Ernst Barlach
Fragmente aus früherer Zeit
Ernst Barlach

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Der Frühling

Der Bach schäumt, wie schäumt er! Und die Häuser, die kahlen Baumgruppen mit ihren Wolken von kleinen, nackten Zweigen, die Felder, die Wiesen sind schwer und feucht und saftig; man hat das Gefühl, wo dies dunkelfarbige Gewimmel von toten und lebenden Gegenständen aufhört, da fängt der große, weite Himmel gleich an. Keine Verbindung, kein Verwaschen, kein Übergang von diesen dunkelbraunen, voll schwerer Feuchtigkeit gesogenen Dächern, Landstraßen, Wiesen mit dem Himmel, keine aufsprühenden Taubenschwärme, die den Himmel mit einer fliegenden Wolke bepunkten, kein Staub, kein Aufflimmern erhitzter Luft, kein Blätterrauschen ... Ja, auch der aus dem Schornstein fahrende Rauch, der aussieht, als triebe ihn gewaltiges ideales Verlangen gleich der Seele eines Philosophen, im All aufzugehen, selbst der Rauch wird von der feuchten Luft abgestoßen und fällt auf die Wiesen.

Gleich links im Dorfe bricht eine lehmige Fußbahn zwischen zwei Häusern durch, Bauernhäusern, von mehrerlei Gefüge, die Wetterseite hat eine sturmfeste Steinkante gekriegt, dagegen ist dann aber das Daraufliegende desto jämmerlicher; das Einzige, was man an dem viereckigen Grasgarten sehen kann, ist sein Zaun, denn drin ist nichts, rein nichts. Das ist so bei den Häusern, wo der Pfad links von der Dorfgasse abzweigt. In den anderen Gärten stehen Obstbäume, merkwürdig verkrüppelt. Oft hat der Stamm nie die Kraft gehabt, sich aufzurichten, oder ist es das Alter, das ihn gebeugt? Genug, er liegt glatt auf dem Rasen, und nur die Krone erhebt ihre Zweige ins Luftige.

Hinter den Häusern gehts aufwärts, Gänse stehen auf dem feuchten Anger mit watschelnden O-Beinen. Sie haben starke Hälse, die Schnäbel packen irgend was am Boden, und nun geht ein Recken und Zerren durch Hals und Leib bis zum Schwanze. Und nun schmiegt sich der Pfad gemütlich unter das weiche Unterholz von Erlen, er versteckt sich wie fröstelnd unter dies Gewirre von kleinen Zweigen, die ganze Gruppe ist von feuchtwarmer Luft umhüllt. Es ist so still, aber nicht totstill; man fühlt, in der Wärme und anschmiegenden Feuchtigkeit weben lebendige Kräfte, wie eine lebenziehende Salbe liegt die Luft auf allen Zweigen; milde beizt sie auch die Rinde, und ihr geheimnisvoller Schauer dringt tief hinein in die nervösen Blütenknöpfe. Die Erde duftet nach Sonnenträumen von tausend Pflänzchen, die leben und blühen wollen, aber ihre Keime liegen noch tief unten, im Schlafe und Traum, nach oben horchend und mit den gelben Spitzen nach Tageslicht blinzelnd.


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