Ludwig Aurbacher
Aus dem Leben und den Schriften des Magisters Herle, und seines Freundes Mänle
Ludwig Aurbacher

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Neun und zwanzigstes Kapitel.

Zum nähern Verständniß der letzten Worte führte ihn ein Billet, das ihm der Rector alsbald nachsandte. »Nach dem – hieß es, – was zwischen ihm (Herle) und seiner Tochter vorgefallen, werde er wohl selbst fühlen, daß alle fernern Besuche unterbleiben müßten. Die bewußte Dissertation anlangend, rathe er ihm um so mehr zur Unterschlagung derselben, da der Appendix, den seine Tochter zu veröffentlichen gedroht, dem collegio academico selbst, als bestellten Richteramte, zu Schand und Spott gereichen würde. Er seinerseits möchte auf die intendirte Auszeichnung schon aus dem Grunde nicht antragen, weil der Verfasser notorisch aller gelehrten Vorbildung, d. i. der griechischen Sprache und Literatur ermangele.

 

Meine gefühlvollen Leser werden ohne Zweifel mit Bedauern unsern Freund sich vorstellen, wie er, in diesem furchtbaren Momente, der, wie ein Weltgericht, plötzlich seine Plane zertrümmerte und vernichtete, sich der trostlosesten Verzweiflung hingegeben. Dem war aber nicht also. »Da hast's!« sagte er, als er das Billet gelesen, und lachte laut auf. Er hatte dieselbe Empfindung, wie ein Erwachender aus einem Traume, der ihn geneckt und gegeckt; er gräbt nach einem verborgenen Schatze; er mühet und windet sich durch verworrene Gänge; er ist endlich seinem Glücke nahe; er greift darnach, und hält nun, indem er erwacht, – den Bettzipfel in seiner Hand.

Glücklich derjenige, der so träumt! und noch glücklicher, der über die Täuschung des Traumes und des Lebens noch so lachen kann, wie unser Freund!

Er betrachtete sein Heft, das Document seiner thörichten Wünsche und vergeblicher Mühen und Sorgen. Er lächelte, indem er's durchlas. »Und doch! – sagte er – War nicht vielleicht gerade dieses gelehrte Irrsal in meines Lebens Gange nothwendig, um mich zur Natur, zur Einfalt, zu mir selbst zurückzuführen? Es ist kein Schritt, kein Versuch vergebens, den der strebende, irrende Mensch macht. Kein Weg führt gerade zum Ziele; und wenn man einen Berg hinan will, muß man oft mitunter bergab steigen, um dessen Gipfel zu erreichen. Gegen Irrthum aber schützt nur der Irrthum, und die Wahrheit erkennen wir vollends nur an dessen Gegentheil, der Lüge. Wohl mir, daß ich sie so bald und noch zur rechten Zeit erkannt habe!«

In dieser ruhigen, ja fröhlichen Stimmung traf in sein Freund Mänle. . . Der Glückliche ist offenherzig, und hat kein Hehl gegen Freunde, die, ohne sich aufzudringen, gerade so viel Antheil nehmen, als man ihnen gewährt. Herle erzählte ihm den Verlauf der ganzen Geschichte; er verschwieg nicht die Pläne, die er gehabt, die Mittel die er angewandt, all die Thorheiten, die er begangen; es war ihm eine Herzenserleichterung, wie jenem, der aufrichtig seine Sünden bekennt. »Und damit du siehst – schloß er seine Beicht – daß es mir wirklich Ernst sey mit meiner Reue, so will ich sogleich zur Buße schreiten in deiner Gegenwart.« Indem ergriff er das Heft und alle dahin beziehlichen Papiere, um sie in das Feuer zu werfen.

»Thor aller Thoren! rief Mänle, und riß ihm die Blätter aus der Hand. Willst du, gleich einem Kinde, den Zorn an dem Stein auslassen, über den du gefallen? Oder die Beule, die du dir geschlagen, dadurch heilen, daß du den Kopf gegen die Wand rennst? Und wenn es doch Narrheit wäre, was du gethan, glaubst du sie ungeschehen zu machen durch eine noch größere Narrheit? Nein, mein Freund! Diese Blätter, die Blüthen philologischer Studien sollen bewahrt, erhalten werden, als Zeugnisse, wie gründlich tief und wurzelreich der Baum deiner Erkenntniß gewesen.«

»Thue damit, was du willst – sagte Herle – nur daß sie mir aus dem Gesichte kommen auf immerdar! Man kann wohl noch über ein Fratzenbild lachen, das frischweg aus der Hand eines Pins'lers gekommen; aber man wird es nicht auf- und ausstellen, sich selbst zum Aerger und Andern zum Gelächter.«


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