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Erste Familie: Ameisenigel ( Echiduae)

Der Ameisenigel ( Echidna hystrix , E. und Myrmecophaga aculeata und longiaculeata, Ornithorhynchus und Tachyglossus hystrix), welcher mit einer zweiten, wenig verschiedenen Art ( Echidna setosa) als Vertreter der ersten Familie gilt, kennzeichnet sich durch seinen plumpen, größtentheils mit Stacheln oder Borsten bedeckten Leib, den walzenförmigen, nur am untern Ende gespaltenen Schnabel, den kurzen Schwanz, die freien, unvollkommen beweglichen Zehen und die langgestreckte, dünne, wurmartige Zunge, welche, wie bei den Ameisenfressern, weit aus dem Munde hervorgestoßen werden kann. In seiner äußern Erscheinung weicht er viel mehr von dem Schnabelthiere ab als im innern Leibesbaue. Sein deutscher Name, welcher der ihm von den Ansiedlern gegebenen Benennung entspricht, ist für ihn bezeichnend. Der kurze Hals geht allmählich in den gedrungenen, etwas flachgedrückten schwerfälligen Leib und auf der andern Seite in den länglich runden, verhältnismäßig kleinen Kopf über, an welchen sich plötzlich die langgestreckte, dünne, Walzen- oder röhrenförmige Schnauze ansetzt. Diese ist auf der Oberseite gewölbt, unten flach, an der Wurzel noch ziemlich breit, verschmälert sich aber gegen das Ende hin und endigt in eine abgestumpfte Spitze, an welcher sich die sehr kleine und enge Mundspalte befindet.

siehe Bildunterschrift

Geripp des Ameisenigels. (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)

Der Oberkiefer reicht ein wenig über den Unterkiefer vor; die kleinen eiförmigen Nasenlöcher stehen fast am Ende der Oberseite des Schnabels, dort, wo die nackte Haut, welche ihn überzieht, wegen ihrer Weichheit der Schnauze einige Beweglichkeit erlaubt. Die kleinen Augen liegen tief an den Seiten des Kopfes und zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß sie außer den Lidern noch eine Nickhaut haben. Von äußeren Ohrmuscheln sieht man nicht die geringste Spur; der Gehörgang liegt weit hinten am Kopfe unter der stacheligen Bedeckung verborgen, ist auffallend weit, erscheint aber nur in Gestalt einer Sförmig geschlitzten Oeffnung, weil er von einem Hautsaume bedeckt wird, welchen das Thier beim Lauschen emporheben, sonst aber mit Hülfe der das Aeußere umgebenden Borsten vollständig schließen kann. Die Gliedmaßen sind verhältnismäßig kurz, stark, dick, etwas plump und gleich lang, die Hinterbeine weit nach rück- und auswärts gekehrt, die Vorderbeine gerade, beide Füße fünfzehig und die einzelnen Zehen wenig beweglich, weil sie bis zu ihrer Spitze von der Körperhaut umhüllt werden. Man unterscheidet sie nur an den langen und starken Scharrkrallen, welche sie bewaffnen und besonders an den Vorderfüßen hervortreten. An der Ferse des Hinterfußes befindet sich beim Männchen der einen Centimeter lange, starke, spitzige, durchbohrte Hornsporen, welcher mit einer Absonderungsdrüse von Erbsengröße in Verbindung steht und zu dem Glauben veranlaßt hat, daß er die hauptsächlichste Waffe des Thieres sei und wie der Schlangenzahn Gift ausfließen lasse. Der stummelartige Schwanz, welcher äußerlich bloß durch die an ihm sitzenden Stacheln unterschieden werden kann, ist dick und an der Spitze stark abgestumpft. Die Zunge, welche an ihrer Wurzel mit kleinen, spitzigen, nach rückwärts gerichteten, stachelartigen Warzen bedeckt ist, kann etwa 5 Centim. weit über die Kiefern hervorgestreckt werden und empfängt von großen Speicheldrüsen einen klebrigen Schleim, welcher zur Anleimung der Nahrung geeignet ist. Von Zähnen findet sich keine Spur; im Gaumen aber stehen sieben Querreihen kleiner, derber, spitziger, rückwärts gerichteter, hornartiger Stacheln, welche den Warzen der Zunge entsprechend gelegen sind und die Stelle der Zähne vertreten. Die Milchdrüsen haben ungefähr sechshundert Ausführungsgänge.

