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Dritte Reihe.
Die Doppelscheidenthiere.

Achte Ordnung.
Beutelthiere ( Marsupialia).

 

[Allgemeines]

Die Klasse der Säugethiere weist neben den Ordnungen der Hochthiere und der Wale keine gleichwertige Gruppe auf, welche unsere Beachtung mehr auf sich ziehen könnte als die Ordnung der Beutelthiere. Eine genauere Betrachtung der letzteren belehrt uns, daß der Ordnungsbegriff bei ihnen eine sonst nicht übliche Aenderung erfahren hat. Wir vereinigen unter dem Namen Beutelthiere eine nicht unbeträchtliche Anzahl verschiedenartiger Säuger, welche mit Ausnahme des Beutels wenig miteinander gemein haben, und sehen bei dieser Bereinigung von denjenigen Merkmalen ab, welche wir sonst für die wichtigsten zur Kennzeichnung halten. Damit ist eigentlich gesagt, daß diese Ordnung als eine natürlich begründete nicht angesehen werden darf.

Warum wir so und nicht anders verfahren, erklärt sich daraus, daß sich uns bei sorgfältiger Prüfung der betreffenden Thiere, sozusagen mit unwiderstehlicher Gewalt, die Anschauung aufdrängt, es bei ihnen, mehr noch als bei den Zahnarmen, mit einer Gruppe zu thun zu haben, deren Blütezeit in den Tagen der plumpen Lurche des Festlandes, der Flugechsen der Lüfte, der Seedrachen der Meere zu suchen ist. Sehr gewichtige Gründe deuten darauf hin, daß die Beutelthiere nichts anderes sind als auf uns Ueberkommene vergangener Schöpfungsabschnitte, als Anfangssäugethiere, Vorläufer höher entwickelter Gestalten, Versuche der schaffenden Natur, ein Säugethier überhaupt zu bilden. Wahrscheinlich würde diese Anschauung schon längst zur herrschenden geworden sein, gälte es nicht in den Augen vieler als eine Ketzerei, von unvollendeten Werken des Schöpfers zu reden. Selbst anerkannt tüchtige Naturforscher haben sich herbeigelassen, die Unvollkommenheiten der ersten Versuchstiere, welche gegenwärtig vorzugsweise Australien bewohnen, durch die Wasserarmut dieses Erdtheils erklären und in ihr den Grund der Beutelbildung finden zu wollen, obgleich dieselben Naturforscher recht gut wußten, daß Beutelthiere in früheren Tagen auch Europa bevölkerten und noch gegenwärtig in Amerika zu Hause sind, wo es wahrlich nicht an Wasser fehlt. »Denkt euch«, sagt Owen, »einen unserer wilden Vierfüßler, meinetwegen einen Fuchs, eine Wildkatze: sie machen ihr Nest, sie haben ihr Lager. Nehmt an, die säugende Mutter müsse, getrieben von dem furchtbaren Durste, ein- oder zweihundert (zwanzig bis vierzig) Meilen wandern, um ihre lechzende Zunge zu erfrischen, müsse ihre kleine Familie zu Hause lassen: was würde aus der jungen, blinden, verwaisten, armen Gesellschaft geworden sein, wenn sie zurückkehrte von ihrem hundertmeiligen Wege? Nun, verschmachtet, verkommen. Thiere, welche ein Land wie Australien bewohnen, müssen im Einklange mit seinen klimatischen und allen übrigen Verhältnissen gebaut sein. Und so ist es: die jenem großen Festlande eingeborenen und zur Nothwendigkeit des Wanderns bestimmten Thiere besitzen den anderen Säugern überflüssigen Beutel und geschlechtliche Eigenthümlichkeiten, welche Gaben sie befähigen, ihre Brut mit sich zu nehmen, wohin immer sie gehen.«

