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Religionsstreik in Ravensburg.

Durch den Westfälischen Frieden wurde völlige Religionsgleichheit der Evangelischen und Katholischen in Rat und Ämtern der Stadt herbeigeführt. Aber deshalb kehrte der innere religiöse Friede noch lange nicht in die paritätische Stadt zurück, die im Dreißigjährigen Kriege hart genug gelitten hatte. Es ist ein trauriges Schauspiel, wie die Bürger einer und derselben Stadt um des Glaubens willen ein Jahrhundert hindurch sich das Leben sauer machen und in offenem Streit gegeneinander hadern und einander unablässig vor Kaiser und Reich verklagen.

Die Evangelischen wollten die Kapuziner in der Stadt nicht dulden; und am 7. Mai 1651 rotteten sich in aller Stille an 150 Mann zusammen, bewaffneten sich mit Äxten, Hauen und Schaufeln, zogen noch vor Tag vor das Tor hinaus, stürmten den Garten des Kapuzinerklosters, sprengten die Toren auf, hieben die Brunnenteuchel entzwei und schlugen eine Anzahl Fruchtbäume nieder. Nach dieser Heldentat zogen sie wieder in die Stadt zurück.

Die Katholiken in Ravensburg waren in solcher Angst, daß sie fürchteten, von ihren evangelischen Mitbürgern im Schlaf ermordet zu werden. Mehrere Wochen lang fand keine Ratssitzung statt, so groß war die Verwirrung in der Stadt.

Wenig fruchteten die kaiserlichen Befehle, die an Evangelische wie Katholische ergingen und zu Frieden und Eintracht mahnten. Im gleichen Jahre beklagten sich die letzteren schon wieder beim Kaiserlichen Hofkammergericht, daß die Anhänger der Augsburger Konfession in der Stadt das Lied: »Erhalt uns Herr, bei deinem Wort',« der katholischen Religion zu Trutz und Schimpf auf öffentlicher Gasse singen lassen, und daß der evangelische Bürgermeister, dessen Amtszeit zu Ende war, sich weigere, sein Amt dem katholischen Bürgermeister zu übergeben, wie es in der Ordnung sei. – – Noch heftiger entbrannte der Streit um eine Kirche in der Stadt, die, in Chor- und Langhaus abgeteilt, vertragsmäßig von beiden Konfessionen zugleich benützt wurde, und zwar das Langhaus von den evangelischen, der Chor von den katholischen Bürgern und den Karmelitern. Im Laufe des Dreißigjährigen Krieges hatten die Mönche die Evangelischen aus der Kirche ganz verdrängt; durch den Westfälischen Frieden waren diese wieder in das Recht der Mitbenützung eingesetzt worden. Aber die Mönchsbrüder gaben keine Ruhe. Durch Läuten der Glocken und Beisetzung katholischer Leichen in dem Kreuzgang der Kirche suchten sie den Gottesdienst der Evangelischen zu stören und richteten ein Bittgesuch an den Kaiser um völlige Überlassung der Kirche und Ausweisung der Evangelischen aus derselben, worin ihnen der Kaiser auch zu Willen war. Aber die Evangelischen unterwarfen sich dem kaiserlichen Erlasse mitnichten – und das Streiten und Prozessieren und Hadern nahm kein Ende. – Dabei kam die Stadt so herunter, daß sie im Jahre 1718 mit einer »alleruntertänigsten Vorstellung ihrer Hauptdrangsale, Schuldenlast und Unvermögenheit« an das Reich sich wenden mußte.

 

Fr. H.


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