Bei vollkommen erwachsenen Thieren beträgt die Leibeslänge etwa 45 Centim., wovon etwas mehr als ein Centimeter auf den Schwanz kommt. Beide Geschlechter sind sich bis auf den Sporn an der Ferse des Männchens vollkommen gleich. Ganz junge Thiere unterscheiden sich durch die Kürze ihrer Stacheln. Diese bedecken die ganze Oberseite vom Hinterkopfe an, stehen sehr dicht und sind bis auf die Steißgegend fast gleich lang, strahlen hier aber in zwei Büscheln auseinander; dazwischen liegt der Schwanzstummel. An ihrer Wurzel werden sie von kurzen Haaren umgeben; allein diese kann man nur wahrnehmen, wenn man die Stacheln bei Seite zu legen versucht, wogegen man sie auf dem Kopfe, den Gliedmaßen und der Unterseite des Körpers, wo sie die alleinige Bedeckung bilden, leicht erkennt. Sie sind überall steif, borstenartig und von schwarzbrauner Farbe, die Stacheln dagegen schmutzig gelbweiß und an der Spitze schwarz. Der Augenstern ist schwarz, die Regenbogenhaut blau, die Zunge hochroth.

siehe Bildunterschrift

Ameisenigel ( Echidna hystrix). [1/5] natürl. Größe.

Wenn genauere Untersuchung die angenommenen zwei Arten feststellt, beschränkt sich das Vaterland des Ameisenigels auf die gebirgigen Gegenden des südöstlichen Neuholland, während die zweite Art, der Borstenameisenigel, auf Neusüdwales und Vandiemensland beschränkt zu sein scheint. Neusüdwales ist auch als die wahre Heimat des erstgenannten anzusehen. Er bewohnt mehr die gebirgigen Gegenden als die Ebenen und steigt hier und da bis zu tausend Meter über den Meeresspiegel hinauf. Trockene Wälder, wo er sich unter den Wurzeln der Bäume Höhlen und Gänge graben kann, sagen ihm besonders zu. Hier verbirgt er sich bei Tage; nachts kommt er hervor und geht schnüffelnd und grabend der Nahrung nach. Seine Bewegungen sind lebhaft, zumal beim Scharren, welche Kunst er meisterhaft versteht. Beim Gehen, welches sehr langsam geschieht, senkt er den Kopf zur Erde und hält den Körper ganz niedrig; beim Graben setzt er alle vier Beine gleichzeitig in Bewegung und vermag, wie die Gürtelthiere, sich geradezu vor sichtlichen Augen in die Erde zu versenken. Es ist nicht eben leicht, in der Dämmerung dieses erdfarbige Thier wahrzunehmen, und man findet es eigentlich bloß zufällig auf, wenn es in seiner ruhelosen Weise von einem Orte zum andern läuft. Dabei untersucht es jede Höhle, jede Ritze, und wenn es etwas genießbares in ihr wittert, setzt es augenblicklich die kräftigen Füße in Bewegung, um die Höhle zu erweitern. Kerbthiere und Würmer, hauptsächlich aber Ameisen und Termiten, bilden seine Hauptnahrung. Diese sucht er mit Hülfe der sehr empfindlichen Schnauzenspitze auf, welche weniger zum Wittern als zum Tasten geeignet scheint. Er frißt nach Art der Wurmzüngler, indem er die Zunge ausstreckt und, wenn sie sich mit Ameisen gefüllt hat, schnell wieder zurückzieht. Wie alle übrigen Ameisenfresser mischt er viel Sand oder Staub, auch trockenes Holz unter diese Nahrung; denn man findet seinen Magen stets damit angefüllt.