Demjenigen, welcher sich durch vorstehende Berufung an das Gefühl des geneigten Lesers nicht bestechen läßt, wird es leicht, die Haltlosigkeit dieses sogenannten Beweises darzulegen. Es ist eine wohl bekannte Thatsache, daß alle Säugethiere Junge bringen in derjenigen Zeit des Jahres, welche die Aufzucht, die erste Ernährung der letzteren am meisten begünstigt, in den wasserreichen Monaten des Jahres nämlich, mögen dieselben nun Frühling oder Sommer, oder sonstwie genannt werden. Wenn es sich bei Erschaffung der Beutelthiere wirklich darum gehandelt hätte, die säugende Mutter eines Thieres zu versorgen, wäre es entschieden zweckmäßiger und einfacher gewesen, ein Hochgebirge in Australien zu schaffen, um den Wolken dadurch Gelegenheit zu geben, sich verdichten und die Tiefe mit Wasser versorgen zu können. Die schwarze Menschenmutter, welche keinen Beutel erhielt, die Dingohündin, welche in der gleichen Lage sich befindet, und die Nutzthiere, welche das Land schließlich in Besitz nehmende Europäer einführten, würden dann auch weniger vom Durste zu leiden gehabt haben. Erklärungsversuche, wie Owen sie aufstellt, fördern unsere Erkenntnis um keinen Schritt und leiden noch außerdem unter dem Fluche der Lächerlichkeit.

Wir sind weit entfernt, behaupten zu wollen, daß die Ansicht, welche in den Beutelthieren Anfangsversuche der Natur sieht, eine unfehlbare sein müsse, meinen aber, daß sie größere Wahrscheinlichkeit für sich habe als jede andere. Genauere Betrachtung der Beutelthiere und Vergleichung derselben mit den Mitgliedern anderer Ordnungen ergibt, daß die Ungleichmäßigkeit ihrer Gestalt nicht minder auffällig ist als die Unvollkommenheit derselben, verglichen mit Thieren, denen sie ähneln. Gerade diese Aehnlichkeit mit anderen, höher entwickelten Klassenverwandten scheint ein Fingerzeig für ihre Bedeutung zu sein. Wären sie wirklich Angehörige einer entwickelten Gruppe, so müßte auch das hauptsächlichste Merkmal einer solchen, das Gebiß, wenigstens eine ähnliche Gleichartigkeit zeigen, als dies bei anderen Ordnungen der Fall ist; denn der Begriff einer Ordnung gründet sich, ebenso gut wie der der Sippe oder Familie, auf das Gebiß. Bei den Walen sehen wir, indem wir die durch sie gebildeten Ordnungen begrenzen, ab von jener Gleichartigkeit des Gebisses, sind dazu aber auch berechtigt, da die ganze Gestalt der Walthiere eine Zusammengehörigkeit der verschiedenen Formen bekundet, während bei den Beutelthieren die Gestalt ebenso verschieden ist wie das Gebiß. Welche Aehnlichkeit besteht zwischen einem Känguru und einem Wombat, welche zwischen dem Beutelwolfe und einem Beuteldachse? Sie haben den Beutel als Merkmal gemein, kein anderes. Jedes einzelne Glied ändert in einer Weise ab, welche beispielslos ist in der gesammten Klasse; aber jedes einzelne Glied zeigt auch seine Absonderlichkeiten. Viel leichter als unter sich lassen die Beutelthiere mit anderen Säugern sich vergleichen, die einen beispielsweise mit Raubthieren, die anderen mit Nagern. Abgesehen von dem Beutel erscheint uns der Beutelwolf als ein ziemlich wohlgebildeter Hund, der Beutelbär als ein beim Schaffen verunglückter Marder oder Katzenbär, der Beutelmarder als der erste rohe Entwurf der Schleichkatze, der Beutelbilch als Vorbild des zierlichen Spitzhörnchens, die Beutelmaus als eine leidlich gelungene Spitzmaus, die Beutelratte als erster Gedanke eines Raubthieres verwandter Art, eines Schlitzrüßlers oder einer Spitzratte etwa, der Schwimmbeutler als ein Vertreter der Bisamspitzmaus, der Stutzbeutler als ein nicht zur Entwickelung gelangter Rohrrüßler, der Kusu als roh ausgearbeiteter Rollmarder, der Beutelbär als mißlungener Bär, der Wombat als der erste, aber entschieden verfehlte Versuch eines Nagethieres, während man das männliche Beuteleichhorn kaum von dem Flughörnchen unterscheiden kann, und in dem Känguru Thiere vor sich sieht, welche Nager und Wiederkäuer in sich vereinigen zu wollen scheinen. Wäre der Beutel nicht, man würde, wenn nicht alle, so doch die meisten dieser Thiere, vielleicht als Vertreter besonderer Familien, den Raubthieren und Nagern einreihen, um so mehr, als diese Ordnungen so gestaltenreich sind, daß es an passender Verwandtschaft für die meisten Beutelthiere nicht fehlen könnte.

