Georg Bötticher
Alfanzereien
Georg Bötticher

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Freundlicher Rat.

             

Jüngst hat einer der Poeten,
Einer der modernen, jungen
Die in holdem Wahnsinn reden
Liebestoll und voll gesungen:

»Ich lach' in die Nächte, ich lach' in den Tag!
Ich küsse die Brust mir, wo deine Brust lag!«

Just der selbige Geselle
Teilt jetzt mit, daß er indessen
Sah, wie einer mit der Elle
Ging, den Regenbogen messen.
Und er schwelgt in dem Behagen,
Diesen Wackern auszuhöhnen:
»Würde wohl – scheint er zu fragen –
Ich je solcher Thorheit frönen?«

* * *

Ei – es möchte gar nichts schaden
Ihm und anderen Modernen,
Sehr wär's ihnen anzuraten,
Denn sie könnten etwas lernen.
Wenn ein bißchen mehr Exaktes
Sich in ihren Liedern fände
Und nicht ganz so viel Vertraktes –
War' es nicht so schlimm am Ende.
Wird die Poesie auf Erden
Uns gemindert durch das Wissen?
Schwerlich! Und die Herren werden
Mancherlei noch lernen müssen.
So zum Beispiel, daß die großen
Dichter nicht durchs Leben rannten,
Nein doch, daß sie alle Chosen
Wahrhaft aus dem Grunde kannten!
Daß: sich wunderlich zu zeigen,
Lang noch nicht Genie beweise,
Daß vielmehr, wem dies zu eigen,
Schlicht die Katze – Katze heiße.
Dies und andres gleichermaßen
Müssen sie erst inne werden,
Die so gern in tollsten Phrasen
Sich als Vollgenies gebärden.
Wahrlich ihrer Dichtkunst Schwinge
Wird es keinen Schaden bringen,
Wenn sie erst das Maß der Dinge
Suchen, eh' sie sie besingen.
Heut' erzeugen diese Wichte,
Diese Gründlichkeitsverächter,
Statt unsterblicher Gedichte
Nur – unsterbliches Gelächter!


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