Ernst Barlach
Fragmente aus früherer Zeit
Ernst Barlach

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Friedrichroda geht zu Bett

Man kann wohl sagen, das Städtchen ist nicht schlecht gestellt, gemütlich, wie es sich in den Talwinkel hineinverkriecht, müde und wärmegierig an diesem kalten Regenabend im März, und die Talecke sieht ganz so aus, daß es sich da warm und behaglich ruhen läßt. Die ewig schlafenden Beester, die Berge, die da herumliegen und sich das ganze Jahr nicht rühren, haben noch ihre winterwarmen Tannenpelze, die halten warm, und wem sie erlauben, sich mit heranzudrängeln, der hat ein warmes, molliges, behagliches Lager. Und der Wind zerrt eine prallgeschwollene Bettdecke heran, eine Wolke, die ziehen sich die Berge über die Pelze dazu, und dann soll nur über der Wolke vorgehen, was mag! Wir drunten wollen diese Nacht im sanften Talbett und erwärmt von den Tannenpelzen der Berge ruhig schlafen und träumen. Wir sind müde und verfroren von den vielen Hagelwettern des Tags, und von dem Sturm am Vormittage liegts uns noch wie Eis in den Gliedern. Den Bergen hat er manches Haar ausgerissen! Die Wolke hat sich über uns gedeckt; sie ist nicht ganz kunstgerecht geschnitten und auch nicht mehr ganz heil, einige große Löcher hat sie, da scheint der fahle Schein des westlichen Himmels gelb hinein, und mehrere ungeheure Lappen hängen von dem Rücken der Berge zerrissen nieder und haben sich aufs Land niedergeklappt. Wenn Gotha sich nach der Decke zu strecken wüßte, es könnte auch noch mit unterkriechen. Allerdings ist die Wolke an den Rändern schon recht fadenscheinig, und wenn Gotha sich nicht sehr vorsichtig mit seinen zwei Schloßtürmen zu gebärden weiß, kann es leicht einen großen Riß in die Decke machen.


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