Sophie Mereau
Amanda und Eduard
Sophie Mereau

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünf und zwanzigster Brief

Amanda an Julien

Ich komme mit der alten Freundschaft und mit neuer Unruhe zu Dir, geliebte Freundin! – Wohl uns, daß wir uns verstanden, uns aufs neue gefunden haben! Der Sonnenstrahl der Nähe, hat alle die verhüllten Blüthenknospen der Jugendfreundschaft und Erinnerung, in unsern Herzen wieder aufgeschlossen; ein neuer Lenz hat sich unserm Gefühl entfaltet, dessen heitern Himmel keine Mißverständnisse, keine Klugheit, keine kleinlichen Rücksichten getrübt haben, und unsre Herzen waren gegen einander noch rein und ohne Falsch, wie in den Tagen der Kindheit. Du hast mich weicher, fühlender – jugendlicher verlassen; mich hast Du klärer, menschlicher, hoffnungsvoller zurückgelassen. Und nun vergönne mir den tröstenden Genuß der Mittheilung, und laß mich Dir sagen, was seit Deiner Abreise mit mir vorgegangen ist.

Du weißt, daß Albret von einer heftigen Krankheit überfallen ward; sein Zustand schien gefährlich. Ich that für ihn, was Dankbarkeit, was menschliches Gefühl, was mir mein Herz gebot, und er schien weicher und vertrauungsvoller gegen mich zu sein als je. Einst ließ er mich zu sich rufen. »Amanda,« sagte er mit schwacher Stimme, »mein Leben, ich fühle es, ist bald dahin. Willst du meine letzten Lebensstunden erheitern, und dir selbst die Ruhe deiner Zukunft sichern?« – »O! rede frei,« rief ich, schon ganz erweicht, »alles was ich kann, will ich gern, gern für deine Zufriedenheit thun! –« »Du liebst Eduard,« fuhr er fort »diesen Jüngling, der heftig, ehrgeizig, unzuverlässig, undankbar ist, kurz alle Fehler der Jugend in hohem Maaß besitzt; dein Glück, deine Ruhe, zertrümmert der Wilde unausbleiblich. Entsage ihm jetzt, da es noch Zeit ist, brich allen Umgang mit ihm ab; versprich es mir, und du verbreitest Frieden über mein gequältes, hinsinkendes Leben! – »Mein Herz zerfloß in tiefen Schmerz, und mein Auge in Thränen; – ach! es gelang ihm nur zu gut, alle Saiten meines Gefühls zu tiefer Trauer zu bewegen – aber ich war entschlossen. Jene rauhe Tugend, die Alles seinen Grundsätzen aufzuopfern befiehlt, mögen auch alle andre darüber zu Grunde gehen, kenne ich zwar nicht; sie ist mir fremd; aber diesen Betrug, diese Herabwürdigung dessen, was mir das Liebste, das Heiligste ist – O! wie hätte ich ein solches Versprechen über meine Lippen bringen können? – Nein! sagte ich fest, und nur dieses einzige kann ich Dir nicht gewähren! – Albret gab seinen Plan so leicht nicht auf; er suchte alles hervor, was mich zu erschüttern vermochte, und nur spät überzeugte er sich, daß es vergebens war. »Nun wohl,« sagte er hierauf, »bist du seines Herzens, ist er des deinigen so gewiß, so kannst du nichts dabei wagen, wenn ich ihn auf eine, nicht allzu schwere Probe stelle; und dies Verlangen wirst du mir, ohne Ungerechtigkeit, nicht unbefriedigt lassen können. Versprich mir nur vier Monate lang, ihm keine Zeile, kein Wort von deiner Hand lesen zu lassen, und dann entscheide selbst über ihn. Fühlt er wirklich so, wie du glaubst, was vermag eine so kurze Zeit, was vermöchte die größte Wahrscheinlichkeit, gegen die freudige Gewißheit seiner Liebe? gegen sein Vertrauen zu dir?« – Er fügte noch manches hinzu, und Julie – ich versprach es. Ich versprach es und werde es halten, was es mir auch schon jetzt kostet. Denn diese Probe, was soll sie? – Verträgt sich die Klugheit einer solchen Prüfung mit der Einfalt, der heiligen Kindlichkeit der Liebe? – Ach! schon bin ich sehr unruhig! Dem Sterblichen sollte Wahrheit über alles heilig sein! Eine einzige Abweichung – und Du kannst die Folgen nicht berechnen. Kaum ist die Handlung geschehen, so geht ihre Wirkung ins Unendliche; unaufhaltsam stürmen die raschen Mächte des Schicksals mit deiner That dahin, und nie bekommst Du sie mehr in Deine Gewalt!


 << zurück weiter >>