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Drei Bilder aus dem Bauernkrieg.

 

I. Ermordung des Grafen von Helfenstein zu Weinsberg.

Der Wirt Jakob Rohrbach, genannt Jäklein, von Böckingen war im Jahre 1525 der Anführer der aufrührerischen Bauern im Unterlande. Gegen ihn schickte die Regierung in Stuttgart – Württemberg war nach der Vertreibung des Herzogs Ulrich im Jahre 1519 durch Kauf an Österreich gefallen – den Grafen Ludwig von Helfenstein. Mit 16 Rittern und 60 Knechten traf der 27 jährige Graf kurz vor Ostern in Weinsberg ein. Jäklein hielt sich mit seinem Anhang gerade in dem benachbarten Neckarsulm auf. Dort empfing er die Botschaft des Grafen, welcher ihn und die Bauern aufforderte, sogleich in ihre Wohnungen heimzukehren, oder er werde ihnen ihre Weiber und Kinder nachschicken und ihre Dörfer verbrennen. Zugleich gelang es dem Grafen, einen Nachtrab Jäkleins zu überfallen und hier und bei anderen Gelegenheiten viele Bauern zu töten. Diese Vorgänge raubten ihm das Vertrauen der Weinsberger Bürger und erbitterten die Aufrührei im höchsten Grade.

Der Neckarsulmer Beschluß lautete: »Nach Weinsberg, nach Weinsberg! Dort wollen wir die Ostereier holen.« Eine heimliche Warnung mißachtete der Graf; das »Bauerngesindel« fürchtete er hinter den festen Mauern von Weinsberg nicht. Die Tore waren ja gut verschlossen und bewacht. Trotzdem gelang es eines Weibes List hinauszukommen und Jäklein die Mitteilung zu überbringen, ihm werde ein Pförtlein der Stadt geöffnet.

Das Osterfest sollte die Entscheidung bringen. Der Graf und verschiedene Ritter hatten den Morgengottesdienst besucht. Da wurde ihnen um 9 Uhr in der Kirche gemeldet, die Bauern seien da, der Weibertreue gegenüber auf dem Schemelberg. Zwei Herolde, erkennbar an einem Hute auf einer langen Stange, kamen zur Stadt herab und forderten vor dem untern Tore die Stadt zur Übergabe auf. Dietrich von Weiler, ein übermütiger Rittersmann, der gerade anwesend war, hielt es für eine Schande, mit den »Roßmucken«, wie er die Bauern verächtlich nannte, zu verhandeln und antwortete ihnen mit einigen Kugeln, so daß der eine schwer verwundet abziehen mußte.

Bis jetzt standen die Bauern noch ruhig da in drei Haufen. Ihre Anführer hofften, man werde endlich ihnen gegenüber das Kriegsrecht achten, da ihre Sache doch eine gerechte sei. Als aber ihre Abgesandten so zurückkehrten, da gab es kein Zaudern mehr. Von allen Seiten ging es auf die Stadt zu, und um 10 Uhr war sie schon erobert, ein großer Teil der Adeligen bereits getötet oder in Gefangenschaft geraten. Zu den letzteren gehörte auch der Graf von Helfenstein.

Ware es nach der Mehrzahl der Bauern gegangen, so hätten die gefangenen Ritter Gnade gefunden. Man hoffte noch immer, den Adel günstig zu stimmen und auf diese Weise die Befreiung des Volkes von den Fronarbeiten, dem Wildschaden, den maßlosen Steuern und dem Zehnten herbeizuführen. Jäklein hatte andere Gedanken. Sein Trachten war, dem Adel Entsetzen und Furcht einzujagen. Wahrend nun der größte Teil der Sieger plünderte oder in den Wirtshäusern zechte, beschloß er im engsten Kreise, alle Gefangenen durch die Spieße zu jagen, d. h. sie zu erstechen.