Vergleicht man nun ein Beutelthier mit dem ihm verwandten Raubthiere oder Nager, so macht sich sofort auch dem blödesten Auge bemerklich, daß das Beutelthier unter allen Umständen minder ausgebildet, entwickelt und vollendet ist als der ihm ähnliche Räuber oder Nager. Dieses Rückständige, nicht selten sogar Verkümmerte des Beutlers bekundet sich entweder in der Gestaltung des ganzen Leibes oder in der Bildung einzelner Glieder oder im Gebisse. Man spricht mit Befriedigung vom anmuthigen Bau vieler Raub- und Nagethiere, gelangt aber bei Betrachtung eines Beutelthieres nur selten zu ähnlichen Empfindungen. Das eine erregt höchstens unsere Verwunderung, nicht aber unsern Beifall, das andere vielleicht unsere Lachlust, das dritte stößt uns geradezu ab. Irgend etwas fehlt unserem, durch andere Thiergestalten verwöhntem Auge stets, wenn es das Beutelthier mustert. Der Kopf desselben ist entweder zu groß oder zu klein, der Fuß zu lang oder zu kurz, seine Gliederung unvollkommen, der Schwanz entweder zu gewaltig oder zu schwach, oft auch nackt und widerwärtig, die Schnauze zu stumpf oder zu spitzig, das Haar entweder zu borstig und ungleich oder zu dürftig, das Auge zu klein oder zu geistlos. Vereinigt ein Beutler mehrere dieser Mängel in sich, so erregt er unabwendbar unsern Widerwillen. Untersuchen wir den Zahnbau, so gestaltet sich unsere Ansicht über die Bedeutung des Thieres nicht günstiger; denn auch das Gebiß erscheint, verglichen mit dem entsprechender Raub- und Nagethiere, unvollständig und rückständig. Der Raubbeutler besitzt der Zähne genug in seinem Maule, sie sind auch in ähnlicher Weise geordnet wie bei den Raubthieren, stets aber unvollkommener als hier, entweder regelloser gestellt oder stumpfer, sogar minder schön von Färbung, weniger weiß und rein als die des vollendeteren Räubers späterer Zeit. Was für die Raubbeutler, in denen wir wahrscheinlich die am höchsten stehenden Gestalten der Klasse zu sehen haben, Gültigkeit hat, läßt sich auch von den übrigen Beutelthieren sagen, und es erscheint somit die Anschauung, daß wir es mit unvollkommenen, noch nicht genügend entwickelten Wesen zu thun haben, durchaus gerechtfertigt.

