Ernst Barlach
Fragmente aus früherer Zeit
Ernst Barlach

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Die Mädchen bei der Feldarbeit

Es grimmelt und wimmelt auf den Feldern, denn es ist Herbstsonnenschein, – wahrhaftiger Sonnenschein! Hat man je sowas gesehen: nicht ein Flecken Sonne, nein, versteht mich nur recht, eine ganze, große, löcherlose, wärmende, erheiternde Sonnenscheindecke lag über der Flur. Wenn ihr je sowas gesehen, so ist es ganz gewiß sehr lange her. Selbst der kleine Bach, der durch die Wiesen trödelt, war so blau, als ob der Himmel hineingestiegen wäre! Und die Rechen stelzten über die Felder, die Ochsen stampften und neigten die Stirnen gegen die Joche, die ältesten Männer erinnerten sich nicht, so gutes Erntewetter gehabt zu haben, und die kleinen Mädchen, die beieinander standen und flink das Heu zu Bergen türmten oder zu Vierecken ausbreiteten oder Gänge hindurchharkten, hatten knapp noch so viel Zeit, an Hans oder Christian oder Johann zu denken. Und das ist das äußerste Maß.

Daß die Arbeit so dick kommt, daß sie Johann oder Christian darüber vergessen könnten, das ist nicht möglich. Wenn man scharfe Augen hat und zusieht, wie eifrig sich die Arme strecken und beugen, wie anmutig und lebhaft die Zöpfe fliegen, wie die Schürze die hübschen Falten bald um die Röcke legt, bald vom Knie hinausgestoßen wird und flattert, wie der Rocksaum hinten auf der Wade des Beins liegt und vorn auf den Boden stößt, dann sieht man immer mit seinen scharfen Blicken zum Erstaunen, daß das Alles nur Theater ist und daß alle diese Dinge, diese Schürzen, diese Zöpfe, die Säume, diese Arme eigentlich ganz was Anderes vorhaben. Es ist wahrhaftig erstaunlich, was für Dinge unter all diesen saubergekämmten, glatten Haaren geboren werden, was für Pläne, was für Absichten und vor allem: was für Wünsche!


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