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27.

Als Ols Erik von der Bedeutung des Kummers über die Sünde sprach, machte er keine leeren Redensarten, sondern sprach aus Erfahrung. Mehrere Jugendjahre hatte er in der Hölle der Gottesferne zugebracht. Durch die Vergebung der Sünden in Christi Blut war er erlöst worden. Diese Erfahrung war ein Quell lebendigen Wassers für ihn geworden. Danach hatte er unter dem Zeichen Christi gelebt, und in dem Zeichen stand seitdem seine ganze Wirksamkeit.

Jahre der Arbeit, die manchmal köstlich, manchmal bitter waren, Jahre des Kampfes mit mehr Siegen als Niederlagen unter dem Zeichen des Kreuzes lagen hinter ihm. Er hatte an der Hand des Herrn Festigkeit gewonnen, war ein erprobter Kämpfer, ein Führer und Helfer anderer geworden.

Schlicht und großzügig hatte er sein Leben verbracht, und seine Wege waren gerade gewesen. Der Kampf zwischen Geist und Fleisch war ihm nicht unbekannt. Aber er hatte bisher seinen Weg leicht sehen können, die Grenze zwischen Fleisch und Geist hatte immer klar vor ihm gelegen. Ohne zu zweifeln, hatte er stets gewußt, wo er in dem Kampf stehen mußte. Wenn es auch unmöglich war, die Sünde aus eigener Kraft zu besiegen, so war es doch leicht gewesen, zu entscheiden, was Sünde war, wenn auch der heißeste Gebetskampf hatte einsetzen müssen.

Aber jetzt! Jetzt war er in große Verwirrung gekommen. Was war nun recht und was war unrecht? Er sah keine deutliche Grenze, er wußte seinen Weg nicht mehr und kam sogar im Gebet in Verwirrung. Seine wachen Sinne sagten ihm, daß das von einem Kampf zwischen Fleisch und Geist herrühre; was ihn aber irre machte, war, daß auf einmal sogar das Fleisch durchgeistigt schien. Es war kein Sinnenrausch, keine niedrige Begierde, was das feinsinnige, feingliedrige, knabenhaft zutrauliche, junge Mädchen in ihm weckte. Sie suchte seine Gesellschaft mit kameradschaftlicher Offenheit und zeigte ihm ihr Interesse ohne verführerische Scheu. Es fand sich nichts von weiblicher Koketterie dem Mann gegenüber in ihr. Weder bewußt noch unbewußt wandte sie sich an seine niedrigeren Instinkte. Sie war gegen ihn, als hätte er keine solchen, und das zeigte am besten, wie hoch sie ihn schätzte.

Er wollte nichts lieber, als ihrer hohen Meinung entsprechen. Aber tat er es auch? Und war sein Wunsch, es zu tun, auch nur berechtigt? Konnte neben dem Verlangen, Gott zu besitzen, wohl auch der Wunsch entstehen, ein Weib zu besitzen? Drohte der neue Wunsch nicht stärker zu werden als das Gottesverlangen?

Das Weib war in sein Leben getreten, und seine Klarheit wandelte sich in Verwirrung.

Wenn sie nur ein leibliches Verlangen nach ihm gehabt hätte, hätte er sich leichter zurechtfinden können; aber das, was sich jetzt in Helwig Furuclou regte, begehrte sein ganzes Wesen, Geist, Seele und Leib.

Als er versuchte, gegen das Neue zu kämpfen, war ihm, als hiebe er mit seinem Schwert in die Luft und als gewährte seine geistige Rüstung ihm keinen Schutz. Durch alle Fugen seiner Rüstung, sogar mit der Luft, die er einatmete, drang ihr Wesen in ihn, und weder konnte, noch wollte er sich dagegen wehren.

Freilich suchte sie ihn nur als geistlichen Berater und Freund, und er bemühte sich ehrlich, ihr das und nur das zu sein. Aber der Wunsch, ihr mehr zu werden, wuchs mit Sturmesmacht bei dem vertraulichen Beisammensein während der langen Wanderungen zu zweien durch einsame Wälder, nur unterbrochen durch gemeinschaftliche Erlebnisse bei den Leuten in den Katen.

Ihre zunehmende Herrschaft über ihn beunruhigte ihn. War sie in der Kirche, so konnte er nicht anders, als bei allem, was er sagte, an sie zu denken; saß sie in der Kate, so sah er nur sie und richtete alles an sie, selbst wenn er mit anderen sprach und andere behandelte. War sie aber nicht dabei, so fühlte er sich leer, geistesarm und machtlos. Bedeutete das, daß der Geist ihn um ihres Geistes willen floh?

Bei der Frage überlief es ihn kalt. Näherte er sich dem Abgrund der Sünde gegen den heiligen Geist?

Flucht war unmöglich und der Kampf war vergeblich. Was sollte er tun?

Die Unruhe nahm zu, der Kampf wurde härter. Es fiel ihm schwer, nachts zu schlafen. Immer heißer und unruhiger warf er sich im Bett umher, bis er endlich aufstand und sich anzog, um wenigstens einigermaßen zur Ruhe zu kommen.

In solch einer schlaflosen Nacht ging er in seine Studierstube. Eine Flut weißen Mondlichts strömte durch das Fenster, und als er hinausblickte, konnte er jeden Zweig an den Sträuchern des Gartens unterscheiden, die vom Frost und vom Mondschein versilbert waren.

Er setzte sich an den Schreibtisch, stützte die Ellbogen auf die Platte und das Kinn in die Hände und starrte vor sich hin. Wie hatte nur eine so große Umwandlung in sein Leben kommen können!

Wortlos blickte er in stummer Angst zu seinem Gott auf.

Da wurde ihm plötzlich klar, wie einfach und natürlich das war, was so furchtbar schien. Was ihn erfüllte, war keine Sünde wider den heiligen Geist. Es war nur natürliche Liebe. Er liebte Helwig Furuclou. – –

Im ersten Augenblick empfand er die Entdeckung wie eine große Befreiung. Es ist keine Sünde, wenn ein Mann eine Frau in Zucht und Ehren liebt. Gott konnte ihm deshalb nicht zürnen.

Er beugte seinen Kopf und bekannte Gott seine Liebe zu Helwig und bat ihn, sie zu heiligen.

Das Mondlicht fiel weiß und glänzend auf seinen Scheitel, wie ein Sinnbild des Friedens, der ihn durchströmte.

Und er fühlte den Frieden, aber auch, daß er ihm als eine Kraft für den bevorstehenden Kampf geschenkt wurde.

Die Entdeckung, die er gemacht hatte, war der Anfang einer dauernden Entwicklung.

Die irdische Liebe, die er vor seinem Gott bekannte, war keine Sünde, sie konnte ihm aber zur Sünde werden. Es kam nur darauf an, wie er sich dazu verhielt.

War Helwig Furuclou die ihm von Gott auserwählte Frau, oder war sie es nicht?

Wenn sie es war, dann würde das lodernde Feuer, das sein Wesen erfüllte und ihn fürchten ließ, daß es durch seine Glut den Geist Gottes verzehren könne, in die rechte Richtung geleitet, dem Geist untergeordnet und eine nützliche Kraft werden. War sie es aber nicht, dann war sie die gefährlichste Versuchung, die ihm je begegnet war, und dann würde er gezwungen sein, verstümmelt durchs Leben zu gehen, denn das Losreißen von ihr müßte ihn Hand und Auge kosten!


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