Wenn man einen Ameisenigel ergreift, rollt er sich augenblicklich in eine Kugel zusammen, und es ist dann sehr schwer, ihn festzuhalten, weil die scharfen Stacheln bei der heftigen Bewegung des Zusammenkugelns gewöhnlich empfindlich verwunden. Ein zusammengerollter Ameisenigel läßt sich nicht leicht fortschaffen, am besten noch, wenn man ihn an den Hinterbeinen packt und sich um alle Anstrengungen und Bewegungen nicht weiter kümmert. Hat er einmal eine Grube von wenigen Centimetern fertig gebracht, so hält es außerordentlich schwer, ihn fortzuziehen. Nach Art der Gürtelthiere spreizt er sich aus und drückt seine Stacheln so fest gegen die Wände, daß er an ihnen förmlich zu kleben scheint. Die starken Klauen seiner Füße werden hierbei selbstverständlich auch mit angewendet, um sich soviel als möglich zu befestigen. An anderen Gegenständen weiß er sich ebenfalls anzuklammern. »Wenn mir«, sagt Bennett, »ein Stacheligel gebracht und in die Pflanzenbüchse gesteckt wurde, um so am leichtesten fortgeschafft zu werden, fand ich, zu Hause angekommen, daß das Thier an den Seiten der Büchse wie eine Schüsselmuschel auf dem Felsen angeklebt war. Man sah nur einen wüsten Stachelhaufen. Die Spitzen des Stachelkleides sind so scharf, daß auch die leiseste Berührung ein empfindliches Schmerzgefühl hervorruft. Ganz unmöglich war es, einen dergestalt eingepferchten Ameisenigel herauszubringen, und nur dasselbe Verfahren, welches man bei den Schüsselmuscheln anwendet, konnte ihn bewegen, loszulassen. Wir brachten einen Spaten langsam unter seinen Leib und hoben ihn dann mit Gewalt empor. Hat man ihn einmal in der Hand, so zeigt er sich völlig harmlos.« Die Behauptung der Eingebornen, daß das Männchen seinen Angreifer mit dem Sporn am Hinterfuße verwunde und eine giftige Flüssigkeit aus demselben in die Wunde strömen lasse, ist nach allen angestellten Versuchen als eine Fabel anzusehen. Der männliche Stacheligel versucht gar nicht, sich seines Sporns zur Vertheidigung zu bedienen, wie er überhaupt kaum an Abwehr denkt. Gegen die vierfüßigen Feinde vertheidigt er sich wie der Igel durch Zusammenrollen, und wenn er Zeit hat, gräbt er sich so schleunig als möglich in die Erde ein. Dennoch wird der Beutelwolf seiner Meister und frißt ihn mit Haut und Stacheln.

Die Stimme, welche man von dem sonderbaren Gesellen vernimmt, wenn er sich sehr beunruhigt fühlt, besteht in einem schwachen Grunzen. Unter den Sinnen stehen Gehör und Gesicht obenan; die übrigen sind sehr stumpf. Von geistigen Fähigkeiten ist kaum zu reden, obgleich man solche selbstverständlich als vorhanden annehmen muß.

Ueber die Fortpflanzung des Thieres ist noch höchst wenig bekannt. Das Weibchen soll im December mehrere Junge werfen und sie längere Zeit säugen, wie man annehmen muß, in ganz absonderlicher Weise: wir werden bei Schilderung des Schnabelthieres sehen, wie.

Es ist höchst wahrscheinlich, daß der Ameisenigel während der dürren Zeit eine Art von Winterschlaf hält; wenigstens sieht man ihn in den trockenen Monaten nur äußerst selten außerhalb seiner Höhle. Aber auch die Kälte übt auf ihn einen großen Einfluß aus; denn er verfällt schon bei sehr geringem Herabsinken der Wärme in Erstarrung oder in tiefen Schlaf.

