Ludwig Aurbacher
Aus dem Leben und den Schriften des Magisters Herle, und seines Freundes Mänle
Ludwig Aurbacher

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Drittes Kapitel.

Die Beweggründe, die unsern Freund vermocht haben, seine Vaterstadt zu verlassen, und eine Lehrstelle am Sitze der Universität zu übernehmen, werden dem Leser einleuchten, wenn er dessen frühere Lebensverhältnisse und die Hoffnungen, die er in die Zukunft setzte, genau kennen gelernt und gehörig erwogen hat.

Der Sohn eines Schulmeisters, sollte der talentvolle Knabe, von wohlwollenden Bürgern seiner Vaterstadt unterstützt, sich für den gelehrten Stand ausbilden; und er besuchte mehrere Jahre hindurch mit glänzendem Erfolg das Gymnasium in **. Als er so eben, ein fünfzehnjähriger Jüngling, in eine höhere Lehranstalt übertreten wollte, wurde sein wackerer Vater von einem unheilbaren Uebel befallen, welches ihn für immer zum Schuldienst unfähig machte. Ein Gehülfe sollte genommen und von dem ohnehin kärglichen Jahresgehalte bezahlt werden. Da faßte der Sohn den großmüthigen Entschluß, seine Studien zu verlassen, um seinem kranken Vater Beistand zu leisten. Auch stand er, als Schulverweser, seinem Amte vor bis nach des Vaters Tode, mit einem Eifer und mit einem Geschick, daß er – laut amtlicher Zeugnisse – die Achtung seiner Vorgesetzten, das Zutrauen der Aeltern, die Liebe der Kinder im höchsten Grade erwarb.

Besonders hochgeschätzt und gern gesehen war er im Posthause, das ihm von jeher, wie das väterliche, offen gestanden. Der Posthalter, ein verständiger, heiterer und wohlwollender Mann, kannte und liebte den Knaben, den Jüngling, und wußte, welch ein Kleinod die Gemeinde an ihm besäße, weßhalb er auch Alles aufbot, um ihn der Schule zu erhalten. Bärbchen, seine Tochter, nun ein fünfzehnjähriges, hübsch aufblühendes Mädchen, seitdem sie die Schule verlassen, erhielt täglich von ihm Hausunterricht; und das liebe Kind hatte sich nach Geist und Gemüth so sehr an ihn herangebildet, daß sie ohne Beziehung auf ihn nichts mehr denken und fühlen konnte; daher sie denn auch sonst wohl, wo sich Gelegenheit both, sich an ihn drängte, und jedes lehrreiche und liebwerthe Wort aus seinem Munde tief zu Gemüth führte.

Ungeachtet dieser angenehmen Verhältnisse, die ihm die Gegenwart both, konnte er doch nicht, zumal seit dem Tode seines Vaters, jene glänzende Zukunft aus dem Auge verlieren, die ihm in jenen frühern Jahren eine Aussicht in den gelehrten Stand eröffnet hatte. Er achtete zwar den Beruf eines Volksschullehrers, er liebte die Jugend mit einer seltenen, ja väterlichen Liebe, und er fand selbst in den Elementargegenständen Umfang und Inhalt genug, um einen denkenden Mann, der zugleich bildend verfahren will, vollauf zu beschäftigen. Allein das Ideal seines Lebens und Strebens, das er seit jener Zeit in sich getragen, war nichts Geringeres, als das Höchste im Gebiete der Gelehrsamkeit: der akademische Lehrstuhl und der akademische Grad. Der Ehrgeitz nach einer solchen Auszeichnung war seine schwache Seite, welche uns um so auffallender erscheinen muß, da gerade seine schlichte Einfalt, sein stilles, redliches Leben und Streben, sein ganzer, echt bürgerlicher Charakter, abgesehen auch von allen Kenntnissen, ihn am mindesten zu einer solchen öffentlichen, ostensibeln Stellung zu befähigen schienen.

Wohl jeder strebende junge Mensch trägt und nährt den Trieb zu irgend einer falschen Richtung in sich, und nichts ist gewöhnlicher, als daß man die Neigung zu irgend einer Kunst oder Wissenschaft für den Beruf selbst hält. Herle hatte sich einmal die glänzende Höhe des akademischen Lebens als Zielpunkt gestellt, und seinem Talente und Eifer schien nichts im Wege zu stehen, das ihm den Zugang dahin verhindern könnte. Deßhalb, und weil er doch nicht, der schon als Lehrer gedient, nun als Schüler wieder eintreten sollte, hatte er sich um eine untergeordnete Lehrstelle an oder vielmehr neben der Universität beworben, verhoffend, er werde neben seinen Berufsgeschäften Zeit und Gelegenheit genug finden, um sich nach unvorschreibbaren Jahren zu einer außerordentlichen Professur der Philologie heranzubilden.


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