Ueber die Leibesbildung der Beutelthiere läßt sich im allgemeinen wenig sagen. Die verschiedenen Glieder der Ordnung weichen mehr von einander ab als die jeder andern. Mit dem Gebisse steht natürlich der Bau der Verdauungswerkzeuge und gewissermaßen auch die äußere Gliederung im Einklange, und da wir unter den Beutelthieren ebensowohl echte Raubthiere wie echte Grasfresser, ja sogar Gruppen haben, welche an die Wiederkäuer erinnern, läßt sich von einer gleichmäßigen Gestaltung der Angehörigen dieser Ordnung kaum reden. Ganz abgesehen von der Größe, welche zwischen der eines mittelgroßen Hirsches und einer Spitzmaus schwankt, vereinigt keine andere Ordnung so verschiedenartige Thiere in sich, und erscheint es deshalb überflüssig, an dieser Stelle etwas zu sagen, was im Verlaufe der Schilderung doch wiederholt werden müßte. Am Gerippe lassen sich gemeinsame Eigenthümlichkeiten nachweisen. Der Schädel ist in der Regel kegelig verlängert; der Hirntheil erscheint im Verhältnisse zum Gesichtstheile und zur Nasenhöhle kleiner als bei den bereits besprochenen Thieren; die einzelnen Knochen verwachsen nicht so früh und innig miteinander wie bei diesen, insbesondere die Theile des Hinterhaupt- und Schläfenbeins bleiben oft getrennt. Bezeichnend sind zwei oder mehrere Löcher im harten Gaumen, theils im Oberkiefer, theils in dem Gaumenbeine. Die Wirbelsäule besteht regelmäßig aus 7 Halswirbeln, 12 bis 15 rippentragenden, 4 bis 6 rippenlosen, 2 bis 7 Kreuz- und verschieden vielen Schwanzwirbeln, da der Schwanz entweder äußerlich vollkommen fehlt oder verkümmert oder bei anderen eine außerordentliche Entwickelung erlangt. Ein Schlüsselbein ist, mit Ausnahme weniger Arten, stets vorhanden, der Bau der Vorder- und Hinterglieder dagegen großen Schwankungen unterworfen. Das Gehirn zeichnet sich durch seine geringe Entwickelung der beinahe vollkommen platten Hemisphären nicht eben zum Vortheile der Beutelthiere aus und erklärt den durchschnittlich geringen Verstand derselben zur Genüge. Der Magen ist bei den Fleisch, Kerbthiere und Früchte, fressenden Arten einfach und rundlich, bei anderen merklich verlängert, der Darm ebenso vielfach verschieden. Das Gebiß der Beutelthiere läßt sich nur insoweit mit dem der höher entwickelten Säugethiere vergleichen, als die Zähne zum Theil gewechselt werden, unterscheidet sich aber in allem übrigen sehr wesentlich. Insbesondere zeichnen sich die Beutelthiere durch eine größere Anzahl sämmtlicher Zahnarten, mit Ausnahme der Eckzähne, vor jenen aus. Die bei den Fleischfressern sehr kräftigen Eckzähne verkümmern bei den Pflanzenfressern oder fehlen vielen von ihnen gänzlich; die Anzahl der Schneidezähne ist in der Regel in beiden Kiefern ungleich; die Lückzähne sind zweiwurzelig, die Backenzähne spitzhöckerig oder mit verschiedenartig gewundenen Schmelzfalten versehen. Gemeinsam allen Mitgliedern der Ordnung ist nur eins: der Beutel. Die Sehne des äußern schiefen Bauchmuskels, welche sich vorn auf dem Schambeine aufsetzt, verknöchert und wird somit zu dem sogenannten Beutelknochen, welcher zur Unterstützung einer Tasche dient, die sich vorn am Bauche befindet. In dieser liegen die Milchzitzen, an denen die frühgeborenen Jungen sich ansaugen. Die Tasche kann ein vollkommener Beutel sein, aber auch bis auf zwei Hautfalten verkümmern, genügt jedoch unter allen Umständen ihrem Zwecke, indem sie sich innig über die an den Zitzen hängenden Jungen hinweglegt. Diese kommen in einem Zustande zur Welt wie kein einziges anderes Säugethier. Sie sind nicht bloß nackt, blind und taub, sondern haben noch nicht einmal einen After und nur stummelartige Gliedmaßen. Nachdem sie geboren sind, saugen sie sich an einer der Zitzen, welche gewöhnlich wie eine lange, keulenförmige Warze aussieht, fest und wachsen nun in der nächsten Zeit beträchtlich. Dann bilden sie sich rasch aus und verlassen zeitweilig den Beutel, welchen sie später bloß noch bei drohender Gefahr aufsuchen, falls sie nicht vorziehen, auf den Rücken der Mutter zu flüchten und sich so von ihr wegtragen zu lassen.

Wir müssen, um diesen ohne Beispiel dastehenden Geburtshergang weiter zu verfolgen, vorher nothwendig einen Blick auf den innern Bau der Fortpflanzungswerkzeuge werfen. Die weiblichen Geschlechtstheile bestehen aus zwei Eierstöcken, zwei Muttertrompeten, zwei Fruchthaltern und zwei Scheiden. Die Eierstöcke sind klein und einfach oder groß und traubig, am größten unter allen genauer untersuchten Säugethieren überhaupt bei dem Wombat, und jeder Eileiter erweitert sich zu einem besondern Fruchthalter, welcher in seine eigene Scheide mündet. In diesem Fruchthalter bildet sich für das ungeborne Junge kein Mutterkuchen, und hiermit mag die Frühgeburt wohl zusammenhängen.

