August Becker
Die Nonnensusel
August Becker

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28

Der Borich

Es schneite. Aber es war kein ruhiger Schneefall, sondern es sauste und stöberte draußen. In der Scheuertenne gingen die Dreschflegel im Vierteltakt, während Stoffel im geheizten Raum des Nebenhauses bei der Schneidebank saß und »Welchen« putzte, nämlich Weiden zu Bündeln zurichtete, die im Frühjahr zum Binden der Reben dienten. Das Wetter hatte die Hühner unter die Schuppen gescheucht, wo der Hahn mit seinem gleichsam zu einer einzigen Feder zusammengeklebten Schwanz traurig inmitten seiner Hennen stand. Auch die Gänse fühlten sich nicht wohl, und nur die Enten trieben sich in possenhaft feierlichem Gebaren, entsetzlich schnatternd, bei der Mistpfütze herum. In der warmen Wohnstube dagegen schnurrten, wie jeden Nachmittag, die Spinnräder. Alle Frauen des Hauses spannen; die Näherin, die gerade bei Juliane arbeitete, ließ ihre Nadel eifrig gehen. Niemand aber sprach ein heiteres Wort oder versuchte das anhaltende Schweigen durch Gesang zu unterbrechen. Die Wanduhr schlug eben drei.

Da kam jemand durch den Eingang am Tor und »tapste« auf den Steinplatten des Hofganges draußen die Schneestollen von den Sohlen. Dann wurde an der Stubentür gepocht, und herein trat ein kleines Männchen, kurz und krummbeinig in einem geflickten Stutzfrack, dessen Kragen über die Ohren geschlagen war, und mit einem halb gefüllten Sack auf dem Rücken. Während der Kleine hastig die Fäustlinge auszog, mit der etwas verkrüppelten Hand die gezipfelte dunkle Tarnkappe vom Kopfe nahm und den Schnee abspritzte, einen »guten Tag« bot, gewährte die ganze Erscheinung das Bild eines Heinzelmännchens oder Kobolds, der das Haus heimzusuchen kam.

»Der Borich! Der Borich!« schrien die Spinnenden auf und ließen sogar für eine Weile die Rädchen in Ruhe.

»Allemal, der Borich!« sagte der mit dem Sack, und sein aschblonder, seltsam verschnittener Krauskopf mit dem bleichen Gesicht und dem aufgeworfenen Mund grinste freundlich in den Kreis der Spinnerinnen. Wie umgekehrte Trichter standen ihm die Haarbüschel hüben und drüben von den Schläfen. »Der Borich darf nur kommen, gleich muntert sich alles auf. Tun Sie brauchen Schnür', tun Sie brauchen Bänder, – der Borich hat alles und Sie brauchen dafür zu geben nur Lumpen, statt sie zu werfen auf den Mist. Hu, 's ist ein Wetter, daß man nicht gehen möcht' aus dem Haus, wär's einem nicht drum zu tun, die braven Leut' zu versorgen mit Schnür'! Oder, 's kühlich! hat der Schloßmichel gesagt, da Stein und Bein zusammengefroren sind. Und bei euch ist's warm!« Er hielt die steif und blau gefrorenen Hände an den Ofen.

»Hab' ich doch immer gesagt«, sagte Juliane, sich erhebend, wo bleibt der Borich, wo steckt der Borich? Wie lang ist der Borich nicht mehr dagewesen!«

»Haben Sie gehabt Verlangen nach mir, schön von Ihnen, Frau Großin.«

»Na, so holt, was Ihr habt«, sagte Frau Groß, und Susel und die Mägde gingen, ihren Vorrat an Lumpen, Leinwandlappen und Zeugabfällen herbeizuschaffen.

Borich war aus einer jüdischen Familie in Klingenmünster, die sich zumeist durch den auf dem Lande so notwendigen Hausierhandel mit geringfügigen Dingen schlecht und recht durchschlagen, ehrlich und kümmerlich genug ernähren. Bei jedem Wetter, von früher Jugend an, war Borich mit dem Lumpensack in die umliegenden Dörfer gewandert, um von Haus zu Haus sein Band- und Schnurwerk gegen Lumpen auszutauschen. Reich wurde er dabei so wenig wie seine übrigen Glaubensgenossen.

Wohin er kam, sammelten sich alle Töchter und Mägde des Hauses, worauf das Handeln und Schachern, das Überlisten und wohl auch das gewaltsame Abjagen kleinen Vorteils anhob. Denn mit Lachen und Beschwören, Schreien und Jammern wurde unter einem Heidenlärm um eine Viertel-Elle Schnur mehr oder weniger halbstundenlang gerauft und gezankt.

