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43.

Helwig hatte es ernst gemeint, daß sie mit Ols an seinem Krankenbett getraut werden wollte. Aber sein Wille widersetzte sich dem ihren, und wie stark dieser auch sein mochte, so war der seine doch noch stärker.

»Wenn ich wieder gesund werde, dann – –. Aber nicht jetzt,« sagte er.

Und dabei blieb er.

Da setzte sie ihren ganzen Willen ein, um ihm zur Gesundheit zu verhelfen.

Seine Gemütsverfassung gefiel ihr nicht recht.

»Ich merke dir gar nicht an, daß du entschlossen bist, am Leben zu bleiben,« sagte sie mit aufmunternder Lebhaftigkeit.

»Dazu gehört kein Entschluß meinerseits.«

»Weißt du nicht, wo du doch so viel mit Kranken zu tun hattest, wie wichtig es ist, daß die Kranken leben wollen

»Ich habe solche sterben sehen, die sich verzweifelt an das Leben festklammerten, und andere, die sich nach dem Tod sehnten, blieben am Leben. Aber am besten hatten es die, die in der Hand des Herrn starben.«

Seine Ergebenheit regte sie auf. Sie schien ihr ein bedenkliches Zeichen der Schwäche zu sein. Wo war nun sein starker Wille und seine große Kraft, die sie immer geliebt und an denen sie immer Halt gefunden hatte? Verloren waren diese Gaben nicht, sie fühlte, daß sie immer noch von ihm ausstrahlten, aber sie waren nicht so angewandt, wie sie es wollte.

»Leben und Tod stehen natürlich in Gottes Hand, das weiß ich auch. Aber wir dürfen doch um alles beten, was wir wünschen. Bittest du nicht um Leben?«

»Ja, um das ewige Leben.«

»Ich meine darum, gesund zu werden und länger hier leben zu dürfen?«

»Nein, darum bitte ich nicht. Das überlasse ich Gott ganz und gar.«

Nun regte sie sich immer mehr auf. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie mitten in einem heißen Kampf, und als hätte er sie unbarmherzig verlassen und ließe sie allein kämpfen.

»Wenn du nicht um dein Leben bittest, dann werde ich es tun. Ich will Gott keine Ruhe lassen. Ich werde ihn zwingen. Ich werde alle seine Versprechungen von Gebetserhörung aufsuchen und sie ihm vorlegen und ihn dadurch zwingen. Wenn ich noch nie gebetet habe, so werde ich es jetzt tun.«

Ihr schönes Gesicht strahlte, von trotziger Zuversicht erleuchtet.

Er war weit auf dem Weg des Gebets gekommen. Nun betrachtete er sie wie einer, der nahe am Ziel ist und sich zu dem umwendet, der eben den Fuß auf den ersten Stein des Weges setzt und noch alle Geheimnisse zu durchwandern und zu erforschen hat. Er sehnte sich danach, ihr vorwärts zu helfen, – er hätte nichts lieber getan, als sie auf einmal dahinzustellen, wo er selber stand. So versuchte er seine Erfahrungen der Jahre, in denen er ein Gebetsleben geführt hatte, in wenig Worte zusammenzufassen.

»In dem Maße, wie unser Wille in dem unseres Vaters aufgeht, bekommen wir das, worum wir bitten.«

In dem Augenblick, als die Worte ausgesprochen wurden, bedeuteten sie Helwig nicht viel. Sie nahm sie widerwillig an. Was nützt es, Gott nur um das zu bitten, was er will? Man betet doch wohl nur, das zu veranlassen, was man selbst will. Man fleht ihn an, damit er nachgibt, so glaubte sie.

Aber die Worte reiften in ihr nach. Ihre tiefe Wahrheit zwang sich ihr auf.


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