Sophie Mereau
Amanda und Eduard
Sophie Mereau

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Neunter Brief.

Amanda an Julien.

O! Julie, dieser Antonio ist mir sehr viel geworden! – Sein heitrer, umfassender Geist zaubert eine schöne Gegenwart um mich her, seine feurige Phantasie trägt mich auf ihren Schwingen in das himmlische Land der Dichtung, wo alles auf ewig in dem entzückenden Duft jugendlicher Begeisterung getaucht ist! – Und dahin will ich mich aus dem öden verworrnen Gewebe irrdischer Pläne und Verirrungen, dahin auf ewig mit reinem, liebenden Herzen! Ich fühle es, ich muß ihm alle meine Zweifel, meine Schmerzen, mein ganzes Leben muß ich ihm anvertrauen. – An den heitern Sinn dieses Mannes, schmiegt sich mein Herz vertrauungsvoll an, und die Welt lächelt mir neu in dem Wiederschein seines Geistes. Durch Antonio werde ich mit den schönsten Erzeugnissen der Poesie bekannt, die mir bis jetzt meist fremd geblieben sind, und indem ich mich ganz dieser himmlischen, ewig in Morgenroth schimmernden Welt hingebe, und gar nicht mehr nach Deutlichkeit in der irrdischen strebe, geht eine neue Wahrheit, ein neuer Glanz in meiner Seele auf. – Selbst der Gedanke an Eduard, an die schöne untergegangene Liebe, der so lange meine Seele mit dunkeln, niederschlagenden Erinnerungen beängstigte, fängt an, bei dieser Veränderung meiner Ansichten, eine lichtere Gestalt anzunehmen. Im Vergänglichen lerne ich das Unvergängliche ahnden; und wenn ich über die Irrungen des Verstandes trauere, erscheint mir die Würde und die Unfehlbarkeit des Gefühls desto herrlicher. – Und auch dies dank' ich dem Freunde, der mit einem so weichen, fühlenden Herzen, den hellsten, freiesten Geist vereinigt. Was für Morgen, was für Abende vergehen uns! Ahndungsvoll und heiter, wehmüthig und freundlich spricht die Natur in einer neuen Sprache zu meinem Gemüth:

      Blumen düften
in den lauen Lüften,
sieh! dort in den blauen Himmelsraum
lauschen Wölkchen, wie ein Frühlingstraum.

      Und die Hoffnung, – über Thal und Hügel
kömmt die Holde mit smaragdnem Flügel,
und ich fühl', in Lust verlohren,
mich, wie neu gebohren!

Beschreiben soll ich Dir diesen Antonio? Das verlangst Du schon in zwei Deiner Briefe. – Aber verzeih mir, wenn ich gar keine Lust dazu habe, weil ich ihn für unbeschreiblich halte, und begnüge Dich deshalb bloß mit einigen, leicht hingeworfenen Zügen. Er ist nicht schön, ob gleich ich glaube, daß er bis zur Anbetung gefallen kann; er ist jugendlich, ohne noch Jüngling zu sein; heiter, ohne Flachheit; sinnig, ohne Trübsinn; witzig, ohne Bitterkeit; gefühlvoll, ohne Affektation. Seine Fehler, – denn Du wirst mir wohl zutrauen, daß ich ihn davon nicht frei spreche – sind nicht gemein, nicht unerträglich, sondern sie tragen das Gepräge eines genialischen Geistes, unverkennbar an sich.

Heute fand ich auf meinem Schreibtisch einige Strophen, welche ich Dir hier mittheile. Ich irre mich gewiß nicht, wenn ich glaube, daß Antonio der Verfasser derselben ist; – ganz sicher sind sie von ihm, aber welche Glut des Gefühls auch aus ihnen athmet, so glaube ich doch, Antonios Sinn zu gut zu verstehen, als daß ich nicht zugleich das leichte Spiel der Phantasie darinnen wahrnehmen sollte:

Eine Seele möcht' ich kennen
eine treue Seele nur!
wollte stets in Liebe brennen,
glühender als Kuß und Schwur.

Eine Seele, treu ergeben
mir mit Wahrheit zugethan,
treu im Lieben, und im Leben
sonder falschen, eitlen Wahn.

O! wie wollt' ich mich ihr weihen,
froh mit innigem Gemüth!
Liebe sollte sie erfreuen
Liebe, wie sie nie geglüht!

Alles wollt' ich, Alles wagen,
immer freudig, gleich gesinnt,
wollte nie die Schmerzen klagen,
die der Liebe Nahrung sind.

Geh' ich durch das Frühlingsblühen,
athme Blumendüfte schwer,
wähn' ich in der Lüfte Glühen,
wandle Liebe zu mir her.

Ist vergebens all' mein Wähnen?
Fällt die Blüthe fruchtlos ab,
zieht mein liebevolles Sehnen
nie die Treue, mir herab?

Soll ich nie die Seele kennen,
eine treue Seele nur?
soll ich nie in Lieb' entbrennen,
glühender als Kuß und Schwur?


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