So war es auch diesmal wieder, nachdem auch die Großmutter, mit ihrem Lumpenvorrat und einer Schere bewaffnet, sich eingestellt hatte. Der arme Borich konnte nicht Augen genug haben. Wehrte er sich hier gegen unbillige Forderung eines zu großen Bandstücks, das er klagend zwischen der Schere durchlaufen ließ, um noch einen Finger breit zuzugeben, wurde ihm hinter seinem Rücken noch ein Stück Schnur abgezwickt, um das er, sobald er es merkte, sich balgen mußte, um wieder an anderer Stelle übervorteilt zu werden.

Wenn Susel dergleichen merkte – die Mutter pflegte gewöhnlich ein Auge zuzudrücken – so trachtete sie stets darauf, den Borich zu entschädigen, ohne Entgelt.

Als nun der Hausierer seine Lumpen zusammenpackte und den Sack wieder zuschnürte, entging ihm der unverhältnismäßige Verlust an Band keineswegs.

»Wo ist mein Band, wo sind meine Schnür? An zwei Ellen rot' Band und dritthalb Ellen Schnur ist zu viel abgeschnitten!«

Magd und Großmutter rührten sich nicht, das Näherliesel nähte wieder ruhig weiter; aber dem Borich stand das Weinen nahe, worüber sich Stoffel, der unterdes eingetreten war, um sich den Jux mitanzusehen, halb totlachen konnte: »Ich muß haben zwei Ellen rot' Band und dritthalb Ellen Schnur zurück!«

Da kam Susel herein und brachte noch einige Reste alter Leinwand.

»Hier Borich, mach' dich bezahlt und gib, wenn du kannst, der Aplone noch ein Stück Band.«

Borich schnitt eine ganze Elle ab für die alte Magd. »Sie soll's haben, gern! Euer Susel, Frau Großin, sollte nicht heißen Susel.«

»Wie denn, Borich?«

»Engel sollte sie heißen, denn sie ist, meiner Schamme, ein Engel. Ich wollt' ich wär' ein Erzengel, so wüßt' ich, was ich tät'. Weil ich das nicht bin, wünsch' ich ihr den schönsten und bravsten Mann, und ich wüßt' einen für sie. Einen Staatsmann, Frau Großin, meinen Sie nicht, daß ich mache Stutz, – 's ist mein Ernst.«

»Wenn er wirklich das alles ist, so laß' einmal hören, Borich. Wer weiß! Aber«, unterbrach sich Frau Juliane plötzlich fast drohend, »daß du mir nicht etwa mit dem Schorsch kommst!«

»Mei! Werd' ich kommen mit dem Schorsch, wo ich doch weiß, daß Sie's nicht haben wollen, daß ich komm' mit dem Schorsch! Will doch der Schorsch selber nicht kommen. Wenn man gehauen wird, wie er ist worden gehauen, halb kapores, vergeht einem die Lieb', und wär's zu der Susel. Wissen Sie, wie es heißt im Lied?« Und fing er mit dem verkrüppelten Zeigefinger an, den Takt zu schlagen, indem er halb leise vorzutragen, halb zu singen begann:

Es mag regnen oder es mag schneien
Kein Gänglein tät mich reuen.
Es mag geben Regen oder Schnee,
Wenn ich zu der Herzallerliebsten geh.

Wenn's aber Schläge hagelt, Mackes regnet und Prügel auf den Kopf schneit, bleibt man daheim!«

»Ha, ha, hi, hi!« lachte Stoffel am Ofen laut vor sich, während seine Schwester ihn fest ins Auge faßte. »Hat er sich's gemerkt!«

»Na«, sagte der Borich, dessen Lokalpatriotismus erwachte, »soll er sich's nicht gemerkt haben, daß man nicht die Kurasch, mit ihm anzubinden bei Licht und offen, sondern im Dunkel der Nacht zuschlägt, heimtückisch. Das ist nicht schön, gar nicht schön.«

»Er hat auch als ein richtiger Holzschlegel zugehauen«, bemerkte die Hausfrau, unangenehm berührt.

»Ja, bei Licht, Mann gegen Mann oder – was sag' ich – drei oder vier Mann gegen sechzig! Er ist stark der Schorsch, und vor keinem fürchtet er sich, auch nicht vor zweien oder dreien. Aber er ist nicht der stärkste von uns. 's Bürgermeisters Fritz nimmt sechs und wirft sie zum Fenster 'naus wie nix.«

»Und der Borich ein ganzes Dutzend, he?« höhnte der Stoffel.