Nach einer sehr kurzen Tragzeit im Fruchthalter wirft das Beutelthier seine Jungen, welche noch gänzlich unausgebildet sind, nimmt sie mit dem Maule auf, bringt sie in den Beutel und legt sie dort an eine Zitze, an welcher sie sich festsaugen. Hier bleiben sie hängen, bis sich die Sinneswerkzeuge und Gliedmaßen entwickelt haben, und der Beutel ist so lange nicht allein Nest und Zufluchtsort, sondern auch gleichsam ein zweiter Fruchthalter, noch einmal der Mutterleib. Von hier aus macht das junge Beutelthier später größere und immer größere Ausflüge; seine ganze Kindheit aber verbringt es in dem Beutel, und bei mehr als einem Mitgliede dieser merkwürdigen Ordnung, welche bloß einen Monat oder etwas darüber in dem wirklichen Fruchthalter ausgetragen wurde, währt die Tragzeit im Beutel sechs bis acht Monate. Von dem Tage der Empfängnis bis zu dem, an welchem das Junge seinen Kopf aus dem Beutel steckt, vergehen bei dem Riesenkänguru ungefähr sieben Monate, von dieser Zeit bis dahin, wann es den Beutel zum erstenmale verläßt, noch etwa neun Wochen, und ebenso lange lebt dann das junge Geschöpf noch theils in dem Beutel, theils außerhalb desselben.

Die Anzahl der Jungen schwankt zwischen Eins und Vierzehn.

