Ludwig Aurbacher
Aus dem Leben und den Schriften des Magisters Herle, und seines Freundes Mänle
Ludwig Aurbacher

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Vierzehntes Kapitel.

Der lebhafte Wunsch, sich einen Namen in der Welt zu erwerben, hätte ihn zu jeder, noch so trockenen, dürren, geist- und zeittödtenden Arbeit bewegen können. Daher nahm er keinen Anstand, das ihm von seinem Patron empfohlene Thema aufzunehmen; und er machte sogleich des andern Tags Anstalten zu seinen philologischen Studien.

Vor Allem ließ er sich ein sauberes Heft vom Buchbinder fertigen. . . Es gehört zu den eigenthümlichen Freuden eines Autors, ein unbeschriebenes, reines Heft vor sich zu sehen; es ist der Drang, die Sehnsucht des geistigen Erzeugens und Empfangens, die sein Innerstes erregen und erfüllen; eine Empfindung, die nur dem noch schönern Gefühle nachsteht, wenn er späterhin dasselbe Heft beschrieben und vollendet vor sich sieht, und das eben auch nur mit der reinsten Vaterfreude zu vergleichen ist.

Demnächst sann er auf den Anfang des Werkes, das ist, auf einen passenden Titel, der, wie ein Autor gesagt hat, vielleicht eben so schwer zu machen ist, als das Buch selbst. Er wollte aber, der sich in allen Dingen der Bescheidenheit befließ, seine gelehrt werden sollende Abhandlung, vor welcher das Colledium academicum erstaunen sollte, bloß ein »Tractätlein« nennen, gewiß nur aus Demuth, und ohne Anspielung auf jene Büchelchen, welche zur Erbauung des fromm gläubigen Volkes so emsig verbreitet werden.

Nachdem er die Dinte gereinigt und die Feder gespitzt hatte, schrieb er, mit kalligraphischer Künstlichkeit, den Titel, wie folgt:

Tractätlein

von

deutschen Schimpfwörtern.

Eine

dissertatio inauguralis pro gradu.

So fern der Titel das Werk in nuce ist, so war er damit fertig. Doch die Arbeit sollte eben erst beginnen. Um das Tüchtigste zu leisten, scheute er nicht die, für ihn allerdings bedeutenden Unkosten, den großen Adelung in vier Quartbänden sich anzuschaffen. Der Zufall wollte – ein für ihn glückliches Omen! – daß ihm das Werk, durch Vermittelung seines Freundes, um einen ermäßigten Preis in einer Versteigerung zufiel. Er hatte an diesem Sprachschatz eine Freude, als wenn er eine Braut heimzuführen hätte.

Nun saß er Tag und Nacht über diesem Werke. Anfangs zwar blätterte er nur zum Behuf seines speciellen Studiums, der Schimpfwörter wegen; allein – wie er denn in Allem, was er lernte und lehrte, die Bildung als Grund und Zweck gleichsam instinctmäßig verfolgte, – bald verweilte er bei jedem Artikel, und vertiefte sich in das Wort, dessen Erklärung und Erforschung, so daß er die Sprache überhaupt, wie ein geistiges Naturreich, beobachtend durchwanderte und ihre einzelnen Erscheinungen sich ganz deutlich zu machen suchte. Die einzelnen Schimpfwörter, die ihn denn hier und dort anprangen, erhaschte er zwar sorgfältig, und hinterlegte sie in seiner Sammlung; allein als die Hauptaufgabe seines Studiums galt ihm seine Muttersprache, die er bisher nur als etwas Ueberliefertes, Fremdes erkannt hatte, und die er nun als selbst Durchforschtes sich aneignen wollte. Es erging ihm hiebei, wie ungefähr jenen Alchymisten, welche, über ihren, sonst vergeblichen Beobachtungen und Versuchen, wichtige Entdeckungen und erfolgreiche Erfahrungen in der Chemie selbst machten.


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