»Wenn ich wär' in den Armen so stark wie ich in den Beinen sein könnt', und verwogen dabei, tät ich mich vor manchem nicht fürchten!« sagte der Borich. »Der Stoffel hätt' nicht gebraucht mich auszulachen. Und der Schorsch wär' als gelernter Küfer gut gesessen in Oberhofen.«

»Wir brauchen keinen Münsterer Küfer hier«, bemerkte Juliane lebhaft. »Dazu hat man den nötig!«

»Daß Sie ihn nicht haben wollen, weiß ich«, erwiderte Borich ruhig, »mut' es Ihnen auch nicht zu. Aber deswegen braucht man ihn doch nicht zu locken in einen Hinterhalt und zu schlagen kaputt.«

»Das ist geschehen?« rief hier Susel, sich aufrichtend.

»Geschlagen haben sie ihn«, fuhr Borich fort, »als sollt' er kriegen den Dalles und den Dippel auf den Kopf, und daß sie ihn haben heimschleppen müssen, und daß er gelegen ist zu Bett die lange Zeit her.«

»Und ich weiß nichts davon!« jammerte Susel.

»Daß sie ihn nicht geschlagen haben mausetot, ist alles«, sagte Borich, während Stoffel knirschte: »Verdammter Schmuser!«

»O nein!« fiel Juliane ein. »Kein Streich verloren, als der nebenab fiel.«

»Und ein Wunder ist's, daß er ist wieder auf. Und er hat selber gesagt – –«

»Jetzt aber hör' einmal auf!« rief Juliane ärgerlich. »Wenn du nichts anderes zu schmusen weißt, so pack auf und zum Tempel 'naus. Ich leid' nicht, daß auch unter meinen Augen Botschaften ausgerichtet werden. Ein für alle Mal: ich will, solang' ich leb', nichts davon wissen, und nach meinem Tod schiebt mein Vermächtnis einen Riegel vor. Punktum.«

»Aber, Frau Groß«, sagte Borich, den Lumpensack über die Schulter werfend, während Susel wie betäubt auf einem Stuhl saß, »wer wird Botschaften ausrichten, wer Ihr Testament umstoßen, wer wird gegen Ihren Willen sein? Der Schorsch tut's nicht, und ich tu's auch nicht. Wozu? Ich will Geld verdienen, sonst nichts.«

»Mit Kuppeln.«

»Aber, Frau Groß, wie ist das geredt für eine so gescheite Frau. Will ich für mich kuppeln? Sie heißen Groß, sind eine große Frau, eine kluge Frau, eine reiche Frau, eine schöne Frau, die mancher nähme, wenn sie ihn wollte –«

Alle lachten, und auch Juliane blieb nicht unempfindlich gegen die unverhohlenen Schmeicheleien. »Hab' Wunder gemeint, was du für Susel im Vorschlag hast«, sagte sie, »und nichts ist's.«

»Wunder gemeint und nichts der Mär? Wie so? Es ist viel der Mär' mit dem Mann, den ich mein'. Ein schöner Mann, ein guter Mann, ein angenehmer Mann, ein angesehener Mann, ein gemachter Mann, der erste in seinem Ort. Ich möchte sein, wie er, und haben, was er hat! Sein Haus steht breit an der Straß', Einfahrt unten durch, vier Gäul' im Stall, zwei Füchse, ein Rapp' und ein Rotschimmel. Und seine Kühe haben Euter wie Dickrüben, es bammelt nur so! Und viel Kühe.«

»Hat er auch Futter dazu?« fragte die Großmutter.

»Ob ers Futter hat? Er hat's. Das Heu kann man kaum kriegen mit dem Heuhaken, so fest sitzt's. Und Rüben hat er, daß man einen Viehwagen haben möcht', und Klee – ein Ochs möcht' man sein, so hat er Klee. Und gedroschen ist worden seit Michaeli jeden Tag. Und ob er Wein hat? Ich möcht' haben zwölfhundert Fuder von dem Wein, so wär' ich nicht der arme Borich. Und alle Fuhrleut' können nicht Rühmendes genug sagen, wie der Wein den Durst löscht.«

»So also, er treibt Wirtschaft«, sagte Juliane, mit Stoffel und der Großmutter Blicke wechselnd.

»Und was für eine Wirtschaft! Die Noblesse sitzt bei ihm, der Herr Pfarrer, der Herr Schulmeister, der Herr Einnehmer, wenn er gerade da ist, trinkt bei ihm einen Schoppen. Man kann alles verlangen –«.

