Ludwig Aurbacher
Aus dem Leben und den Schriften des Magisters Herle, und seines Freundes Mänle
Ludwig Aurbacher

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Achtes Kapitel.

In wie freundlichen Berufsverhältnissen auch Herle lebte, so wenig sagten ihm die gesellschaftlichen zu, wie sie eben eine große Stadt zu biethen vermag. Es lebt da jeder für sich, durch das bunte Gewimmel und Getümmel sich hindurch drängend; und bei öffentlichen Lustbarkeiten, wo die Menge sehen und gesehen werden will, fand er zwar viele höfliche Leute, aber keinen Menschen, der sich ihm zutraulich annäherte. Er selbst konnte aber nur eine Gesellschaft anziehend halten, deren Mitglieder zu gegenseitiger Erheiterung und Bildung sich herbeilassen, wobei denn Standes- und Berufs-Unterschiede selbst nur förderlich einwirken können. Wie sehr vermißte er daher die angenehmen Abende, die er in seiner Vaterstadt inmitten ehrenhafter, lebensfroher, verständiger Männer zugebracht! Man erzählte sich da, was den Tag Neues vorgekommen, man scherzte über Vorfallenheiten des Lebens, man sprach belehrend und erheiternd über so manche Dinge, die in den Kreis des Handwerkes, des Haushalts, der städtischen Verwaltung fallen mochte. Denn alles Menschliche interessirt den Menschen, wenn es rein menschlich aufgefaßt und dargestellt wird.

Um so angenehmer war ihm die Begegnung eines alten Bekannten und ehemaligen Schulkameraden, Crispinus Mänle geheißen, den er von ungefähr in einem öffentlichen Garten traf. Er hatte ihn seit der Zeit, als er die Schule verlassen, aus den Augen verloren; wie denn jugendliche Freundschaften bei veränderten Verhältnissen leicht unterbrochen, wiewohl auch, wo sich Gelegenheit darbietet, wieder aufrichtig erneuert werden. Sie begrüßten sich herzlich, und erzählten einander, wie es ihnen bisher ergangen. Mänle hatte, nach zurückgelegten Gymnasialstudien die Universität bezogen, wo ihn sein Vetter, ein Antiquarius und Leihbibliothekar, gegen angemessene Dienstleistungen unterstützte. »Die Geschäfte, die mir der gebrechliche Mann aufbürdet, und die Vergnügungen, denen ich mich ernstlich unterziehe – sagte Mänle – lassen mir zu wenig Zeit übrig, um den Wissenschaften auch nebenbei zu leben. So bin ich denn noch jetzt Studiosus, hoffe aber, nachdem ich nun einmal ein bestimmtes Fach gewählt, nach einigen Jahren zu absolviren, und etwas Rechtes zu werden. Mein Vetter betrachtet und behandelt mich zwar als seinen präsumtiven Erben; allein die Leihbibliothek ist elend genug, und der antiquarische Schatz schwindet zum Theil durch meine Schuld; denn Bücherstaub, wie alle Welt weiß, macht einen trockenen Gaumen und viel Durst, und bei der Anlage, die ich ohnehin von Natur aus zum Nassen, zum Humor habe, verdoppelt sich das Uebel, das mir sehr zusetzt.«

Herle lachte, und lud ihn auf den Abend zu einem Glas Wein in sein Gasthaus. »Dieses Haus, versetzte Mänle, ist mir zu der Zeit noch verpönt, denn mein ehrlicher Name steht noch dort an dem Pranger, der Schuldtafel; bis morgen aber hoffe ich den Makel nebst den Annexen zu löschen, wo ich dann Mittags zu Diensten stehe.«


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