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Der Werbeoffizier von Heyden in Ulm.

Am 30. September des Jahres 1754 kam ein junger Mann von etwa 20 Jahren über die Donaubrücke nach der alten Reichsstadt Ulm. Er hieß Josef Flad und war aus dem Oberamt Spaichingen. In seiner Begleitung war ein anderer junger Mann. Die beiden waren Studenten der damaligen Universität Dillingen und reisten in die Heimat. Als sie das altertümliche, jetzt abgebrochene Herdbruckertor durchschritten hatten, wendeten sie sich links und kehrten in dem Wirtshaus zur goldenen Sonne in der Herdbruckergasse ein. In diesem Gasthof wohnte damals der preußische Werbeoffizier Hans von Heyden. Er war eifrig bemüht, seinem König möglichst viele Rekruten zu liefern, wobei es ihm nicht darauf ankam, List und Gewalt anzuwenden. Bald setzte sich auch der Offizier an den Tisch, an dem die Studenten Platz genommen hatten, und knüpfte ein Gespräch mit ihnen an. Gelegentlich bemerkte er, Flad solle Soldat werden; er habe nirgends bessere Aussichten als beim preußischen Militär. Er bot ihm 200 Gulden Handgeld. Flad ging auf dieses Anerbieten nicht ein; aber im Weggehen sagte er, er wolle sich besinnen, wenn er aus der Vakanz zurückkehre, werde er sich vielleicht dazu entschließen. Nach sechs Wochen kam Flad wieder nach Ulm. Es war am 21. Oktober, als er wieder in der Sonne einkehrte. Der Bediente des Offiziers, mit Namen Bock, meldete sogleich seinem Herrn, daß der lange Dillinger Student wieder da sei. Bis aber Heyden herunterkam, war Flad schon weg. Der Offizier schickte schnell nach einem Kutscher und fuhr mit einem Neuangeworbenen und seinem Bedienten dem Studenten nach. Dieser wurde bei der Pfuhler Kapelle eingeholt. Heyden fragte ihn, ob er nicht mitfahren wolle; Flad lehnte es höflich ab. Da sprangen Bock und der andere herab, packten den Studenten und zogen ihn, trotz seines Sträubens und Hilferufens, in den Wagen. Heyden steckte ihm sein Taschentuch in den Mund und ließ den Kutscher auf einem Feldweg gegen den Wald fahren. Plötzlich wurde Flad ganz ruhig. Als Heyden nach ihm sah, war er eine Leiche. Heyden ließ den Toten im Gebüsch verstecken und abends verscharren. Der Kutscher wurde mit Geld gewonnen zu schweigen. Es dauerte drei Wochen, bis die Sache ruchbar wurde. Als die Mutter hörte, daß ihr Sohn nicht angekommen sei, reiste sie sogleich nach Ulm. In der Sonne hörte sie von dem Verkehr ihres Sohnes mit dem preußischen Werber und zweifelte nicht mehr daran, daß ihr Sohn unter das Militär gesteckt worden sei. Sie wandte sich an den Bürgermeister, der eine Untersuchung veranlaßte. Die Antwort Heydens fiel sehr unbefriedigend aus. Er wurde nun in sicheren Gewahrsam in den Neuen Bau gebracht, erklärte aber, als preußischer Offizier gebe er nur seinen militärischen Vorgesetzten Antwort. Seinen Bedienten hatte man krumm schließen lassen, und nach 14 Tagen rückte dieser mit der Wahrheit heraus. Die Leiche wurde gefunden. Heyden wurde vor dieselbe geführt, blieb aber dabei, daß er nicht wisse, wer der Gestorbene sei. Aber der Kutscher und die Köchin in der Sonne erkannten Flad. Der König von Preußen forderte den Rat wiederholt auf, Heyden auszuliefern; es werde ihm beim Regiment der Prozeß gemacht werden. Allein vom Reichshofrat in Wien kam der Beschluß, daß der Stadtrat die Untersuchung fortzusetzen, die Akten an eine unparteiische Universität zu schicken und das eingehende Urteil zu vollziehen habe. Das Gutachten der Tübinger Hochschule erklärte den Stadtrat zuständig, das auf seinem Gebiet begangene Verbrechen zu untersuchen und abzuurteilen. Der Rat wurde von zwei Seiten gedrängt. Friedrich der Große stellte die ernstesten Maßregeln in Aussicht. Von Wien wurde der Stadtrat aufs neue angewiesen, die Untersuchung schnell zu Ende zu führen. Monat um Monat verging mit dem Hin- und Herberichten. Heyden war durch die lange Gefangenschaft ganz melancholisch und krank geworden. Da, am Morgen des 17. Jan. 1756 war der Käfig im Neuen Bau leer. Heyden war fort. Wie es mit dieser Flucht gegangen, ist nicht klar. Dem Magistrat war sie wohl nicht unangenehm. Der preußische König wies Heyden an sein Regiment, das in Stendal lag. Hier wurde er zu einjähriger Festungsstrafe verurteilt. Noch in demselben Jahre zog er bei Ausbruch des Siebenjährigen Krieges ins Feld und fand am 19. Dezember 1757 bei der Belagerung von Breslau seinen Tod.

 

Nach der Ulmer Chronik von E. K.


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