Ernst Barlach
Fragmente aus früherer Zeit
Ernst Barlach

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Winterabend in Friedrichroda

Winter ists ja noch, aber allerlei frühlingshafte Gefühle liegen auf den Wäldern herum. Der Mond scheint, die Bäume stehen mit dem Fuße in einem dichten Netzwerk, das ist ihr eigener Schatten, der knotet ihn mit Zweiggewimmel in sich fest. Die Dörfchen haben sich die Schneedecke bis über die Ohren gezogen, aber mit ihren Lichtern blinzeln sie ganz lüstern in die Herrlichkeit hinein – von fern über den Bergrücken –. Im Tal rauscht der Bach, aufgeschwollen von der Schneeschmelze, aufgeregt ist er, er tut sich dicke mit seiner Reiselust, er poltert und kann nicht schnell genug das Tal hinter sich kriegen. Unruhig ist sein Ton da unten, aber die schwerschlafenden Wälder verzehren sein stoßweises Prahlen. In ihnen tönt [es] wie Schlummerlied, wie Traumsäuseln. Sie träumen schon vom Frühling, ihre Rehe mögen noch frieren, ihre Hasen krampfhaft mit den Hinterläufen nach dem Himmel hauen, ihre Bäche mögen noch vereist sein – sie träumen vom Frühling, und was für Torheiten sie da treiben wollen, sie träumen, sie träumen in der lauen, mondscheinenden Winternacht. Es ist ja nicht mehr lange hin, und der Winter macht kaum noch Ernst.

Der Dichter, der Waldgeschichte schreibt, sitzt schon auf dem Zaun und liebäugelt mit den blinzelnden Lichtern von Katterfeld.


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