Sophie Mereau
Amanda und Eduard
Sophie Mereau

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Ein und zwanzigster Brief.

Eduard an Amanda.

Nun bin ich hier in dem geräuschvollen **, und statt meines Vaters, dessen Anblick allein einen Strahl von Freude in mein Herz zu senken vermogt hätte, fand ich bloß einen Brief von ihm. Er ist nach England gereist, weil, wie er schreibt, Geschäfte, auf denen das Wohl von vielen beruht, dort seine Gegenwart verlangen. Nur den dringendsten Beweggründen, fährt er fort, vermöchte er seinen liebsten Wunsch, noch länger aufzuopfern. Er bittet mich um meine Nachsicht, und rechnet ganz gewiß darauf, in wenig Wochen wieder hier zu sein. – Und so muß ich nun ausharren, denn erwartete ich die Ankunft meines Vaters nicht: ich kehrte ohne Verzug zu Dir zurück. Ach, Amanda! ich bin so fern davon, ruhiger zu sein, daß meine Sehnsucht nach Dir, vielmehr mit jedem Tage zunimmt! – Täglich bin ich in Gesellschaft; die Menschen sind gefällig, zuvorkommend gegen mich; manches weibliche Auge glänzt mir entgegen, aber ich bin für alles kalt und fühllos. Wie anders, ach! wie ganz anders war es, wenn ich bei Dir war, welche Stunden der Weihe, der Begeisterung, der Liebe! Du weißt es nicht, was Du bist, Amanda, und dies macht Dich eben so schön! wie eine Heilige verehre, bet' ich Dich an!

Du glaubst nicht, wie schwer es mir oft wird, in Gesellschaft die nöthige Fassung zu behalten. Meine Seele ist jetzt in einem so hohen Grad zur Wehmuth gestimmt, daß alles, was nur den leisesten Bezug auf Dich hat – und wo fände ich ihn nicht? – mich unbeschreiblich erschüttert. Gestern sagte einer bei Tische die Stelle aus Carlos:

»Gehört die süße Harmonie, die in
Dem Saitenspiele schlummert, seinem Käufer,
Der es mit taubem Ohr bewacht? Er hat
Das Recht erkauft, in Trümmern es zu schlagen,
Doch nicht die Kunst, den Silberton zu rufen,
Und in des Liedes Wonne zu zerschmelzen.
Die Wahrheit ist vorhanden für den Weisen,
Die Schönheit für ein fühlend Herz.
Sie beide gehören für einander.«

Dies ergrif mich so gewaltig, daß ich hinaus gehen mußte. So geht es mir sehr oft, und das Schrecklichste dabei ist, daß ich dann noch Vorwände suchen muß, wenn ich nicht für einen Thoren gehalten sein will. Dann bringe ich bald der Wirthin Blumen, oder werfe irgend eine sonderbare Frage auf, und muß so noch an kalte Gesellschaftsregeln denken, indeß meine ganze Seele von Sehnsucht nach Dir glüht!

Endlich Nachricht von Dir – das ist der erste, lichte Moment meines ganzen, fern von Dir verträumten Daseins. Jeder Buchstabe von Dir, ist mir heilig. Was für ein Himmel liegt in Deiner Liebe, einzige, geliebte Amanda! Ich bin eifersüchtig auf Dich, denn gewiß hat Dir mein Brief nicht das Entzücken gewährt, wie mir der Deinige. In Allem möchtest Du mich übertreffen, nur hierinnen solltest Du mich nicht zurücklassen. Und dennoch möchte ich um Alles in der Welt nicht, daß Dein Brief mir weniger Freude gemacht hätte. So ist kein Zustand im Leben so voll Widersprüche, wie der Zustand der Liebe; die Zeit der Liebe ist nicht die Zeit der Ruhe. Wie ist es doch möglich, daß wir bei diesen Widersprüchen, bei dieser Unruhe so glücklich sind?

Ich beneide Dich, Amanda, obwol ich Dir es gönne, obwol ich alle Freuden meines Daseins hingeben möchte, um Dich froher zu wissen. Ich beneide Dich, daß Du dort lebst, wo jede Aussicht, jedes Plätzchen neue Schwärmereien weckt, und süße Qualen nährt. Was gäbe ich darum, wenn ich ungestört meinen Träumen nachhängen könnte! Du weißt, wie wenig ich über die Aeusserungen meiner herrschenden Stimmung zu gebieten vermag, und hier, im Kreise meiner Verwandten und ältern Bekannten, muß ich es fast immer. Mein einziger Trost ist oft, von Dir zu sprechen, so wie sich nur die entfernteste Gelegenheit darbietet. Alle kleine, von Dir gesammelten Züge, alles Freie, Hohe, Interessante, Schöne, wird erzählt, und da ich nicht von einer Einzigen sprechen will, so vertheile ich Deine Vorzüge auf alle die Weiber, die in Deinem Kreise leben, und es ist für alle genug, reicht vollkommen hin, um hier die weibliche Eitelkeit durch eure Unerreichbarkeit zu kränken. Sieh', meine Amanda so reich bist Du; und daß man Dir das erst sagen muß, das macht Dich eben noch reicher.

