unaussprechlichen Schmerz und Schauder nur auf der blutigen Brust und dem emporgerichteten Antlitz, in welchem die Qual eines gewaltsamen Todes noch sichtbar war.

»Ermordet!« sprach er. »Hat dich dein Eifer dahin gebracht? Haben sie deinen edeln Vorsatz entdeckt? Sind sie durch deinen Tod ihrer Schande zuvorgekommen?«

Plötzlich wandte er das Haupt, und seine Augen fielen auf die stolzen Züge des Ägypters.

Bei diesem Anblick konnte man in seinem Gesicht, ja in einem leichten Schauder, der über seinen ganzen Körper hinlief, den Widerwillen und Abscheu bemerken, den der Christ einem Menschen gegenüber, den er als so gefährlich und sündhaft kannte. Olinth streckte seine Rechte gegen Arbaces aus und sprach mit tiefer, lauter Stimme:

»Mord ist geschehen an dieser Leiche! Wo ist der Mörder? Stehe mir Rede, Ägypter! Denn so wahr der Herr lebt, ich glaube, du bist der Mann.«

Für einen Augenblick erschien aus dem dunkeln Antlitz des Arbaces ein ängstlicher, unruhiger Zug, der jedoch bald dem zürnenden Ausdruck der Entrüstung und des Hohnes wich, als erschreckt und lautlos, festgehalten von einer so plötzlich, so drohend vorgebrachten Beschuldigung die Zuschauer sich näher und näher um die zwei Hauptpersonen drängten.

»Ich kenne meinen Ankläger,« entgegnete Arbaces stolz, »und wohl vermute ich, warum er mich so beschuldigt. Männer und Brüder, erkennt in diesem Menschen den erbittertsten Nazarener; mögen sich diese nun mit diesem Namen bezeichnen, oder sich Christen nennen. Was Wunder, daß er in seiner Bosheit selbst einen Ägypter des Mordes an einem ägyptischen Priester anzuklagen wagt!«

»Es ist Olinth, der Christ!« riefen mehrere aus der Menge, »der Atheist, der die Götter leugnet.«

»Ruhig, Brüder, und hört mich,« erwiderte Olinth mit Würde. »Dieser ermordete Isispriester hat vor seinem Tode den christlichen Glauben angenommen; er enthüllte mir die dunkeln Sünden, die Zauberkünste des Ägypters – die Gaukeleien und Täuschungen des Isistempels. Er stand im Begriff, sie öffentlich bekannt zu machen. Ihn, einen Fremden ohne Feinde – wer sollte sein Blut vergießen als einer von denen, die seine Angaben fürchteten? Wer mußte sein Zeugnis am meisten fürchten? Arbaces, der Ägypter!«

»Ihr hört ihn,« rief Arbaces, »ihr hört ihn! Er lästert die Götter! – Fragt ihn, ob er an Isis glaubt.«

»Ob ich an einen bösen Geist glaube?« erwiderte Olinth keck.

Ein Murmeln des Grauens lief durch die Versammlung.

Unverschüchtert – denn er war stets auf Gefahr vorbereitet und verlor jetzt in der Aufregung des Augenblicks alle Klugheit – fuhr der Christ fort:

»Zurück, Götterdiener, diese Hülle gehört nicht für eure eiteln, entweihenden Gebräuche; uns, den Nachfolgern Christi kommt es zu, einem Christen den letzten Dienst zu erweisen. Ich fordere diesen Staub im Namen des großen Schöpfers, der den Geist zu sich gerufen hat.«

Er hatte diese Worte mit so gebietendem Ton und Ansehen gesprochen, daß selbst die Menge sich scheute, laut die Verwünschungen der Furcht und des Hasses auszusprechen, die ihr Herz bewegten.

Der Centurio drängte sich wieder vor.

»Vor allem, hast du, Olinth, oder wie du sonst heißen magst, einen weiteren Beweis, als deinen unbestimmten Verdacht, für die gegen Arbaces erhobene Beschuldigung?«

Olinth blieb still. Der Ägypter lachte verächtlich.

»Forderst du den Leichnam eines Isispriesters, weil er zur Sekte der Nazarener oder Christen gehörte?«

»So ist es.«

»Schwöre dann bei jenem Tempel, jener Bildsäule der Cybele, bei dem ältesten Sacellum Pompejis, daß der Ermordete deinen Glauben angenommen habe!«

»Eitle Rede! Ich verleugne eure Götzen, ich verabscheue eure Tempel! Wie kann ich also bei ihnen schwören?«

»Weg, weg mit dem Atheisten! Die Erde verschlingt uns, wenn wir diese Lästerungen eines heiligen Tempels dulden! – Fort mit ihm zum Tode!«

»Für die wilden Tiere!« fügte eine kecke Mädchenstimme hinzu.

»Wenn du, Nazarener, an Cybele nicht glaubst,« begann der Kriegsmann aufs neue, unbewegt von dem Geschrei um ihn her, »welche von unsern Gottheiten erkennst du an?«

»Keine!«

»Du erkennst keine von unsern Gottheiten an?« fragte der Centurio entsetzt.

Olinth schüttelte energisch das edle Haupt und fügte mit erhöhter Stimme hinzu:

»O Eitle und Blinde, könnt ihr an Bilder von Holz und Stein glauben? Meint ihr, sie haben Augen, zu sehen, und Ohren, zu hören, Hände, euch zu helfen? Ist jenes durch Menschenkunst geschnitzte Ding eine Göttin?« fragte er, auf ein Standbild der Cybele deutend, das in der Nähe des Tempels stand, »überzeugt euch selbst von seiner Nichtigkeit.«

Mit diesen Worten schritt er auf das Heiligtum zu, und ehe einer der Anwesenden sein Vorhaben ahnen konnte, schlug er in seinem Eifer das hölzerne Bild vom Fußgestell herab.

»Seht,« rief er, »eure Göttin vermag sich selbst nicht zu rächen. Ist das ein Ding, was Anbetung verdient?«

Weiter zu sprechen vermochte er nicht; die Menge stürzte wie nach Verabredung auf ihn los und würde ihn ohne die Dazwischenkunft des Centurio in Stücke zerrissen haben.

»Ruhig!« rief der Krieger gebieterisch. »Bringen wir diesen ruchlosen Lästerer an das gehörige Gericht; bereits haben wir Zeit verloren. Schaffen wir beide Verbrecher vor die Obrigkeit; legt den Körper des Priesters auf die Sänfte; – tragt ihn in sein eigenes Haus.«

In diesem Augenblick trat ein Priester der Isis hervor:

»Ich fordere diese Überreste nach der Regel unserer Priesterschaft.«

»Tut, wie Euch der Flame sagt,« erwiderte der Centurio. »Wie steht es mit dem Mörder?«

»Er ist ohnmächtig oder schläft.«

»Wäre sein Verbrechen nicht so groß, ich könnte Mitleid für ihn haben. – Vorwärts.«

Arbaces erkannte in dem Neuangekommenen Isispriester Kalenus. Beider Blicke begegneten sich, und jener von Kalenus war so vielsagend, daß der Ägypter vor sich hinmurmelte:

»Sollte er Zeuge von der Tat gewesen sein?«

Ein Mädchen drängte sich aus dem Volke und sah Olinth fest ins Gesicht. »Beim Jupiter! Ein stämmiger Bursche! – Lustig, sage ich, jetzt haben wir auch einen Menschen für den Tiger; – einen besonders für jedes Tier! – Heisa!«

»Heisa!« rief die Menge, »einen Menschen für den Löwen und einen anderen für den Tiger. Welches Glück! Heisa!«

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