Ein schöner Wiesenplan auf der Südwestseite der Stadt wurde als Richtstätte ausersehen. Dort standen zwischen 10 und 11 Uhr der Graf von Helfenstein und 13 Ritter sowie mehrere treue Knechte gebunden und gut bewacht im Kreise und hörten ihr Todesurteil an. Kein Auge in der Runde ließ auf Mitleid schließen. Jeder Blick schien zu sagen: Rache! Wiedervergeltung! Da eilte die Gräfin von Helfenstein, eine Tochter des Kaisers Maximilian, welche als Gefangene von der Burg Weibertreue herabgeführt wurde, herbei, warf sich vor Jäklein auf die Knie, hielt ihm ihr Kind entgegen und bat flehentlich um Gnade für den Vater und Gatten. Aber weder ihre Tränen noch ihre Schönheit rührten die harten Herzen. Sie stießen die Kaiserstochter zurück und verletzten »das kleine Herrlein« mit einem Spieß. Endlich bot Helfenstein noch ein Lösegeld von 30 000 Gulden; aber Jäklein erwiderte: »Und gäbst du uns zwei Tonnen Goldes, so müßtest du doch sterben!« Auf Jäkleins Befehl bildeten die Bauern nun eine Gasse und streckten ihre Spieße vor. Die Trommel wirbelte und unter den Kommandorufen eines Hans Winter trat einer um den andern in die todbringende Gasse ein, um in derselben nach wenigen Schritten niederzusinken. Graf Ludwig von Helfenstein kam als dritter an die Reihe. Noch wenige Minuten vor seinem Tode sollte er deutlich erkennen, daß Undank der Welt Lohn ist. Melchior Nonnenmacher, ein Musikant aus Ilsfeld, stand früher so in seiner Gunst, daß er öfters bei Tische erscheinen und Tafelmusik machen durfte. Seit seiner selbstverschuldeten Entlassung hatte er ihn nicht mehr gesehen bis in dieser ernsten Stunde. Nonnenmacher trat an den Grafen heran, nahm ihm den Hut vom Kopfe, schmückte sich selbst damit und sagte höhnisch: »Das hast du nun lange genug gehabt; ich will auch einmal ein Graf sein. Lange genug hab' ich dir zu Tanz und Tafel gepfiffen, jetzt will ich dir erst den rechten Tanz pfeifen.« Mit diesen Worten schritt er vor ihm her und blies lustig die Pfeife bis an die Gasse. Schon beim dritten Schritt in der Gasse stürzte der Graf zu Boden; die Bauern hatten die Spieße sicher geführt. Selbst der Leichnam des Grafen wurde verhöhnt und mißhandelt, besonders von Nonnenmacher und der schwarzen Hofmännin aus Böckingen.

Jäklein Rohrbach legte auf kurze Zeit die Waffenkleidung des ermordeten Grafen an und trat dann vor die Gräfin mit den Worten: »Frau, wie gefall ich Euch jetzt?« Voll Entsetzen wandte sich diese ab; doch mußte sie es geschehen lassen, daß raubgierige Hände ihr das Geschmeide und einen Teil der Kleider wegnahmen. Hierauf setzte man sie mit ihrem Sohn auf einen Mistwagen und schickte sie nach Heilbronn. Beim Wegfahren riefen sie ihr nach: »In einem goldenen Wagen bist du nach Weinsberg eingefahren, in einem Mistwagen fährst du hinaus.«

 

Nach Jäger, Dillenius und Zimmermann von G. A. B.

