Ludwig Aurbacher
Aus dem Leben und den Schriften des Magisters Herle, und seines Freundes Mänle
Ludwig Aurbacher

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Siebentes Kapitel.

Der lebhafte, ja leidenschaftliche Ton, womit Se. Magnificenz diese Worte vortrug, mochte wohl seine Tochter, die sich in einem der nächsten Zimmer befand, zu der Meinung verführt haben, daß der Vater in einen ärgerlichen Zank gegen den Fremden gerathen sey. Um eine solche unangenehme Scene zu unterbrechen, trat sie in's Studierzimmer, und fragte: ob wohl der Papa nicht ein Glas Wasser befehle?

Beim Eintritt des Fräuleins stand Herle sogleich auf, und er betrachtete sie mit neugieriger, doch schüchterner Aufmerksamkeit. Unter den schwarzen, bauschig gelockten Haaren, both das länglichte, blasse Gesicht, das zudem männliche Züge hatte, wenig Anmuthiges dar. Aber ihre Taille war hübsch, und in dem weißen, reinlichen Hauskleide traten die Formen ihres schlanken Körpers reizend genug hervor.

Da der Vater ihre Frage mit kurzem »Nein« abfertigte, so machte sie sich selbst noch eine Weile in dem Zimmer an der Lampe zu schaffen, während sie dabei einige prüfende Blicke auf den jungen, schönen Mann hinschweifen ließ, der, wie es schien, ihr besonders Wohlgefallen erregte.

Herle nahm durch diesen Zwischenfall Veranlassung, sich zu entfernen. Er dankte Sr. Magnificenz für die erhaltene, lehrreiche Aufklärung und bat, ihm gütigst zu erlauben, daß er seine Besuche wiederholen dürfe; was mit Vergnügen zugestanden wurde. Das Fräulein begleitete ihn bis zur Thür, und er unterließ nicht, für diese Artigkeit mit vielen stummen Bücklingen zu danken.

Hatte die Unterredung mit dem Magnificus, der ihm als ausgezeichneter Gelehrter in seinem Fache allgemein gegolten, schon so ziemlich seinen Muth und den Vorsatz geschwächt, sich der Philologie zu widmen und zu einer Professur heranzubilden, so fand er seinen weitaussehenden Plan vollends unausführbar, als er, nach wirklicher Uebernahme seiner Classe, die Arbeiten und Pflichten seines Amtes ermaß, und die wenige, ihm noch übrige Zeit für andere Beschäftigungen in Anschlag brachte.

Denn, was hier wohl zu bemerken ist: er trieb sein Geschäft nicht als ein bloßes Handwerk, das eben seinen Mann ernähren sollte, sondern als wichtige, ja heilige Angelegenheit, auf die er all sein Sinnen und Trachten verwandte, oder doch mittelbar bezog. Auch fühlte er sich in der Schule, in der Mitte seiner Knaben, deren er eine große Anzahl hatte, recht wohl und behaglich. Er selbst besaß nicht nur eine treffliche Lehrgabe, die den Gegenstand faßlich und anziehend zu machen wußte, sondern er übte auch die Pflicht eines Erziehers, eines väterlichen Freundes, der die Herzen zu gewinnen, die Gemüther zu fesseln verstand. So waren ihm denn seine Schüler im höchsten Grade zugethan, und die Schulstunden, die einem lässigen Lehrer zur Qual werden, flossen ihm dahin voll reiner, unversiegbarer Freuden.

Indem wir aber hiermit so wahr als warm sein Lob aussprechen, können wir nicht umhin, zugleich eine seiner Grillen zu erwähnen, welche uns einigen Zweifel an seinem Verstande erregen müßte, wenn wir ihn nicht so genau kennen würden. Es stand ihm nämlich der Titel »Präceptor« nicht an, und er wünschte, lieber »Magister« genannt zu werden; ja, jenes Wort widerte ihn eben so sehr an, als früher das ihm unausstehliche »Lehrer;« wogegen ihm »Schulmeister« recht behaglich in's Ohr und in's Herz klang. Er wußte darüber viele und wichtige Gründe vorzutragen, die er denn bei jeder Veranlassung vorzutragen nicht müde wurde; mit deren Aufzählung wir jedoch unsere Leser nicht behelligen wollen; den eigentlichen Grund aber dieser seiner Idiosynkrasie, eine gewisse Ehr- und Titelsucht, verschwieg er sich und Andern gar wohl. Seine Schüler, die schlau genug waren, um ihm bald diese Schwäche abzumerken, unterließen von nun an nicht, ihn als Magister, d. i. lateinischen Schulmeister zu begrüßen, welche Aufmerksamkeit er ihnen denn hoch anschlug. Und so haben denn auch wir, aus freundschaftlicher Rücksicht, ihn auf unserem Titel – nicht aber im Werke selbst, um der Wahrheit willen! – als Magister figurieren lassen zu müssen geglaubt.


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