August Becker
Die Nonnensusel
August Becker

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Stille Ernte

Die Neuigkeit, daß die junge Kronenwirtin zu ihrem Manne zurückgekehrt war, für ihn Bürgschaft leiste und an eine Tilgung der Schulden denke, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Man hatte keinen Maßstab für diese Susanna Groß und war – wie die Steiermärker, die jeden Kropflosen als einen Menschen bedauern, dem etwas fehlt – sehr geneigt, in ihr eine Person zu erblicken, die man nur bemitleiden und belächeln konnte. Ihre Flucht in der Hochzeitsnacht – nun, die vermochte man noch nachträglich zu erklären; daß sie nun zu ihrem ruinierten Mann zurückkehrte, mit ihrem Heiratsgut für ihn eintrat, vermochte man gerade in den Kreisen der besonders Klugen und Gescheiten am wenigsten zu begreifen und mit dem gesunden Menschenverstand zusammenzureimen.

Dem vermöglichen Bauer, zumal dem eigentlichen Manschettenbauer, der bei festlichen Gelegenheiten im Angstrohr einhersteigt, fehlt von Haus aus der Sinn für alles, was wie Edelmut aussieht, der ihm stets das Zeugnis für Verkehrtheit oder doch Übertriebenheit abgibt. Sorgfältig sucht er auch den Schein davon zu vermeiden und den Ruf der Pfiffigkeit zu retten. Hartnäckig besteht er auf dem, was er sein Recht nennt, läßt sich nichts darunter bieten. Daneben bekennt er sich ungescheut zur krassen Eigenliebe. Erwerben, Errungenschaften machen, wo und wie es geht, das ist der Grundsatz des »Kaffern«, wie der Pfälzer selbst sich ironisch zu nennen pflegt. Die nackte Selbstsucht leitet ihn, und er bekennt sich ungescheut dazu.

Als die Kunde von Susels Rückkehr zu ihrer Mutter nach Oberhofen gelangte, war Frau Juliane außer sich. Dieses leidenschaftliche Weib glaubte, der Schlag müsse sie treffen. Nein, was sie noch in ihren alten Tagen an ihrem Herzenskind, ihrem Augapfel erleben mußte! Ihre Susel war ihr nun völlig unverständlich geworden. Die Mutter war so wild über diese törichte Handlungsweise, daß sie davon sprach, ihre Tochter unter Vormundschaft stellen und auf ihr Pflichtteil beschränken zu wollen. Allein der Notar, der den Heiratsvertrag ausgefertigt hatte, bewies ihr, daß derselbe deutlich genug laute, als daß er nun von der eigenen Mutter mit Erfolg angegriffen werden könnte.

Selbstverständlich war, daß auch die übrige Verwandtschaft sich den Anschauungen der Frau Groß näherte oder sie noch übertrieb, Bas Margaret und vielleicht noch der Vetter Ebbe ausgenommen. Merkwürdigerweise ließ auch der scheele Hannes nichts auf Susel kommen, er war stets mit der Erklärung bei der Hand: die wisse schon, was sie tue. Die alte Schwiegermutter dagegen schwieg und wußte fürs erste nicht, wie sie sich zu dem neuen Wechsel der Umstände stellen sollte.

Übrigens zeigte sich bald, daß die Vermögensverhältnisse des Kronenwirts im Grunde durchaus nicht so verzweifelt standen, und nur durch die hereinstürmende Bedrängnis nach dem kundgewordenen Fehlschlagen seiner Heiratshoffnungen in so heillose Verwirrung und Unordnung geraten konnten. Schlimmer stand es mit seiner Gesundheit; da war nicht mehr zu helfen. Die stille Freudigkeit, die sich in seinen Zügen seit der Ankunft Susels kundgab, entsprang keinem Wiederaufflammen der Lebenskraft, sondern dem innigen Dankgefühl, daß ihm noch vergönnt worden war, ihr Antlitz voll schmerzlichen Mitleids und trauervoller Teilnahme über seine verblichenen Züge gebeugt zu sehen. Auf dieses Glück hatte er verzichtet gehabt, und es war ihm dennoch zuteil geworden. So starb er gern, da er seine Kinder unter ihren Fittichen wußte.

