Sophie Mereau
Amanda und Eduard
Sophie Mereau

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Vierzehnter Brief.

Eduard an Barton.

Dein Brief würde mich sehr beruhigt haben, wenn es nicht schon zuvor die Liebe gethan hätte. Du schreibst es mir – o! und ich habe es gefühlt! – mit meinem Entschluß sie nicht mehr zu sehen, sei es mir nicht Ernst. – Thor, der ich war! Die schönsten Freuden meines Lebens frevelnd von mir weisen zu wollen, eines elenden Stolzes wegen! – O, Freund! es ist geschehen! Alle Zweifel sind gelöst; die Welt steht in schöner Klarheit vor mir, und das Leben liegt erwacht in meinen Armen!

Ich bin wieder auf einige Tage auf dem Gute des Herrn von V –, und bin hieher gereist, um Dir zu schreiben, denn dort, ich gestehe Dir es aufrichtig – in ihrer Nähe, ist an keinen Brief zu denken. – Anfangs sahen wir uns nur selten und schüchtern; aber jetzt bin ich fast täglich in ihrem Hause; wir sehen uns bei Lustbarkeiten, und allein; Albret scheint keinen Widerwillen zu haben, und ich begleite sie fast allenthalben hin. O, Freund! wie ist das alles so anders geworden! Was war das kalte, leere Wohlgefallen an ihr, gegen das glühende Gefühl, das jetzt in mir lebt! – Oft muß ich mich vor ihr niederwerfen und anbeten, wenn sie in ihrer Unbefangenheit so hohe Dinge sagte, die wie Gestalten aus einer andern Welt, mich mit süßem Schauer berührten. Mit Erstaunen höre ich sie oft, mit ungekünstelter Eigenthümlichkeit und Klarheit, Gedanken aufstellen, die den größten Scharfsinn enthalten. Sie sind nicht das Resultat eines langen, mühsamen Nachdenkens, wie bei den Männern, nein! sie sind vielmehr der leichte, glückliche Fund eines reinen, unfehlbaren Sinns, der die Wahrheit nicht erst durch Dunkel suchen darf, sondern dem sie sich gleich im heitern, schimmernden Lichte zeigt. – Und so, dünkt es mir, sollen überhaupt die Weiber immer auf das merken, was ihnen schnell einfällt, ohne viel darüber nachzudenken, denn bei ihnen kommen die Resultate immer zuerst. Auch wenn sie schreiben, müßten sie dies beobachten, und stets die schnell herabfallenden Funken achten. Aber sie sollen überhaupt nicht schreiben; sie sollen nichts als leben und – lieben.

O, Freund! Du sagtest mir vieles, dessen Wahrheit ich schon erfuhr, aber das sagtest Du mir nie, daß das Leben so unaussprechlich reizend sein kann! oder solltest Du selbst es vielleicht nie empfunden haben? sind vielleicht nur wenige Sterbliche von den Göttern dazu ausersehen, und ergriff das Glück, das stets nach Laune wählt, gerade mich in meinem seligsten Moment? – Erst hier, von ihr getrennt, werd' ich mir ganz meines Reichthums bewußt; denn es gehet mit unserm Glück wie mit Gemählden; erst in der gehörigen Entfernung können wir die Schönheit derselben künstlerisch wahrnehmen und genießen. Welche Genüsse, welche Freuden, schmiegen sich bei diesen Rückerinnerungen um mein Herz! Alle Verhältnisse meines Lebens, legen sich lieb und schmeichelnd um mich, als wären es weichliche Gewänder, von Frühlingsdüften gewoben. Jetzt erscheint sie mir erst in all ihrer Schönheit, in all ihrer Liebe, und ich kann es kaum begreifen, wie so schnell, wie so schön wir uns gefunden haben. O Tag! o Abend, den ich nie vergessen will und kann! – Alles um mich her, war mir nicht mehr bedeutend, sondern ausgesprochen; alles war da, nicht fliehend und nicht kommend; alle Sehnsucht ruhte in der Gegenwart, die unendlich war. Als sie mich verlassen hatte, war ich nicht traurig – nein! die lebendigste Freude hatte mein Herz geöffnet, ich fühlte mich ganz für die Welt gebildet, kindlich nahm ich an Allem Theil, und sah in Allem den heitersten Sinn. Die Knaben belustigten mich, die an meinem Garten, hinter der grünen Umbüschung eines Teichs, mit komischer, wirklich empfundener Angst, nach einem Bret warfen, und es, als wäre es ein feindliches Schiff, durch Steine vom Ufer abzuhalten suchten, und in den rohen Gesängen einiger wilden Gesellen, vermochte ich durch alle Mißlaute hindurch, mit Vergnügen die einzelnen Spuren einer wilden Geniealität wahrzunehmen, und mich derselben zu erfreuen. –

Und als nach einer kurzen Schattennacht, der schwärmerische Tag des Mondes aufgieng, und die Bäume ihre Gipfel träumend in dem zärtlichen Licht wiegten, da fühlte ich mich ihr so nahe, war ihres Andenkens so gewiß, daß ich von neuem glücklich war.

Und so ist es nun noch immer mit mir. – Sieh diesen Morgen! wie die Berge hoch an ihren Scheitel den goldnen Schimmer empor heben, der Wald begierig die süßen Stralen einsaugt! o schöne, reizende Erde! Alles, in und ausser mir, ist Uebereinstimmung, Hoffnung und Liebe! In der ganzen Natur, sah ich keinen andern Zweck, als sie; sie ist der ätherische Kranz, in dem alle Wesen verflochten sind. Den stillen Drang der Nothwendigkeit, und den freien Flug des Willens, ist kein anderes Ziel vorgesteckt; sie ist das Einzige, was uns glücklich macht, weil sie, bei aller Unendlichkeit der Empfindung, doch alle unsere Wünsche beschränkt.

Ich habe Dir nun alles gesagt; Du weißt nun, daß ich glücklich bin. Morgen reise ich wieder von hier ab. Länger von ihr getrennt sein, wäre Tod; ich muß sie sehen, denn mein Leben hängt an ihren Blicken. – O, ihr Hören! die ihr den Himmel der Götter verschließt und eröffnet, fliegt, fliegt und eröffnet auch mir meinen Himmel! Zieht die Wolke hinweg, die mir die Göttin verbirgt!


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