Sophie Mereau
Amanda und Eduard
Sophie Mereau

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Siebzehnter Brief

Eduard an Barton

Nein! sie ist mit Nichts zu vergleichen, die Gewalt der Liebe! – Wohl ist das eine Gottheit zu nennen, was alles um und in uns in einem Augenblick verändern, dem wüsten, kalten Leben einen heitern, glühenden Sinn geben kann! – Und nun will ich ihr auch ewig ergeben bleiben, ewig ihr ehrfurchtsvoll huldigen, der Göttlichen, der Herzerhebenden!

Was geschehen ist, fragst Du erstaunt? – Nichts! – Nichts und doch Alles; denn fühl' ich nicht, wie Alles um mich her verändert ist, wie die Bäume und die Blumen wieder, wie ehedem vor meinem Blick in freudigen Tänzen sich bewegen, wie ich in dem Leben der Menschen, Geschichte und Zusammenhang sehe, und überall mir wieder Licht und Ordnung erscheint! –

Ach! diese schöne Begeisterung war so fern, so fern von mir versunken, und es schien mir ganz unmöglich, jemahls wieder diese Höhe des Gefühls zu erreichen! So vieles Irrdische, Todte, hielt mich lange, dicht umfangen; ich war oft ganz darinnen vergraben, und sähe nun überall keinen Ausweg, keinen Zweck, keinen Geist! – Schon hatte ich alles aufgegeben, und nun! – steh' ich nicht mit einemmal wieder auf jenen heitern Höhen der Begeisterung, und betrachte von da die Welt, die mir nun lauter liebliche oder rührende Bilder zeigt, und woraus alles Harte, Verworrene, Gemeine verschwunden ist? Fühl' ich mich nicht empor gehoben wie eh'mals, über die Menge, die sich da unten um taube Nüsse zerquält; und haßt, und liebt nicht mein frömmer gewordnes Herz die Menschen inniger, je mehr ich sie übersehe? – Und wenn ich Dir alles erzähle, so wirst Du vielleicht lächeln, und wohl viele würden es. Auch kann ich mich recht gut in Deine Ansicht versetzen, aber dann bitte ich Dich, das einzige zu bedenken, was Dir alles ehrwürdig machen wird, nehmlich, daß alles, was ich empfinde, unwillkührliche, tief aus dem Herzen hervorquellende Wahrheit ist.


Seit einiger Zeit, hatte ich die Bekanntschaft eines Fremden gemacht, der, gleich mir, auch erst seit Kurzem aus Deutschland, ob gleich aus einer ganz andern Gegend hier angekommen war. Wir waren bei Betrachtung der Kunstwerke in den Pallästen des Großherzogs öfterer zusammengetroffen, und hier, wo unser Sinn von den Eindrücken des Schönen eröffnet war, hatte sich eine schnelle Bekanntschaft zwischen uns entsponnen, die mit jedem Tage inniger wird. Wenigstens fühlte ich mich, durch den Geist und die Anmuth meines neuen Bekannten, so sehr angezogen und gefesselt, daß ich es kaum wahrnahm, wie ich ihm unvermerkt das Merkwürdigste meines vergangenen Lebens mitgetheilt hatte, ohne dafür von seinen Verhältnissen etwas mehr erfahren zu haben, als daß ich ihn oft mit feuriger Beredsamkeit, aber im-mer nur im Allgemeinen von seinem Aufenthalt in Deutschland hatte sprechen hören. – Er hatte meine Klagen und meine Unzufriedenheit, mit dem Leben und den Menschen oft angehört, ohne viel darauf zu erwidern, aber als ich gestern von einem solchen Moment ergriffen, wiederum ausrief: »O! schöner Himmel und lachende Erde! O Leben und Liebe! warum seid ihr mir so fremd geworden? Mein Herz ist todt und vernimmt eure schöne Sprache nicht mehr!« da sagte er mit einer seltsamen Zuversicht: ich will Sie dem Leben zurückgeben; Morgen sollen Sie geheilt sein.