Sie weinte nicht allzusehr an seinem Grabe; aber man erkannte doch, daß sie den Mann innig betrauerte, den sie im Leben nicht so lieben konnte, wie er es vielleicht verdient hätte. Ihr ganzes Verhalten zeigte sich so achtungswürdig, daß auch die Widerstrebenden allmählich mit einem scheuen Respekt zu ihr aufsahen. Auch mit ihrer Mutter hatte eine Versöhnung beim Leichenbegängnis stattgefunden. Denn merkwürdigerweise war es Juliane, die über dem Grabe ihres Schwiegersohnes sich zu den heftigsten Schmerzensäußerungen hinreißen ließ.

Da Susel nicht daran dachte, die Wirtschaft »Zur Krone« fortzuführen, fand sich in einem Verwandten Konrads bald ein Käufer des Hauses. Die liegenden Güter des Verstorbenen wurden um auffällig hohe Preise versteigert, so daß den hinterlassenen Kindern nach Bezahlung aller Schulden noch immer ein hübsches Erbteil blieb. Sie übersiedelten mit ihrer jungen Stiefmutter nach Oberhofen in das Haus der Frau Juliane, die zwar ihrer Tochter »die verkehrten Streiche« nicht völlig vergaß, allein doch in freundlichem Verhältnis mit ihr weiterzuleben, und als alternde Frau allmählich mehr und mehr mit dem Treiben der kleinen Mädchen im Hause, die sie doch im Grunde nichts angingen, sich zu versöhnen vermochte, ja sie noch recht liebgewann.

Die Tochter wieder im Hause zu haben, war ihr um so angenehmer, als Stoffel sich keineswegs als ein besonders liebevoller und lenksamer Sohn bewiesen hatte. Im Gegenteil. Sein »Was hab' ich davon?« klang ihr so oft und so höhnisch entgegen, daß sie das Wort nicht mehr hören konnte. Zudem hatte unter seiner merklichen Beihilfe die Schwiegermutter ihre Krallen so gefährlich aus ihrem Altensitz über den Hof und das Haus zu strecken begonnen, daß es Juliane dabei unheimlich wurde. Die Alte wußte alles, was im Hause vorging, und schien nachgerade auch alles lenken zu wollen. Noch immer strich sie an stillen Tagen und mitten in der Nacht gespenstig im Hause umher. Dabei hatte sie jedoch an der Stelle, wo man von der Spreukammer in den Hausspeicher konnte, dereinst einen bösen Fall getan, so daß sie eine ganze Nacht und einen halben Tag in Schmerzen lag, wo man sie nicht vermuten konnte, nachdem sie vermißt worden war.

Man hatte zwar die Nacht hindurch stöhnen und ächzen gehört, was den Dienstboten jedoch nur Anlaß zum Aufwärmen von Gespenstersagen gab. Als man sie entdeckte und in ihren Altensitz brachte, zu dem sie übrigens den Schlüssel in der Tasche trug, ließ sie den Schäfer Abraham holen und sich von ihm ihre gebrochenen Knochen einsalben. Daraufhin schrie sie Tag und Nacht so entsetzlich, daß es kaum mehr ein Mensch im Hause aushalten und keiner mehr schlafen konnte. Doktor Flax war grausam genug, sich der Alten mit seinem Rat nicht aufdrängen zu wollen, und so ließ sie sich von dem Schäfer Abraham noch ein schmerzstillendes Säftchen eingeben, das auch half. Sie schrie nicht mehr, denn sie wurde gleich darauf in ihrem Bett tot aufgefunden.

Als man ihre Bettlade von der Wand wegrückte, was in Gegenwart von Stoffel und Jerg geschah, fand sich eine Nische, in der neben vielen glänzenden Kleinigkeiten, die das elsterhafte Gelüste der alten Frau erregt hatten, in der Tat drei gewichtige Strümpfe voll Frankenstücken und ein Schmalztopf voll sogenannter Sechsbätzner mit dem Bildnis Maria Theresiens verborgen waren. Daneben lag eine Art Testament von ihrer Hand, freilich in Krähenfüßen unorthographisch geschrieben, in dem sie als Erben dieser Errungenschaften aus ihres Sohnes und ihres Mannes »Ersparnissen«, mit ausdrücklichem Ausschluß ihrer Schwiegertochter, ihre Enkel Eve und Stoffel bezeichnete, jedoch unter der Bedingnis der Errichtung eines Grabsteins, dessen goldene Inschrift zu ihrem löblichen Gedächtnis sie selbst angab, so daß der Hort, der ohnehin den Wert von einigen hundert Gulden nicht überstieg, durch diese Bestimmung wieder ziemlich zusammenschmolz und Stoffel und Jerg ihr heimlich noch alle Knochen im Grabe verfluchten.

