Ludwig Aurbacher
Aus dem Leben und den Schriften des Magisters Herle, und seines Freundes Mänle
Ludwig Aurbacher

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Vier und zwanzigstes Kapitel.

»Sey kein Zierbengel, Philolog! Warum nicht die Namen nennen, wenn du sie selbst nicht nennest beim Namen?« Also sprach Herle für sich, indem er drum und dran war, weibliche Schimpfnamen, deren er eine Menge gesammelt vor sich liegen hatte, in sein Cahier einzutragen.

Einerseits fand er es bedenklich und unziemlich, Schimpf und Spott gegen das andere Geschlecht aufzuzeichnen und durch die Schrift gleichsam zu verewigen. Es ist einmal, sagte er, zugleich das schwache und das schöne Geschlecht; als jenes, von der Natur schutz- und trutzlos, ohne alle Waffe geboren (an die weibliche Zunge und Kralle dachte Herle dabei nicht), bedarf, verdient und verlangt es unsere Schonung und Achtung; und als dieses erträgt es ohnehin nicht, so wenig als der reinste Spiegel, irgend einen Makel, und leidet sehr daran, wenn auch der geringste Fleck die weibliche Ehre beschmutzt.

Anderseits erwog und bedachte er, daß die Schimpfnamen gegen die Weiber meistens eben nur von Weibern ersonnen und gebraucht werden, sie, die doch am besten wissen müßten, was an ihnen sey. »Und dann – fragte er sich – verschonen etwa die Weiber uns Männer mit dergleichen Spitz- und Witznamen? und dürfen wir nicht Gleiches mit Gleichem vergelten? Worte mit Worten abwehren? Mich dünkt, mit vollem Recht, und unbeschadet der Ehre, die dem Geschlecht gebührt. Doch hievon kann hier, in meinem Tentamen, keine Rede seyn, ob Schimpfwörter beschimpfen oder nicht. Der Philolog hat es, wie der Historiker, bloß mit Thatsachen zu thun; diese stellt er wahr und einfach dar, nach Wissen und Gewissen, und kümmert sich übrigens wenig und nichts um ihren Gebrauch und Mißbrauch.«

Ungeachtet dieser plausiblen Gründe, die ihm der nüchterne Verstand vorhielt, mahnte ihn doch sein reines, natürliches Gefühl ab, jene argen und ärgerlichen Schimpfwörter gegen die Tugend und die Ehre der Frauen, in sein Verzeichniß aufzunehmen, obwohl ihm die deutsche Sprache, zumal die Mundart, eine Menge Synonymen darbot. Ja selbst sogar das Wort »Hure,« das doch in ganz Deutschland gäng und gebe ist, wollte er nicht in sein Tractätlein einschreiben, ungeachtet er, wie er sich wohl gestand, Gefahr lief, daß das collegium academicum die Dissertation so fern als mangelhaft und minder gut bezeichnen dürfte.

»Aber – sagte er zu sich – was brauch' ich mich zu scheren, und die Weiber zu schonen in den andern und übrigen Schimpf- und Spottnamen, deren sie sich schuldig machen? Habeant sibi! Die Faule, Plumpe, Schmutzige, heiße immerhin Lampinn, Lodel, Schlamp, Schumpel; die Geschwätzige: Klatsche, Räthsche, »Schneppepper;« die Mürrische: Muchtel, Raffel; die Modesüchtige: Docke, Allerweltsdocke; die Vorschnelle und Flüchtige: Rausche-Bausche, Raschel (»die Ruschlige« sagt Göthe); die Allzugeschäftige: Haus-Grusel, Haus-Urschel; eine alte »Grätige, Gräntige und Häntige:« Runkunkel u. s. w. Alle diese Reden sind, zumal im Munde der Weiber, keineswegs ehrenrührig, sondern wohlanständig – wenn sie eben nur anstehen. Ein Mann aber, wenn er doch, der Hausordnung wegen, Schimpfwörter lediglich braucht, kann mit den zweien auslangen: Drud' und Hex'

Zartsinnige Leserinnen mögen es mir, dem Biographen, zu gute halten, wenn ich, ohne das Paragraphzeichen als Warnungstafel voranzustellen, sie gegen ihren Willen in und durch dieß Dornengehege geführt und sehr verletzt habe. Aber warum lesen sie überhaupt eine solche Geschichte?


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