Sophie Mereau
Amanda und Eduard
Sophie Mereau

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Fünfzehnter Brief.

Amanda an Julien.

Heute erhielt ich diesen Brief von Eduard selbst. – Wie sonderbar, ist in meinem Leben, das Licht vertheilt! Welche lange, tiefe Schatten, und welche zauberisch glänzende Beleuchtung! – Und so ist es; wir harren Jahre lang auf einem einzigen Moment, und dann überrascht er uns doch unerwartet, und im Gedränge von Andern nicht minder wichtigen. Ich bin in Verwirrung, und doch bin ich ganz frei von jeder Schuld. Ich liebe Antonio; mein Herz, von seiner Liebenswürdigkeit, seinem Werth durchdrungen, hat sich der süßen Neigung hingegeben. Für ihn belebt mich wahres inniges, gegenwärtiges Gefühl, für Eduard vielleicht nur der Nachklang eines ehemaligen, ein Spiel der Phantasie. Und doch, wie schlug mein Herz, als ich die Züge seiner Hand erkannte, wie ergriff, durchglühte mich, der Inhalt seines Briefs! – O! warum bist du selbst mir jetzt fremd, mein einziger beßter Freund! – Komm, eile zu mir, du, dem ich mehr, als mir selbst vertraue, der mir Jugend und Liebe wiedergab, komm, Antonio, löse alle Zweifel, mit deinem reinen, umfassenden, menschlich fühlenden Gemüth!

Laß mich ruhig sein, Julie, laß mich hoffen, daß die Stille meiner Seele zurückkehrt, und glauben, daß sich alles lösen wird.

Was ich so tief empfand und als richtig erkannte: daß Wahrheit jedes Verhältniß rein erhält, und auch das Verworrenste leicht und natürlich löset, das will ich nun auch üben und durch die That beweisen. Alle meine Verhältnisse sind rein, und sie sollen es bleiben.

Bald schreibe ich Dir wieder.


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