Bei dem Testament hatte sich noch ein braun gewordener Zettel gefunden, auf dem Adam, der Sohn der Alten, in einem lichten Augenblick den Versuch gemacht hatte, alle Orte, wo er seine Ersparnisse versteckte, in dunkler Kürze zu beschreiben. Augenscheinlich hatte die alte Frau nach dieser Darstellung ihre unheimlichen Umgänge im Haus eingerichtet, bis sie diese Sucht, ihren ewig brennenden Durst nach Geld und Besitz, mit ihrem Leben büßte. Die alte Aplone schwur übrigens darauf, daß die Großmutter erst in letzter Zeit ihre Entdeckungen gemacht haben könne; denn vor etwa sechs Jahren habe der Schatz nur aus einem Strumpf mit etwa zweihundert Dreibätznern bestanden.

Da sowohl nach dem Verzeichnis Vater Adams, als auch nach der Versicherung der tauben Aplone der Hort im Hause erschöpft sein mußte, hatte dieses seinen Reiz auf Stoffel eingebüßt. »Was hab' ich davon«, sagte er, »das Haus für teures Geld zu übernehmen? Dafür kann ich mir soviel Äcker kaufen und verheirat' mich lieber nach auswärts in ein fremdes Haus hinein.« Und danach heiratete er denn auch in ein nach dem Bienwald zu gelegenes Dorf, und zwar eine, die ihm so ähnlich sah, daß er mit demselben Erfolg, wie der Swinegel und seine Frau auf der Buxtehuder Heide, einen Wettlauf mit dem Hasen auf den Bruchwiesen am Rande des großen Grenzforstes hätte eingehen können.

Diese Heirat hatte unter Hindernissen mit traurigem Ausgang stattgefunden. Die großmäulige Bawel, die unterdessen entlassen worden war, bestand nämlich fest darauf, von Stoffel einen Heiratsverspruch erhalten zu haben. Nachdem schon die Heiratsproklamation am Gemeindehaus nächtlicherweise heruntergerissen worden war, kam nach dem Hochzeitstag ein Brief, der Julianens Ärger in dem Maße erregte, daß sie einen förmlichen Schlaganfall erlitt, dessen Folgen Dr. Flax vergeblich zu bekämpfen suchte. Juliane, fast völlig gelähmt, genoß noch mehrere Wochen lang der liebevollsten Pflege ihrer Tochter, die mit der alten Aplone abwechselnd bei ihr wachte. Ihre Susel mit aufgelegten Händen für alle Liebe segnend und mit dem Wunsche, neben ihrem Henrich begraben zu werden, schied denn Juliane friedlich aus dem Leben, tief und aufrichtig betrauert von ihrer Tochter, die sich schon jetzt ihre einstige Ruhestätte dicht bei ihren Eltern aussuchte, da sie überzeugt war, sie um keine zwei Jahrzehnte zu überleben.

Nun war Susel die Herrin im Hause und im Alleinbesitz der reichen Hinterlassenschaft ihrer Mutter. Sofort trat Stoffel mit Ansprüchen und dem Antrag auf Abrechnung hervor, denen sich auch Jerg anzuschließen Lust hatte. Allein sie irrten, wenn sie meinten, mit der »Nonnensusel« leicht fertig zu werden, daß sie sich einschüchtern oder in ihrer bekannten Güte zu einem Vergleich herbeilassen würde. Mit aller Entschiedenheit, die ihr das Bewußtsein ihres guten Rechts eingab, trat sie dem schnöden Versuch entgegen und bewies durch die Akten über die frühere, abschichtende Hinauszahlung und Abfindung, sowie durch beweislich spätere freiwillige Spenden, daß die Kinder aus erster Ehe ihrer Mutter bereits nicht unbedeutend mehr bezogen hatten, als sie zu fordern hatten.