 

II. Die Plünderung des Deutschen Hauses in Heilbronn.

Nach der Weinsberger Greueltat wollten Jäklein mit den Bauern das Deutsche Haus in Heilbronn, das jetzige Landgerichtsgebäude, heimsuchen. Dasselbe lag aber hinter dem Graben und den festen Mauern der alten Reichsstadt. Zudem war der Rat nicht gewillt, den Bauern die Tore zu öffnen, obwohl sie einen starken Anhang unter der Bürgerschaft hatten. Der Rat forderte sogar die Bürger auf den Marktplatz und ließ da den unruhigsten die Köpfe vor die Füße legen, andere mit Ruten streichen und vor die Stadt hinauswerfen. Statt aber die Aufregung zu ersticken, wurde durch ein solches Vorgehen nur Öl ins Feuer gegossen. Die Unzufriedenheit in der Stadt stieg, und die Drohungen Jäkleins lauteten immer bestimmter. Die Ratsherren schickten nun den Bauern Brot und Wein vor die Stadt hinaus, soviel sie wollten, um sie zu beschwichtigen. Aber diese verlangten die Öffnung der Tore mit dem Bemerken, sie suchen nur die ihnen übelgesinnten Geistlichen und ihre Feinde im Deutschen Haus. Jäklein hatte nicht umsonst gedroht; er erreichte sein Ziel. Die Tore wurden geöffnet, und die Klöster und das Deutsche Haus mußten einen Teil von dem zurückgeben, was sie dem Schweiß der Bauern verdankten. Jäklein hielt sein Wort; das Eigentum der Bürger durften die Bauern nicht antasten. Dagegen nahm er den Klöstern bedeutende Geldsummen ab und erlaubte die Plünderung des Deutschen Hauses.

Die Bauern hatten zunächst ein großes Verlangen nach dem Verwalter, den sie als Einnehmer des Zehnten usw. kannten. Aber dieser war, nichts Gutes ahnend, bei der ersten Gefahr nach Heidelberg entwischt. Mit unbeschreiblicher Wut und Freude ging's nun an »die Arbeit«. Die Bauern, die seither Verpflichtungen gegen das Deutsche Haus hatten, riefen: »Wir haben lange Zeit hereingeführt; wir wollen nun auch eine Weile hinausführen.« Die Weiber sehnten sich nach dem Stadtleben und schrien: »Wir wollen auch eine Weile in der Stadt hausen, und die Stadtherren sollen auf das Land ziehen.« Jäklein gab der Plünderung einen schönen Anstrich und ordnete an, daß alles bezahlt werden müsse. Doch wurden Wein, Früchte und der tragbare Hausrat um jeden Preis hergegeben. Er saß selbst am Eingang des Hofs und zog das Geld ein. Dabei ließ er Milde walten, die er sonst nicht kannte. Weiber und Kinder, Bauern und Bürger, also auch Heilbronner, schleppten Erkauftes und Gestohlenes durcheinander davon. So viel hielt man aber zurück, daß die Tische zu dem nun folgenden Gelage reichlich gedeckt werden konnten. Die Ordensherren, die noch da waren, mußten die Hüte abnehmen und, neben der Tafel stehend, den Bauern zusehen, wie ihnen Speisen und Getränke schmeckten. Ein gar zu übermütiges Bäuerlein schrie in seiner Weinlaune einem Ordensmann zu: »Heut', Junkerlein, sein wir Deutschmeister!« Zugleich schlug er ihm dermaßen auf den wohlgerundeten Bauch, daß er jählings zurückstürzte.

Nach den vorliegenden Berichten erhielt ein Genosse des Jäklein, Georg Mozler, von dem erlösten Gelde 1300 Gulden. Daß Jäklein mit weniger zufrieden gewesen wäre, ist nicht wohl zu glauben. Ohne Zweifel ist bedeutend mehr in seine Tasche geflossen, denn wenige Tage vorher hatte der Verwalter von Wimmental 4000 Gulden zur Sicherheit dem Deutschen Hause übergeben. Es ist anzunehmen, daß Jäklein über diesen Punkt Stillschweigen bewahrte, um den Neid der Bauern nicht herauszufordern.

 

Nach Jäger, Dillenius und Zimmermann von G. A. V.