Ueber das Betragen gefangener Ameisenigel haben Garnot und später Quoy und Gaimard berichtet. Letztere bekamen in Hobarttown ein lebendes Männchen. Im ersten Monate fraß es nicht das geringste und magerte zusehends ab, schien sich aber wohl zu befinden. Es war ganz gefühllos und dumm, lag bei Tage mit dem Kopfe zwischen den Beinen, seine Stacheln ringsum ausgestreckt, aber nicht zusammengekugelt, suchte auch dunkle Stellen auf. Die Freiheit liebte es sehr, machte wenigstens alle Anstrengungen, um aus seinem Käfige zu kommen. Setzte man es auf einen großen Pflanzenkübel mit Erde, so hatte es sich in weniger als zwei Minuten bis auf den Boden gegraben, und zwar mit den starken Füßen, wobei es ab und zu mit der Schnauze half. Später fing es an zu lecken und fraß zuletzt ein flüssiges Gemenge von Wasser, Mehl und Zucker. Es starb, weil man es zu stark gewaschen hatte. Garnot kaufte einen Stacheligel in Port Jackson von einem Manne, welcher ihm sagte, daß er das Thier seit zwei Monaten mit allerlei Pflanzennahrung erhalten habe, auch versicherte, daß es im Freien Mäuse fresse etc. Auf des Verkäufers Rath sperrte Garnot das Thier in eine Kiste mit Erde und gab ihm Gemüse, Suppe, frisches Fleisch und Fliegen; aber alle diese Dinge rührte es nicht an; nur das Wasser schlappte es sogleich mit seiner Zunge ein. So lebte es drei Monate, bis man mit ihm auf der Insel Moritz ankam. Dort gab man ihm Ameisen und Regenwürmer. Diese fraß es ebenfalls nicht; dagegen schien es Kokosmilch sehr zu lieben, und man hoffte schon, es mit nach Europa zu bringen: doch drei Tage vor der Abreise fand man es todt. Dieses Thier brachte gewöhnlich zwanzig Stunden des Tages schlafend zu und schwärmte die übrige Zeit umher. Begegnete es einem Hindernisse in seinem Wege, so suchte es dasselbe wegzuschaffen und nahm nicht eher eine andere Richtung, als bis es die Erfolglosigkeit seiner Bestrebungen bemerkte, wahrscheinlich weil es sich an sein Graben in der Freiheit erinnern mochte. Im Zimmer wählte es eine Ecke, um seinen Unrath dort zu lassen; einen andern dunklen Winkel, welcher von einer Kiste verstellt war, suchte es zum Schlafen auf. Oft schien es sich gewisse Grenzen zu wählen und lief lange Zeit hin und her, ohne sie zu überschreiten. Es ging mit hängendem Kopfe, als wenn es in Betrachtungen vertieft wäre und legte in einer Minute, obgleich sein Gang sehr schwerfällig und schleppend war, doch über zehn Meter zurück. Seine keineswegs weiche, aber bewegliche, lange Nase diente ihm als Fühler. Wenn es lauschen wollte, öffnete es die Ohren, wie es Eulen zu thun pflegen, und dann schien sein Gehör recht fein zu sein. Sein Wesen war mild und zärtlich. Es ließ sich gern streicheln, war aber doch sehr furchtsam und kugelte sich, wie der Igel, bei dem geringsten Geräusche zusammen, so daß die Nase nicht sichtbar war. Dies that es, so oft man neben ihm mit dem Fuße stampfte, und erst nach längerer Zeit, wenn dies Geräusch vollständig aufgehört hatte, streckte es sich langsam wieder aus. Eines Tages unterließ es seine gewöhnliche Lustwandelung; Garnot zog es deshalb aus seinem Winkel hervor und rüttelte es derb. Es zeigte so schwache Bewegungen, daß er glaubte, es würde sterben; daher trug er es in die Sonne, rieb ihm den Bauch mit einem warmen Tuche, und siehe da, es erholte sich und bekam nach und nach seine frühere Munterkeit wieder. Bald darauf blieb es achtundvierzig, später zweiundsiebenzig und zuletzt sogar achtzig Stunden hintereinander liegen; allein man kannte es nun und störte es nicht mehr in seinem Schlafe. Weckte man es auf, so wiederholte sich derselbe Vorgang wie das erstemal, während es sich, wenn es selbst aufwachte, sofort munter zeigte. Manchmal lief es auch des Nachts umher, aber so still, daß man es nicht bemerkt haben würde, wenn es nicht ab und zu an den Füßen geschnüffelt hätte.

Junge Ameisenigel wurden leicht mit Milch erhalten; wenn sie aber heranwuchsen, und die Stacheln sich aufzurichten begannen, verlangten sie eine stoffreichere Nahrung. Man mußte ihnen dann ab und zu einen Besuch an einem Ameisenhaufen gestatten, oder ihnen hartgekochtes, sehr fein geriebenes Eidotter mit dem nöthigen Zusatze von Sand geben, um sie bei vollem Wohlsein zu erhalten. Bei solcher Kost gediehen alle recht gut, so daß einige lebend bis nach England gebracht werden konnten.

Die Eingebornen nennen den Ameisenigel Nikobejan, Janokumbine und Cogera, die Ansiedler ohne weiteres »Igel«. Manche Australier braten ihn in seinem Felle, wie die Zigeuner unsern Igel, und essen ihn; aber auch die Europäer versichern, daß ein so zubereiteter Ameisenigel vortreffliche Speise gebe. Hierin beruht der einzige Nutzen, welchen das Thier dem Menschen bringen kann.


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