Während der Prozeß, bis er aus Mangel auf Aussicht von den Antragstellern selbst zurückgezogen wurde, noch lief, zogen sich die älteren Kinder Jergs, der Pöppel und das Stöffele, scheu und schämig von der »Bas Susel« und ihren zwei kleinen Mädchen zurück. Besonders Pöppel, dessen Geburt seinem Vater einst so viele Freude gemacht hatte, schien nicht nur unter dem Übelbefinden und der üblichen Behandlung seiner Mutter durch den Vater, sondern auch unter den gespannten Verhältnissen mit der »Bas Susel« zu leiden. Zuweilen stand er hinterm Gartenzaun und sah traurig durch die Planken nach den Beeten und Rabatten, wo Julchen und Lieschen mit ihren kleinen Gießkannen die Blumen begossen, während ihre Stiefmutter Salat rupfte, pflanzte oder neue Saaten machte. Bemerkte dann Susel den Knaben oder wurde sie durch eines der Mädchen aufmerksam gemacht, rief sie ihn jedesmal herein, reichte ihm ebenfalls einen Traubenmus-, Butter- oder Käsfladen und behandelte ihn so freundlich wie möglich. Dennoch hielt es ihn nie lange, und Pöppel ging bald wieder weg, um traurig in ein weniger freundliches Heimwesen zurückzukehren.

Indes ließ Susel Even das Benehmen ihres Mannes keineswegs entgelten. Das Leben ihrer kindergesegneten Halbschwester war trotz der großmütterlichen Erbschaft kein müheloseres und freudigeres geworden. Der Mann wurde stets mürrischer und rauher, und begann in Wein Trost dafür zu suchen, daß es mit seinen Verhältnissen trotz allen Abschindens nicht besser gehen wollte. Da zeigte nun Susel viel schwesterliche Liebe, stand bei und half, wo sie konnte. Die arme Eve schien an der Auszehrung zu leiden; aber so schwach der Lebensfaden war, er riß dennoch nicht und spann sich unter den sorgsamen ärztlichen Bemühungen des Doktor Flax und der treuen schwesterlichen Hilfeleistung noch immer fort.

Als jedoch der »Nonnensusel« eines Tages hinterbracht wurde, man habe die arme geschlagene Frau wieder bitterlich weinend über die rohe Behandlung durch ihren Mann an der Scheuer stehen sehen, ließ Susel daheim alles liegen, wie es lag, zog eine neue Schürze an und begab sich in das Haus ihrer Schwester. Sie hatte bald heraus, was sie sich gedacht hatte, daß Eve jetzt besonders unter dem Ärger Jergs über die Begünstigung und Verhätschelung der beiden fremden »Krotten«, die einem gar nichts angingen, zu leiden hatte. Jerg, der bei aller Roheit doch vor Susel einen heiligen Respekt hatte, wollte ihr scheu und verlegen ausweichen. Doch hielt sie ihn entschlossen zurück, er müsse hören, was sie zu sagen habe; der rohen Behandlung seiner Frau müsse ein Ende gemacht werden, er sei gar nicht einmal der Tropf, der schlechte bösartige Mensch, als der er sich zeige. Und nun folgte eine Auseinandersetzung und Erörterung, der er mit niedergeschlagenen Augen beiwohnte, ohne daß er den Mut zu einem Wort der Entschuldigung fand. Aber am Schluß gelobte er seiner Schwägerin in die Hand hinein, daß es besser werden solle. Und das Beste an der Sache war, es blieb kein bloßer Vorsatz, er hielt sein Versprechen. Eve bekam gute Tage und kein böses Wort mehr. Jerg war wie umgewandelt – vielleicht nicht aus innerem Drang zum Guten; die Besserung seines Tuns hatte einen ziemlich materiellen Untergrund. Hielt er sich ordentlich so, war seine Zukunft gleich der seiner Familie gesichert: das richtete ihn auf. Zudem wurde die gute Meinung von seiner besseren Natur, von einer Seite entgegengebracht, woher er es nicht erwarten durfte, ihm der kräftigste Antrieb, sie zu rechtfertigen.

