Ludwig Aurbacher
Aus dem Leben und den Schriften des Magisters Herle, und seines Freundes Mänle
Ludwig Aurbacher

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Drei und dreißigstes Kapitel.

Die wiederholte Formel »die Fortsetzung folgt« wollte ihm freilich nicht behagen; denn er fürchtete mit Grund: es dürfte Mänle, auf den es eigentlich gemünzt war, bei diesen Unterbrechungen, weder den Anfang, noch die Mitte, am wenigsten den Schluß lesen. Er selbst aber freute sich um so inniger auf das folgende Blatt, da er nun das Ganze desto mehr in seinen Theilen gemächlich wieder genießen konnte; wie ein Kenner wohl auch, nachdem er den Totaleindruck eines Bildes aufgefaßt, die einzelnen Parthieen noch in's Besondere in's Auge faßt, damit ihm auch das Detail mit seinen Vortrefflichkeiten zum vollen Bewußtseyn komme. Der ersehnte Tag erschien; die Fortsetzung erfolgte.

Da, wie es schien, Mänle keine Notiz von dem Aufsatze genommen, der ihn allarmieren sollte, so wollte Herle selbst ihn endlich darauf aufmerksam machen, doch nur so im Vorbeigehen, andeutungsweise, mit dem Mienen- und Geberdenspiel des Gleichgültigen, des Antheilnahmlosen. Er steckte die Blätter, ohne noch erst den Schluß gesehen zu haben, zu sich, und eilte zum Freunde.

»Du liesest doch den Reichsanzeiger?« fragte Herle, ohne eine andere Redeeinleitung, als durch das beliebte: à propos!«

»»Ich halte ihn, erwiederte Mänle, aber ich lese ihn nicht, – ausgenommen die Ankündigungen, und diese nur, um gelegentlich nachzusehen, ob mich mein Vetter nicht etwa als Verschwender öffentlich ausschreibe.««

»Es sind aber doch mitunter lehrreiche Aufsätze darin enthalten, z. B. in den letzten drei Nummern.«

Er langte die Blätter aus der Tasche hervor, und überreichte sie dem Freunde.

»»Schulmeisters Freuden?! Schon der Titel ist eine Lüge.««

»So lies doch! lies vorerst.« drang Herle in ihn.

»»Albernes, plattes Zeug!«« murmelte Mänle in allen Variationen, indem er die Blätter mit flüchtigem Auge durchsah. »»Doch – fuhr er fort – um unser Urtheil nicht zu übereilen, wollen wir denn auch den »Schluß« ansehen, der wohl in der heutigen, so eben mir zugekommenen Nummer stehen wird.«« Indem er nun das Blatt aus seiner Tasche hervorzog, und dasselbe flüchtig durchsah, brach er in ein unbändiges Gelächter aus. »»Dieser Wisch – rief er – ist also von dir? vielleicht gar gegen mich, um mir nämlich die Augen fein auszuwischen?«« »Ach! – erwiederte Herle, verlegen – wie kommst du doch auf einen solchen Gedanken!« »»Da ist ja dein Name unterschrieben: Fidelis Herle.«« Der Schalk hatte es mit dem Redacteur, den er genau kannte, so eingeleitet, und den Spaß sich um so mehr erlaubt, da der gutmüthige, launige Ton den Freund auch dem Publikum von seiner guten Seite gar wohl schilderte. Aber nichts glich dem Entsetzen, das der Autor selbst empfand, als er sich in einem öffentlichen Blatte so in effigie ausgestellt sah. Eine unbeschreibliche Unruhe befiel ihn; und der Freund hatte alle Mühe, ihn einiger Maaßen zu beschwichtigen, zumal durch die Bemerkung, daß doch den Aufsatz Niemand gelesen habe, noch lesen werde, als Schulmeister, die sich eben an dem salbungsvollen Vortrag sehr erbauen werden. Herle aber schwur einen hohen Schwur, daß er kein Wort mehr in den Druck werde ausgehen lassen, in keinerlei Weise, zu keinerlei Zweck, von keinerlei Inhalt. »Dafür werden schon andere Leute Sorge tragen,« dachte sich Mänle, und schob schweigend die Blätter zu sich.


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