 

III. Die Sühne für die Weinsberger Greueltat.

Georg Truchseß von Waldburg, der Oberfeldherr des Schwäbischen Bundes, bekannt unter dem Namen »der Bauernjörg«, machte dem Bauernaufstand in Württemberg ein rasches Ende. Am 12. Mai kam es zur Schlacht zwischen Böblingen und Sindelfingen. 3000 Bauern blieben tot auf dem Platze, die übrigen eilten in wilder Flucht davon. Melchior Nonnenmacher, der Pfeifer von Ilsfeld, flüchtete in den Taubenschlag eines Bürgers zu Sindelfingen. Er wurde aber durch einen Knaben verraten, ins Lager geschleppt und in der kommenden Nacht langsam zu Tode geröstet. Jäklein schlug sich bis Hohenasperg durch, fiel aber dort dem Vogt in die Hände, der ihn dem Truchseß bei seinem Vorüberzuge in die Heilbronner Gegend auslieferte. In Fesseln geschlagen sah Jäklein seine Heimat wieder. Ihn ereilte dasselbe Schicksal wie den Pfeifer von Ilsfeld. Eine kleine halbe Stunde unterhalb Böckingen, in der Nähe von Neckargartach, ließ ihn der Bauernjörg mit einer eisernen Kette an eine Falbe (Salweidenbaum) binden, so daß er in einer Entfernung von zwei Schritten rings um dieselbe gehen konnte. Dann befahl er vier Schritte vom Baum entfernt die Aufführung eines kreisförmigen Holzstoßes, der alsbald angezündet wurde. Nach wenigen Augenblicken umgab ihn ein Feuerkreis, dem er, so schnell er auch um den Baum laufen mochte, nicht entgehen konnte. Seine Hilferufe fanden bei den Zuschauern kein Gehör. Trommeln und Pfeifen übertönten seine Stimme. So ließ man ihn, langsam bratend, den schrecklichen Totentanz ausführen. Endlich schwieg er und sank zusammen.

Der Bauernjörg gab sich mit Jäkleins Tod nicht zufrieden. Die Weinsberger Bluttat mußte eine weitere Sühne finden. Auf seinen Befehl sank Weinsberg, an drei Enden angezündet, am Tage nach Jäkleins Tod in Asche. Zudem erging der weitere Befehl, die Brandstätte solle dem Adel zur Genugtuung auf ewige Zeiten wüst liegen, und die Stadt nie wieder aufgebaut werden. Den allseitigen Versicherungen, die Weinsberger seien an der Ermordung der Ritter unschuldig, schenkte die österreichische Regierung lange keinen Glauben. Erst im November, nachdem die Einwohner mehrere Monate auf den Feldern und in den nahen Wäldern zugebracht hatten, erhielten sie die Erlaubnis, wenigstens wieder ein Dorf Weinsberg, ohne jegliche Befestigung und unter Verzicht auf die städtischen Einkünfte, erbauen zu dürfen. Überdies verlangte der Truchseß noch weitere Bußen. Sämtliche Einwohner des neuerbauten Dorfes hatten sich jedes Jahr am frühen Morgen des heiligen Osterfestes zu einem Gottesdienst auf der von Jäklein ausgesuchten Richtstätte einzufinden und bis gegen Mittag dort zu verbleiben. Endlich mußte auf dem Platze der jämmerlichen Tat ein großes, steinernes Kreuz und eine Kapelle erbaut werden, in welcher eine Tafel mit goldenen Buchstaben die schreckliche Begebenheit den kommenden Geschlechtern meldete.

So lebten die armen Weinsberger in ihren wiederaufgebauten Hütten neun Jahre lang bei gebrochenen Türmen und Mauern, ihres städtischen Einkommens beraubt, als Geächtete. Als aber im Jahre 1534 der vertriebene Herzog Ulrich in sein Land zurückkehrte, durften sie das fürstliche Wort vernehmen: »Ich setze euch in eure alten Rechte ein; euer Stadtwesen sollt ihr wieder halten wie zuvor, auch wieder Türme und Tore erbauen.«

 

Nach Jäger, Dillenius und Zimmermann von G. A. V.


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