Aufrichtigkeit – wie hat mich das Wort ergriffen, als ich es in Deinem Briefe fand! Jener Stunde, worinnen Du Dich so schön hierüber erklärtest, gedenke ich noch oft und gern. Ich lag auf den Knieen vor Dir, das Herz voll Qualen der Eifersucht. Es war spät; ich hatte Dich aus einem glänzenden Zirkel nach Hause begleitet, wo Dein Reiz, Deine Anmuth, alle Weiber überstrahlt, alle Männer geblendet hatte. Ich sah die trunknen Blicke nach Dir hintaumeln, und wie selbst kältere Herzen, Dir unwiderstehlich zuflogen, als Du mit seelenvollem Ausdruck, zu den schmelzenden Tönen einer Laute sangst. Ich stand in einiger Entfernung, und athmete kaum. Meine Blicke irrten auf Deiner Gestalt umher, und liebten alles, bis auf die schimmernden Ketten, die Deine Arme umschlossen. Diese schöngebildete Hand ist mein, sagte ich mir freudig, dieser Arm, dieser Nacken, diese Wange, dieser Mund – und mir schwindelte vor Entzücken. – Aber es wird, es kann nicht mein bleiben, dachte ich weiter. Die Ansprüche, die ein jeder an sie thut, ihr jugendlicher Sinn, ihr vorzüglicher Geist – genug, ich sagte Dir alles, was mich quälte, als wir allein waren, und Deine süßesten Versicherungen konnten mich nicht beruhigen. Da sprachst Du: Vertrauen ist das einzige Band, was die liebenden Seelen in fester, zarter Gemeinschaft erhält. Aller Zauber der Phantasie, vermag nichts über die Herzen, wenn nicht Wahrheit des Gefühls zum Grunde liegt. Sollte ich je anders für Dich fühlen, als jetzt – was mir unmöglich scheint, so sage ich Dir es frei, und auch Dich halte keine vermeinte Zartheit ab, die immer Falschheit bleibt, mir alles, was in Dir vorgeht, zu vertrauen. – Da gelobten wir einander stete Aufrichtigkeit, und es tröstete und labte mich dieser Bund über Alles.

Barton hat mir geschrieben, doch was ich so sehnlich von seinem Briefe wünschte und erwartete, fand ich nicht. Er schreibt wenig und nichts Befriedigendes von Dir; aber wie sollte er anders? – Habe ich nicht durch meine hartnäckige Verschlossenheit seinen Unwillen verdient? Ist es nicht an mir, alles wieder gut zu machen? – Dagegen schreibt er mir von Nanetten, mit einer feurigen Beredsamkeit, die mir an ihm fremd ist, und mir eine sonderbare Art von Freude macht. – »Bei ihr,« schreibt er, »finde ich noch die liebe alte Fröhlichkeit, die, von uns entflohen, einst der Genius besserer Zeiten war, die nicht erst lange fragt, warum? und ob mit Grund? und ob alles in der ganzen Welt dazu paßt? nein, frei aus dem Herzen herausquillt, und gleich einer erwärmenden Frühlingssonne, auch in Andern, manche ferne, erstorbene Freude weckt. Nanette plagt sich nicht mit Vorbereitungen zum Leben – sie lebt. Von andern wenig fodern, auf sich selbst rechnen, übrigens so wenig als möglich, an sich denken, und lustig fortleben, dies ist ihre Weisheit, die einzigen Regeln, die sie befolgt.«


Ich danke Dir, Amanda, daß Du mir nichts von Albret schreibst, denn ich verheele Dirs nicht, daß sein Name mir stets, wie ein glühendes Eisen, durchs Herz fährt. Ich verehre Deine Handlungsart, aber das vermindert meine Schmerzen nicht, ich werde kalt und warm, und taumle zwischen Wehmuth und Ungestüm, wenn ich an ihn denke. – O! warum warst Du so fremd, mit Deinem eignen Herzen? Und, warum mußten wir uns jetzt erst finden? –

In wenig Tagen reise ich aufs Land, an den Ort, wo ich die ersten, goldnen Tage des Lebens zubrachte. Dort werde ich auch meinen Vater einen Tag früher sehen können, der mit seiner Ankunft mir schon viel zu lang zögert. Aber ich habe nicht den Muth, mich darauf zu freuen, vielmehr fürchte ich, irgend ein Hinderniß könnte mir dort die Nachrichten von Dir, länger vorenthalten, und diese sind jetzt das höchste Ziel meiner Sehnsucht. Schreibe mir Verbannten bald. Gute Nacht, mein Leben, meine Seligkeit, mein Alles – ach! warum antwortest Du nicht? –


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