»Und warten, bis man's kriegt.«

»Man kriegt's, wenn man da ist. Dabei starker Ackerbau, viel Taglöhner, Frau Groß.«

»Da wäre die Frau wohl viel geplagt.«

»Gar nicht geplagt, gar keine Arbeit, lauter Pläsier. Sie braucht nicht die Wingerte zu hacken, Futter zu stoßen, das tun andere für sie. Sie hat nichts zu tun, als da sitzen und die Hände in den Schoß zu legen.«

»Das wär' langweilig«, bemerkte Susel frostig.

»Man kann sich's machen kurzweilig!« fuhr Borich fort. »Man plaudert, strickt, guckt zum Fenster 'naus, man trinkt Kaffee, ißt Waffeln dazu, Herz was begehrst! Will die Frau auf dem Maimarkt nach Landau, – angespannt! sagt er. Will sie auf den Purzelmarkt, – gleich liebes Kind, wir fahren im Charabanc. Will sie nach Neustadt oder nach Mannem ins Theater, – und liegt der Schnee so hoch« – Borich stellte seine Elle auf den Boden – »die Füchse an den Schlitten, wir fahren nach Mannem. Ein Mann, sag' ich. Der sagt nicht, wenn die Frau fahren will: Du kannst gehen! und wenn sie gehen will: Du kannst daheim bleiben! Gott nein! Will sie gehen, muß sie fahren! Und alles blinkt und glitzert, kommt man in die Stube. Seine Frau sitzt im vordersten Kirchenstuhl, hat die schönste Haube auf und drei oder vier Merinokleider – 's ist ein Stolz um den Staat.«

»Na, wenn er's so treibt«, bemerkte Juliane, »wird's kaum an Schulden fehlen.«

»Schulden! Wer hat keine Schulden! Ich übernehm' seine Schulden, wenn Sie mir Ihre Susel geben. Wenn er morgen kommt und sagt: Borich, ich brauch' tausend Gulden, werd' ich sagen: gleich! wenn ich sie hätte. Und wenn er sagt: Borich, sechstausend – tut mir's leid, daß ich sie nicht habe. Er hat Kredit wie der Rotschild, kann morgen zum Wolfhügel in Landau, zum Böll in Weißenburg, zum Rosenthal in Ingenheim und kann Geld verlangen.«

»Verlangen, ja. Ob er's auch kriegt«, warf Stoffel ein.

»Er kriegt's. Seine Schwester hat keine Kinder, ist herzleidend, keine Kinder – sein Schwager, ein steinreicher Mann, hat's auf der Brust.«

»Seit wann, alter Schmuser?« fragte Stoffel. »Am letzten Viehmarkt in Billigheim habe ich ihn doch noch gesehen, gesund wie eine Eichel!«

»Dort hat er sich's zugezogen, und der Kronenwirt beerbt ihn«, versicherte Borich.

»So, vom Kronenwirt ist die Rede«, fiel die Großmutter ein, als ob sie es erst jetzt merke. »Es soll wahr sein, daß er ein schönes Hauswesen führt und ein angesehener Mann ist. Aber doch ein Witmann!«

»Was heißt Witmann? Ein junger sauberer Mann von achtundzwanzig Jahren, der weiß, wie man eine Frau zu behandeln hat, heißt Witmann!«

»Dreißig ist er ja doch«, berichtigte die Großmutter. »Und dann sind Kinder da.«

»Was heißt Kinder? Zwei kleine Engelchen – 's gibt nichts Schöneres, 's ist eine Freud', – Julchen und Lieschen heißen sie.«

»Und wie hat er denn seine erste Frau behandelt?« erkundigte sich Juliane.

»Auf Händen hat er sie getragen den lieben langen Tag und die ganze Nacht.«

»Da wird er sie auch nicht leicht vergessen können!«

»Gebt ihm die Susel, und er vergißt. So wie die Susel gibt's keine zweite. Bäckchen wie Milchbrötchen, daß man hineinbeißen möcht'! Wie schmeckt der Kaffee, wenn man die zwei Milchbrötchen vor sich hat.«

»Ach Gott«, sagte Susel in die Heiterkeit der anderen, »muß man zu allem Elend noch lachen.«

»Sie lacht«, jubelte Borich. »Jungfer Susel lacht! 's ist gut, 's ist ausgemacht, 's kommt in Richtigkeit, – sie lacht.«

»Oh, noch lange nicht. Ich lache über die viele vergebliche Mühe, die Ihr Euch gebt«, stand auf und ging hinaus.

