Sophie Mereau
Amanda und Eduard
Sophie Mereau

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Dritter Brief

Amanda an Julien

Die Natur lebt wieder auf; die letzten dürren Blätter säuseln in den singenden Strom hernieder; ein frisches Grün breitet sich über den Grund, und die Rebe weint schon dem Frühling ihre süssen Thränen. Durch das Dunkel der Tannenwälder, schimmern die lichten, grünen Gruppen der jungen aufsprossenden Birken, wie freudige Erinnerungen die Schwermuth eines trauernden Gemüths unterbrechen. – Mit dem Frühling erwacht mein Herz aus seinem Schlummer, und die Zeit der Ruhe ist, wie ein leichtes Gewölk, weit über mir dahin gezogen. – Vergebens nehme ich ein Buch, um mich zu zerstreuen; – ich kann nicht lesen. Mein Auge kann sich von den erfreulichen Bildern nicht losreissen. Die verklärten Bäume, die röthlichen Wolken, die den Himmel durchfliegen; die blühenden Büsche, welche Felder und Wiesen, wie Perlen, umfassen – in allen sieht mein treuloses Herz sein Bild! Vergebens rufe ich Stolz und Leichtsinn zu Hülfe; in meine einsamsten Stunden, drängen sich Bilder aus der Vergangenheit, und mit der ambrosischen Luft, athme ich neue Wünsche, neue Phantasien ein. O! ihr holden Genien des Lebens, rufe ich dann, Liebe, Hoffnung und Freude, solltet ihr mir auf immer entwichen sein? Sollte kein Tropfen eurer Götterschaale jemals wieder das verödete Herz erquicken? – Und doch, Julie, wenn ich seine Briefe lese – ach! ich lese sie öfterer, als ich selbst will! – und mich das Innige derselben bis zum Zerstöhren ergreift – dann wird mir der Gedanke kalte, tödtende Pein, daß auch dies enden konnte, auch dies, wie Alles endet! – Nein! wie es auch sei, ich kann ihm dieses Schweigen, dies Ersterben, ich kann es ihm nie verzeihen! – Denn was steht in meiner Macht zu thun, da ich nicht einmal seinen Aufenthalt weiß? – Und wenn ich auch handeln könnte, würde ich es wollen? Nein! nur dem Mann, dem Machtvollen, kömmt es zu, die Begebenheiten zu schaffen, alles Aeußre nach seinem Gefallen zu lenken. – Doch – was ich auch denken mag – bald kehrt die Erinnerung, des höchsten, einzigen Glücks, wieder siegreich in meine Seele zurück, und Er erscheint mir wieder ganz wie vormals. – Dann klage ich; warum bist du mir fern, Geliebter! in dieser heiligen Abenddämmerung, hier, wo alles die Sehnsucht nach dir erneut? – Wie ein Dolchstich fährt es mir durchs Herz, wenn ich dann bedenke, wie glücklich wir sein könnten, und jede Minute, die ich ohne ihn verleben muß, dünkt mich ein unersetzlicher Verlust. – Ja! alle beßre Seelen, haben Momente des höhern Lebens, der Begeisterung. Diese Momente verschwinden, und sie steigen zur Nüchternheit des Gewöhnlichen wieder herab; aber wenn zwei Seelen sich in solchen Momenten finden, wenn sie sich da begegnen, dann ist der Himmel zwischen den beiden. – O! da auch dies enden mußte, wie Alles, was hält denn den flüchtigen Geist noch hier? Wo erwartet denn nun noch das Herz, Befriedigung seiner unendlichen Sehnsucht? – Weh mir, daß ich unsterbliche Gefühle in mir nähren, und nur sterbliche erwecken konnte, daß mein Leben in dem Herzen des Geliebten aufhörte, und doch die Liebe unsterblich in mir lebt!


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