Sophie Mereau
Amanda und Eduard
Sophie Mereau

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Sechs und zwanzigster Brief

Eduard an Barton

Barton! ich habe Dich beleidigt, schwer beleidigt – ich weiß es, und allen Deinen Briefen fühle ich meine Schuld und Deinen Kaltsinn an. Eigenmächtig, ohne Grund, entzog ich Dir mein Vertrauen. Du warst mir wenig mehr, weil mir Amanda Alles war. Vergiß es jetzt, ich selbst kann es Dir noch nicht erklären – und vielleicht kannst Du es besser als ich; beurtheile mich im Ganzen, als Erscheinung, wie Du sonst wol thatest, und Du wirst sehen, es wird sich alles ausgleichen.

Ich bin kaum genesen und es stürmt so vieles auf mich ein. Mein Vater ist hier, und hat mir Alles gesagt. Ich weiß es nun, daß er von Albret tödlich gehaßt wird, und aus welchen Gründen; weiß es, daß dieser stolze, rachedürstende Mann seinen Groll auch auf mich übertrug, und daß mein Vater, der in seiner Nähe für mich fürchtete, sogar mein Leben in Gefahr glaubte, deshalb so schleunig, so unbiegsam auf meine Abreise drang. Seine Liebe erfreut mich, aber die Gefahr, worinnen er mich geglaubt, rührt mich weit weniger, als, wie ihr das furchtbare Gemüth dieses Mannes kennen, und es so gleichgültig zu ertragen vermochtet, daß Amanda bei ihm lebt. Wie? habt ihr Herzen? oder hat die Welt schon euren Sinn so eng zusammen gezogen, daß nur euer eignes Schicksal euch rühren kann, und ihr das Wohl und Weh eines fremden Wesens – o Gott! und des vollkommensten – gelassen und unthätig, in seine eignen Hände gebt? – Und ihr seid ja die bessern unter den Menschen! – Doch davon hernach: jetzt das Wichtigste.

Amanda schreibt mir nicht – was geht dort vor? – das ist es, was ich von Dir wissen muß. Einer meiner dortigen Bekannten erzählt mir in seinem Brief ganz unbefangen, daß man sie sehr oft mit dem Grafen ** zusammen sehe; daß seine heftige Leidenschaft für sie kein Geheimniß sei, und Amanda ihr Gehör zu geben scheine. Ich glühe, wenn ich mir das denke. Kanntest Du jemals diese Qualen der Eifersucht, die mir, wüthender Flammen gleich, verheerend durch die Seele zucken. – Warum vernichten sie ohne zu tödten? – Und warum soll sie keine Freude mehr genießen, ohne mich: ihre ganze Existenz gedultig in die meinige auflösen? – Kann ich, will ich diesen Seelenmord verlangen? Ja! ich darf Alles von ihr fodern, weil ich ihr Alles zu geben bereit bin; mein Gefühl ist natürlich, ist gerecht! – Ein heiliges Gesetz, daß Liebe nur Liebe – verlangt und giebt, liegt ihm zu Grunde. Ist sie mir nicht Alles? Möchte ich nicht, von ihr getrennt, jede Freude nur darum genießen, um sie, treu aufbewahrt und verschönert, ihrer Phantasie wieder zu geben?

Vergleiche ich nun die stillen Aeussserungen Deiner Briefe damit, die auch ihrer oft in Verbindung mit dem Grafen erwähnen, so stoßen sie mir den Dolch ins Herz, und doch kann ich nicht sagen, daß du mir weh thust. Du schreibst mir kein Urtheil, nur trockne Wahrheit; bloß die äußre Erscheinung, nichts von Vermuthung, selbst das nicht, wie es auf Dich wirkte. Das thust Du, eben weil Du weißt, wie tief es mich angeht. »Ich rathe niemand in Sachen des Gefühls,« sagtest Du einst, »denn ich kann so gut irren, wie der Andere. Aber ich stelle ihm die Sache hin, rein und natürlich, wie sie mir erscheint, um vielleicht durch eine neue Ansicht sein Urtheil unbefangen zu machen.« – Aber, Freund! mit dieser kalten Klarheit richtest Du jetzt nichts aus, jetzt nicht gegen mein leidenschaftliches, gequältes Herz. Ich fodre Dein Urtheil, ganz bestimmt, Alles was Du von ihr, ihrem Wesen, ihren Verhältnissen und ihrer Liebe zu mir, denkst. – Ach! daß ich so kalt, so fremd, so gemein, von ihr, von dem sprechen muß, was mir das Nächste, das Heiligste, das Unaussprechlichste war! – Wie anders, wie ganz anders gestalten sich diese göttlichen Bilder, durch diesen Zweifel, diese unwürdige Verhandlung! – Wie! ich hätte vielleicht geträumt? – und dies alles könnte enden, wie das Gemeinste endet? und es wäre Wahn gewesen, Rausch des Vergnügens, kurz, irgend etwas, was man erklären kann, was ich so einzig, so göttlich in mir fühlte? – O! vielleicht haben meine letzten Briefe, oder die ihrigen, ein unglückliches Schicksal gehabt, und ein gemeiner Zufall verführt mich zu den frevelhaftesten Aeusserungen! – Genug, schreibe mir bald und deutlich. Ich warte zwei Posttage auf Deinen Brief, und warte ich vergebens, so siehst Du mich vor Dir!


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