Von da an war Pöppel täglich mit den kleinen Mädchen der »Bas Susel« beisammen und er vertrug sich besonders mit Julchen, das ihm auch im Alter näherstand, als das junge Schwesterchen. Aber auch die anderen Kinder Evens kamen häufig; und die kleine alte Base, die der jungen Witwe ihres Neffen als willkommener hilfreicher Engel nach Oberhofen gefolgt war, brachte der leidenden Eve so manche kräftige Suppe, so manches Huhn oder Entchen, oder half auch rüstig im Hauswesen mit.

Daß auch Susel ihre Sorgen mit dem großen Haushalt und der ausgebreiteten Landwirtschaft hatte, lag auf der Hand. Hanjerg diente noch immerfort als Knecht im Hause; dessen Käthrine stand jederzeit zur Aushilfe der Magd bereit. Als zweiter Knecht war der Stumpe gedungen worden, so daß auch die lange Christine täglich für dringende Angelegenheiten bei der Hand war. Beide wußten sich sehr nützlich zu machen.

Dennoch schien es die allgemeine Ansicht zu sein, daß Susel es auf die Dauer nicht ohne einen Herrn im Hause werde machen können. Die Leute sagten, sie werde sich nach Ablauf ihres Trauerjahres doch nach einem Mann nach ihrem Geschmack umsehen müssen, und die besten in der Umgegend würden sich dadurch geehrt fühlen. Es müsse ja nicht gerade der Schorsch von Münster sein, der zur Zeit der Rückkehr Susels zu ihrem Manne sich seiner »alten Liebe«, Ochsenwirts Kathel in Münster, inniger angeschlossen hatte.

Doch Susel schien an keine Wiederheirat zu denken. Sie hatte von Schorschs Liebschaft ohne große Erregung gehört, und vernahm mit ebenso großem äußerem Gleichmut, daß er sich von der Kathel wieder abgewandt habe.

Damals legte sie es dem Andres ihrer Amy nahe, nach Oberhofen überzusiedeln, das Bürgerrecht zu erwerben und die Aufsicht über ihre Feldwirtschaft zu führen. Doch konnte sich das Paar nicht entschließen, ihr Haus am Otterbach im freundlichen Oberland zu verlassen. Indes hielten sie gute Freundschaft, kamen zuweilen sonntags mit ihren Kindern zu Besuch, wobei das Stöffele und die kleine Susel stets miteinander im Krieg lagen, und doch wieder zusammenhielten. Andres war indes von Oberhofen aus in Stand gesetzt, sich im Laufe der Jahre einen Acker, einen Wingert und eine Wiese um die andere zu ersteigern, bis er es nicht mehr nötig hatte, in den Taglohn zu gehen, da ihn seine bedeutender gewordene eigene Feldwirtschaft völlig in Anspruch nahm.

Es ruhte ein Segen auf dem Hause der »Nonnensusel«. Die Leute sagten: sie entdecke wohl noch von Zeit zu Zeit verborgene Schätze darin. Seit man darin nicht mehr nach Geld suchte, waren wertvollere Schätze zu finden. Susel hielt auf Ordnung, Fleiß, haushälterischen Sinn, auch bei der Erziehung der Kinder, und das um so strenger, je mehr ihr in jenen Jahren Gelegenheit gegeben war, sich mildtätig gegen die Armut zu erweisen, die nie ungetröstet von ihrer Tür ging. Die »Nonnensusel« durfte überzeugt sein, daß ihr Andenken ein gesegnetes bleibe, wenn sie auch nicht darum Gutes tat, sondern aus Herzensdrang, und weil sie es für die heiligste Menschenpflicht hielt. Hierin stand die schlichte Bäuerin hoch über den Gebildetsten ihrer Zeit. Sie hatte eine Ahnung davon, daß hierin alles edle Menschentum gipfle. Vom eigenen mitzuteilen, ist der Grund aller Gesittung.

Inzwischen war aber auch noch eine andere schwere Verpflichtung und eine Heimsuchung an sie herangetreten, die ihrem Leben allem Ermessen noch eine andere, weniger entsagungsvolle Wendung geben konnte. Der Bericht hierüber soll in diesen wahrhaftigen Mitteilungen über die »Nonnensusel« den Schluß bilden.


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