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Mittelalterliche Rechtspflege

Die Rechtspflege im mittelalterlichen Ulm war wie überall grausam. Ein Zuchthaus zu längeren Freiheitsstrafen gab es nicht; dagegen wurde die Todesstrafe sehr oft angewendet, nicht nur bei Mord und Totschlag, sondern auch bei Brandstiftung, Unterschlagung und Diebstahl. Das eigentliche Hochgericht war auf dem Galgenberg; 1619 wurde auch auf dem Heumarkt beim Rathaus ein Galgen errichtet. Andere Strafen waren das Stehen am Pranger, Abschneiden der Ohren, Ausweisung aus dem Stadtgebiet, wobei manchmal der Ausgewiesene vom Henker am Strick hinausgeführt wurde, indem einer zwei metallene Becken aneinander schlug, um die Aufmerksamkeit zu erregen. Häufig wurde die Folter angewendet. Um den Qualen zu entgehen, gestanden viele eine Schuld und ließen sich lieber unschuldig hinrichten. Ein solcher Fall hat sich in Ulm 1503 zugetragen.

Ein braver Mann, namens Bürglen, Besitzer einer Mühle, wurde verhaftet, weil in einer Truhe in seinem Haus zwei Leinwandstücke gefunden worden waren. Diese hatte ein fremder Mann gestohlen und sie dahin gelegt, weil er es nicht wagte, sie im Augenblick zum Tor hinauszutragen. Bürglen wurde gefoltert und gestand, daß er die Stücke gestohlen habe. Er wurde zum Tode verurteilt. Als er auf der Leiter stand, rief er: »Ich sterbe so gewiß unschuldig, als der Herr Christus unschuldig am Kreuz gestorben ist.« Der wirkliche Täter wurde nicht lange nachher wegen allerhand Diebstählen in Weißenhorn hingerichtet und hat vor seinem Tod bekannt, daß er auch den Diebstahl in Ulm begangen und den Bürglensmüller habe selbst hinrichten sehen.

1543 wurden in Ulm fünf Personen, Vater, Mutter, Sohn, Tochter und Tochtermann, miteinander ertränkt, weil sie messingene Ketten gemacht und für goldene verkauft haben.

Aus dem Jahre 1550 berichtet der Chronist:

Es war ein Torwart am Frauentor, den legte man in den Turm. Da bekannte er, daß er den Herren viel vom Zoll hätt' gestohlen und den Diebstahl länger denn Jahr und Tag getrieben. Also ward er verurteilt zum Tod und führt man ihn hinaus am Morgen zwischen 7 und 8 Uhr, der 24. Tag im März ist es gewesen. Er war ein armer Mann leibeshalber, denn er hatt' einen krummen, lahmen Fuß, daran ein eiserner Stelzen war. Wie er nun hinausstelzet, da gingen manchem Menschen die Augen über, denn er erbarmte die Leut. Es ging ein groß Volk mit ihm hinaus, wie ich es kaum mein Lebtag gesehen hab. Ich denk, es hab viel Leut der Fürwitz hinausgetrieben, wie er mit der Stelze woll hinaufkommen. Also hat man eine neue Leiter gemacht, denn die alte war verfaulet, daß man besorgte, sie würde mit ihm brechen, denn er überaus ein starker Mann war. Da half ihm der Henker, bis er hinaufkam. Es war erbärmlich anzusehen; er erbarmte mich von Grund meines Herzens, daß mir die Augen übergingen. Wie er nun über die Leiter hinabkam, war er gleich tot. Da ging jedermann wieder heim.

1627 ist ein Weib wegen Diebstahl auf den Pranger gestellt und darauf mit Ruten gehauen worden. Weil man aber dem Henker befohlen, sie nicht zu schonen, hat er so zugehauen, daß sie am andern Tag im Söflinger Wäldchen tot gefunden wurde.

1629 ist eine Feuersbrunst in der Krone ausgebrochen. Einem Fremden, welcher daselbst logierte, wurde eine Reisetruhe mit allerhand wertvollen Sachen bei dem Brand entwendet. Ein Zimmermann, der beim Löschen mitgeholfen hatte, wurde als des Diebstahls verdächtig eingezogen. Er wurde hart gemartert, hat aber nichts gestanden. Da hat man ihn auf vier Jahre aus Stadt und Land verwiesen. Es wurde ihm und seinem Weib alles verkauft, um dem Fremden seinen Schaden etwas zu ersetzen. Nach zwei Jahren hat ein Soldat gestanden, daß er die Truhe bei dem Brand in der Krone gestohlen habe.

 

E. K.


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