Die Zurückbleibenden hatten einige Verblüffung zu überwinden, während Borich seinen Lumpensack bequemer über die Schultern hing und gehen wollte. Doch Juliane winkte ihn in die Ecke und flüsterte ihm zu: »Zum ersten! der Kronenwirt wäre mir als Tochtermann so ganz unrecht nicht! Wenn sie auch den Kopf aufsetzt, sie wird zugreifen, wenn sie sieht, daß sie keine andere Wahl hat. Sieh, Borich – drei Kronentaler kriegst du zum voraus als Kuppelgeld. Zwei zahlst du aber zurück, wenn's mißglückt, verstehst du?«

»Warum soll ich nicht verstehen, – die Frau Groß spricht doch deutlich!« sagte er, das Geld einsteckend, worauf er zufrieden nochmals den Lumpensack lüpfte, allerseits schönen guten Abend wünschte und unter der Tür verschwand, während hinter ihm in der Stube ein Lachen und Triumphieren über die dem Borich »abgeluxten« Schnüre und Bänder losging. Auch Juliane stimmte mit ein, als habe man eben einen großen Spaß erlebt. Allein für sie war es Ernst.

Mittlerweile hatte Susel den Augenblick abgewartet, wo Borich aus der Stube in den Flur kam, und winkte ihn hinein.

»Still, Borich. Da setz' dich her auf den Stuhl und gib so leise Antwort wie ich dich frage. Ist es wahr, daß Schorsch so hart geschlagen worden ist?«

»Nicht gesund will ich wieder aufstehen, wenn's nicht wahr ist«, beteuerte der Hausierer. »Er ist erst seit einer Woche wieder auf, ich hab' ihn gesehen und mit ihm geredet. Nichts auszurichten nach Oberhofen? sag' ich. – Laß mich in Ruh mit den falschen Spiegelguckern! sagte er. – Na, und die Susel? frag' ich. – Geh mir mit der, sagte er. – Er glaubt, du Susel, habest ihn gelockt an den Hollerstock, wo sie ihm aufgelauert haben. – du habest ihn in die Falle gelockt.«

»Am Hollerstock haben sie ihn geschlagen? – Dann weiß ich auch wer's getan hat. Aber ich – Gott soll mich strafen da vor deinen Augen, Borich, wenn ich etwas davon gewußt und aufgehört habe, ihm treu zu sein. Und das hat er von mir geglaubt, das hat er von mir glauben können!«

»Gott, Susel, armes Schicksel, so gern hast du ihn?« sagte Borich, dem das Herz schwer wurde, als Susel da saß, die Schürze vor den Augen.

»Oh, ich weiß jetzt«, flüsterte Susel schaudernd, »wer das getan hatte, ich weiß es jetzt. Und mich hält er dessen fähig!«

»Ja, ja, Susel«, erwiderte Borich. »Er hat sich getragen dich aus dem Kopf. Sein Leben dranzusetzen seiest du ihm doch nicht wert.«

»Das hat er gesagt?« wiederholte Susel.

»Und warum er der Spiegelguckerin nachlaufen sollte, hat er gesagt. Müßt' er doch tanzen, wie die Alte pfeift, hat er gesagt. Es ist aus, Susel, gräm' dich nicht länger um ihn – es hat nicht sein sollen.«

»Er wird anders über mich denken, wenn er hört, wie die Sach' zusammenhängt«, hielt sie entgegen. »Sag' ihm, daß ich nicht hab' kommen können; sag' ihm, daß ich zurückgehalten worden bin, daß man mir den Weg versperrt, mich förmlich gefangengehalten hat, daß andere auf ihn am Hollerbusch gelauert haben. Ich kenne die schlechten Menschen wohl und will, wenn's sein muß, öffentlich gegen sie zeugen. Sag' ihm, daß ich noch so gesinnt bin, wie vorher, daß ich zu ihm halte, fest, ohne Wanken, wenn er mich nicht verläßt in dieser Not. Sag' ihm, er soll kommen, sobald er kann, nicht hierher, sondern wohin er will, – ich komme auch und will ihm alles erklären, und dann soll er antworten, ob – – ob – – er Treue halten will. Tust du mir den Gefallen, Borich?«

»Warum denn nicht?« sagte Borich niedergeschlagen. »Für ein Schicksel wie dich, tu' ich alles, dir zu lieb' noch mehr, wenn du willst. Aber was hilft's dich? Er weiß ja doch, daß deine Leute es nie zugeben.« – –

Es fing schon an zu dunkeln; in Scheuer und Ställen ging man schon mit Laternen umher, als Borich im treibenden Schnee den Weg über die Höhen nach Münster einschlug.


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