Heute kam er zu mir und sagte, daß er mich in eine sehr angenehme Gegend führen wolle. Wir kamen an eine Stelle, die romantisch schön war. Eine Grotte, aus deren Tiefe ein Quell mit kühlendem, klaren Wasser hervor sprudelte. Der grüne, unbeschreiblich frische Rand des Ufers, und die röthliche Felswand der Grotte, welche mit überhangendem, grünen Gesträuch bewachsen war, spiegelten sich in der klaren Fluth, und bildeten einen reizenden malerischen Anblick. Hohe Pinien, die mit ihren schlanken, königlichen Wuchs und dunkelgrünen, schön geründeten Kronen, jedem Ort, wo sie stehen, ein romantisches, feierliches Ansehen geben, verschlossen die Aussicht, bis auf eine kleine Oeffnung, durch welche der Blick auf weite, helle Gegenden fiel, wo dichte Wälder von Fruchtbäumen, mit Saatfeldern vermischt, sich zeigten, wo das hohe Korn im Schatten der Bäume schwankte, und die Weinranken wie Kränze, von einem Baum zum andern voll Trauben hiengen, und eine immer fortgehende Laube bildeten. – Hier verweilten wir, und nach einem kurzen Schweigen sagte Antonio: »Ich habe ihnen ein Gemälde mitgebracht, und wenn es diesem nicht gelingt, ihr Gemüth zu erheitern, und sie wieder mit sich selbst zu vereinigen, so giebt es keinen Rath mehr für sie.« – Hier zog er eine Rolle hervor, die er sorgfältig auseinander wickelte, und dann an eine lichte Stelle der Grotte hielt, wo das Licht von oben herab, darauf fiel, und es mit einer unbeschreiblichen Glorie umgab. – Ich sah, und – erwarte nicht, Barton, daß ich Dir schildern soll, was in mir vorgieng! – es war Amanda! es war ihr Bild! – ihr Auge, in dessen wunderbare, süße Nacht ich mich einst so gern verlohren hatte, blickte mich mit heiliger Liebe und Sehnsucht an, und wiederum ganz wie vormals, hatte ich alles andre vergessen, sah' und fühlte in der ganzen Welt nichts mehr, als diesen Blick, der mich zu ihren Füssen warf. Als ich nach einiger Zeit wieder zu mir selbst gekommen war, erhielt ich von Antonio alle Aufschlüsse, die ich nur wünschen konnte. Er erzählte mir, wie er Amanda's Bekanntschaft gemacht, wie er ihr Freund geworden sei, dem sie mit schöner Offenherzigkeit, die Geschichte ihres Lebens und ihrer Empfindung vertraut habe. Er wußte mir ihre Handlungsweise, wodurch ich mich für so tief und bitter gekränkt hielt, in ein so helles, richtiges Licht zu stellen, daß alle Wolken, die mir ihr Bild so lange verdunkelt hatten, auf einmal zerrissen, und mir ihr Wesen, wieder so rein, so wahr, so menschlich erschien, wie in den glücklichsten Stunden meines Lebens. – Mein letzter Brief an sie, worinnen ich sie so herzlich um Aufschluß gebeten, muß durch Zufall, Gott weiß, in welche Hände gerathen sein, denn sie hat nie einen solchen Brief erhalten, und so fanden wir uns beide durch ein unwürdiges, wesenloses Mißverständnis gekränkt und getrennt, das nur durch die Entfernung, Wesen und Gestalt erhalten konnte. – Doch warum noch länger an dieser quälenden Vergangenheit denken, da nun alles so neu, so schön und glücklich ist? –

Herrlich erscheint mir nun das Leben, jede Freude, jeder Eindruck findet mein Herz offen und fühlbar, seitdem ich es weiß, daß die alte Liebe in ihrem Herzen immer neu geblieben ist!


Antonio ist mein Nebenbuhler und ich würde ihn fürchten, wenn ich mich jetzt nicht allzu glücklich fühlte; aber dem Glücklichen, wohnt Stolz und Kühnheit in der Brust. – Vor einigen Tagen sagte er mir mit einem scherzhaften Ernst, der ihm sehr wohl stand: »Mit der Vergangenheit sind sie nun abgefunden, aber nicht mit der Gegenwart. Denn sie wissen, oder könnten es doch leicht gemerkt haben, daß mir selbst das Herz für Amanda geglüht. Es dulden, daß Amanda in einem schiefen, ungünstigen und unwahren Licht vor Ihnen erschiene, dies konnte und wollte ich nicht. Auch wünschte ich sie von einem Irrthum zu heilen, der noch immer wie eine dunkle Wolke über Ihrem Leben hieng, aber weiter wollte ich nichts. Von diesem Augenblick an, wollen wir nichts mehr von einander wissen, denn zwei Nebenbuhler können nie Freunde bleiben. Ein jeder versuche nun, sich der Neigung der Geliebten zu versichern, und wir sind einander wieder eben so fremd wie vorher.« – Mit diesen Worten verließ er mich, und ich habe ihn seitdem nicht wieder gesehn.


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