Wie bereits bemerkt, bewohnen die Beutelthiere gegenwärtig Australien und einige benachbarte Inseln sowie Süd- und Nordamerika. Das Festland von Australien darf als das eigentliche Vaterland derselben angesehen werden, da alle übrigen gegenwärtig hier lebenden Säugethiere, einige Fledermäuse, der Dingo und mehrere Nager, unzweifelhaft als später eingewanderte gelten müssen. In Amerika finden sich nur wenige Mitglieder einer kleinen Familie, diese aber ebensowohl im Norden wie im Süden des Erdtheils. Entsprechend dem sehr verschiedenen Leibesbaue haben die Beutelthiere in ihrer Lebensweise wenig Gemeinsames; die einen sind eben Raubthiere, die anderen Nager; diese leben auf dem festen Boden, jene auf Bäumen, einige selbst im Wasser; die meisten sind Nachtthiere, viele auch bei Tage thätig. Unter den Raubthieren gibt es gewandte Läufer und Kletterer, unter den Pflanzenfressern behende und ausdauernde Springer; doch läßt sich bei Vergleichung mit höher entwickelten Säugethieren nicht verkennen, daß diese wie jene auch an Beweglichkeit hinter letztgenannten zurückstehen: selbst der vollendetste Raubbeutler erreicht nicht entfernt die Beweglichkeit des Raubthieres. Das Känguru, welches bei eiligem Hüpfen Sätze von acht bis zehn Meter Weite ausführen kann, steht dennoch einem Hirsche oder einer Antilope entschieden nach, und der Wombat wird von jedem, selbst dem plumpesten Nager bei weitem übertroffen. Aehnlich verhält es sich mit den höheren Fähigkeiten der Beutelthiere; sie kommen auch in dieser Hinsicht anderen Säugern nicht gleich. Höchstens die Sinnesfähigkeiten dürften bei ihnen annähernd auf derselben Stufe stehen wie bei anderen Krallenthieren, der Verstand dagegen ist immer unverhältnismäßig gering. Jedes einzelne Beutelthier erscheint, verglichen mit einem, ihm etwa entsprechenden Krallenthiere, als ein geistloses, weder der Ausbildung noch der Veredelung fähiges, der Lehre und dem Unterrichte unzugängliches Geschöpf. Niemals würde es möglich gewesen sein, aus dem Beutelwolfe ein Menschenthier zu schaffen, wie der Hund es ist; kein einziger anderer Beutler überhaupt würde zum Hausthiere sich eignen. Die Unvollkommenheit, Roheit und Plumpheit der Beutelthiere offenbart sich namentlich, wenn man die geistigen Fähigkeiten in Betracht zieht. Aus dem Auge, mag es auch groß und klar sein, spricht geistige Oede und Leere, und die eingehendste Beobachtung straft diesen Eindruck nicht Lügen. Gleichgültigkeit gegen die Umgebung, so weit es sich nicht um eine vielleicht zu bewältigende Beute handelt, also soweit der Magen nicht ins Spiel kommt, Theilnahmlosigkeit gegenüber den verschiedenartigsten Verhältnissen, Mangel an Zuneigung, Liebe und Freundschaft, scheinen allen Beutelthieren gemeinsam zu sein. Von einem Sichfügen in die Verhältnisse, von einem An- und Eingewöhnen bemerkt man bei diesen rückständigen Geschöpfen wenig oder nichts. Man nennt einzelne Raubbeutler bösartig und bissig, weil sie, in die Enge getrieben, ihre Zähne rücksichtslos gebrauchen, einzelne pflanzenfressende Beutler dagegen sanft und gutmüthig, weil sie sich kaum oder nicht zu wehren versuchen, bezeichnet damit aber weder das Wesen der einen noch der anderen richtig. Aus dem wehrhaftesten Krallenthiere, welches im Anfange seiner Gefangenschaft wüthend und grimmig um sich beißt, wird bei guter Behandlung nach und nach ein menschenfreundliches, zuthunliches Wesen: das Beutelthier bleibt sich immer gleich und lernt auch nach jahrelanger Gefangenschaft den ihn pflegenden Wärter kaum von anderen Leuten unterscheiden. Ebensowenig als es sich dem Menschen unterwirft, ihm etwas zu Gefallen thut, seinen Wünschen sich fügt, Zuneigung und Anhänglichkeit an ihn gewinnt, befreundet es sich mit anderen Thieren, kaum mit Seinesgleichen. Liebe und Haß scheinen in der Seele des Beutelthieres nur angedeutet zu sein; Gleichgültigkeit und Theilnahmlosigkeit bekundet selbst die Mutter den Jungen gegenüber, mit welchen sie sich mehr und länger beschäftigt als irgend ein anderes entsprechendes Krallenthier. Zeigt sie wirklich Regungen der Mütterlichkeit und Zärtlichkeit, so erscheinen diese dem aufmerksamen Beobachter als mechanische, nicht aber als selbstbewußte Handlungen. Von dem mütterlichen Stolze angesichts des Sprossen, von der Freude, welche die höherstehende Säugethiermutter an ihrem Nachkömmlinge hat, bemerkt man bei dem Beutelthiere nichts. Keine Beutelthiermutter spielt, so weit mir bekannt, mit ihren Jungen, keine belehrt, keine unterrichtet dieselben. Das Junge lernt, schon solange es sich im Beutel befindet, nach und nach in dem engen Kreise seines Wirkens sich zurecht finden und bewegen, flüchtet, einigermaßen selbständig geworden, bei Gefahr in den Beutel zurück, wird auch wohl von der Mutter hierzu eingeladen, und verläßt den Beutel endlich, wenn der Mutter die Last zu groß, vielleicht indem es von seiner Erzeugerin vertrieben wird, kehrt jedoch auch dann noch, selbst wenn es bereits Mutterfreuden genießt und für eigene Nachkommenschaft zu sorgen hat, zeitweilig zu der Alten zurück, um womöglich mit den nachgeborenen Geschwistern zu saugen, erlangt also eine wirkliche Selbständigkeit erst in einem sehr späten Abschnitte seines Lebens.

Die Nahrung der Beutelthiere ist, wie schon wiederholt bemerkt, eine höchst verschiedene. Alle Arten, welche Raubthieren entsprechen, stellen anderen Thieren nach, fressen Muscheln, Fische und was sonst die See auswirft oder Aas von Landthieren; die kleineren Arten jagen auf Vögel, Kerbthiere und Würmer; die Grasfresser endlich nähren sich von Blättern, Gräsern und Wurzeln, welche sie abpflücken und abweiden. Jene verursachen mancherlei Schaden und Aerger, indem sie den Herden nachstellen, nachts sich in die Hühnerställe einschleichen und sonstigen Unfug verüben, die übrigen werden schon aus dem Grunde kaum lästig, weil der einwandernde Weiße, welcher das Land in Besitz nimmt, sie sobald als möglich ausrottet, weniger einen bestimmten Zweck verfolgend, als ungezügelter Jagdlust genügend. Im allgemeinen ist weder der Nutzen noch der Schaden, welchen die Beutelthiere bringen, von erheblichem Belange. Man benutzt das Fleisch und das Fell nur von wenigen und weiß mit den übrigen nichts anzufangen.



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