Sophie Mereau
Amanda und Eduard
Sophie Mereau

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Vierter Brief.

Eduard an Barton

Wir leben nun hier in der Residenz, und ich bin ganz ruhig. Es ist vieles in mir anders geworden; ich komme mir klüger, aber auch schlechter vor, und ich kann meinen vorigen Gemüthszustand, nicht ohne eine gewisse Art von Ehrfurcht betrachten. – Du weißt, daß ich an Amanda schreiben wollte, und ich that es mit aller Innigkeit meiner Liebe. Ich schickte diesen Brief an Nanetten, die ihn mit einem eignen begleitete. Aber keine Antwort von Amanda erfolgte, und nur von Fremden habe ich die Nachricht erhalten, daß Albret todt ist, daß sie noch immer in B ** lebt, und der Graf ihr einziger und steter Gesellschafter ist. Nun, Barton, was kann ich denn noch zu wissen begehren? Ist es nun nicht klar, daß ihre Liebe zu mir nur ein Sommertraum war, der Nachhall einer schönen Phantasie, die nun den Gegenstand gewechselt hat? Sie ist ruhig, und hat mich vergessen. Ich kann sie nicht tadeln, nur erscheint sie mir anders wie ehemals, doch auch jezt noch unaussprechlich liebenswürdig. – Sie ist eine von jenen schönen, heitern Naturen, welche gleich den Blumen, mit jedem Frühling neue Wünsche, wie Blüthen hervor treiben, wo sie dann den Sommer hindurch wachsen und grünen, bis sie bei dem leichtesten Sturme des Schicksals dahinwelken und sterben, so lange kein neuer Lenz, neue Blüthen und neue Wünsche erweckt. – O! wenn sie die Geistesstärke gehabt hätte, mir das alles freimüthig selbst zu sagen, ich hätte sie ewig! göttlich in meinem Herzen verehren müssen! dann wäre sie bei der liebenswürdigsten Natur, auch die edelste gewesen. Denn die Weiber, die durch ihre Neigung zur Güte, Aufopferung für Andere geführt werden, können nur dann edel sein, wann sie wahr und selbstständig sind, und ihre Weichheit besiegen, die sie leicht zur Verschlossenheit und Anhängigkeit geneigt macht.

Wie sonderbar fällt es mir jezt auf, daß die kurze Zeit von einigen Jahren, und ein paar Erfahrungen, so viel an unsern Ansichten verändern können! Ich hätte es nie geglaubt, denn die Bilder, die ich in mir trug, schienen mir alle ewig und unveränderlich. – Freilich weiß ich, daß ich ohne den Umgang meines Vaters, lange mit schweren Zweifeln hätte kämpfen müssen, und vielleicht auf immer, bitter und ungerecht gegen Welt und Menschen, oder ein kränkelnder Phantast geblieben wäre. Wie bewundre ich diesen Mann, der eine so reiche Imagination, mit einem so großen praktischen Verstand verbindet, und dem es so oft im Leben gelungen ist, die geistigen Blüthen der Phantasie und Liebe, und die irdischen Früchte mühevoller Thätigkeit zu brechen, und in zwei Gebieten zu genießen. – Auch ich stehe nun erheitert im Leben da, und entschlossen, das Ruder meines Schicksals, so viel ich kann, selbst zu lenken, ohne mich, und überhaupt den einzelnen Menschen, für außerordentlich wichtig, aber auch eben so wenig, für vergessen zu halten. Ein großer Verstand beherrscht das Ganze; und es ist klein und eitel, sich als Zweck desselben zu denken. Das ist die Freiheit des Menschen und sein Werth, daß er mit Weisheit in die Umstände eingreift, die ihn umgeben; und wohl ihm, wenn er es versteht, sie mit seinem eigentlichen Wesen in Harmonie zu bringen! – Ich strebe darnach, mir feste Ideen zu bilden, nach denen ich handle; denn wären sie auch falsch, so machen sie doch das Leben zu einem Ganzen, da Erfahrung allein nicht zum Leitstern unserer Handlungen taugt, weil man fast bei allen Zweifeln, die uns im Leben aufstoßen, Erfahrungen dafür und dagegen anführen kann. Andere werde ich immer nach mir selbst beurtheilen, denn ein jeder kann sich selbst der Repräsentant der Menschheit sein, wenn er Geistesjugend und Freiheit genug besitzt, um Menschen und Welt im Allgemeinen denken zu können, und nicht in dem engen Kreise einer ängstlichen, kurzsichtigen Selbstsucht fest gebannt ist.


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