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Die Franzosen in Heilbronn.

Der dritte Oktobersonntag des Jahres 1688 brachte der Reichsstadt Heilbronn ungebetene Gäste. Zwischen 10 und 11 Uhr mußten sich die alten Tore öffnen, und 1200 bis 1300 Franzosen unter der Führung des Generals Montclar hielten ihren Einzug. Elf volle Wochen hatte die Stadt die Qualen und Drangsale der französischen Besatzung zu erleiden.

Den fremden Soldaten genügten die guten Quartiere, die milden Neckarweine und die reichlichen Lebensmittel nicht. Mit großer Rücksichtslosigkeit raubten sie auch kleinere und größere Geldsummen und allerlei Wertsachen. Als die Einwohner wie eine Zitrone ausgepreßt waren, kam das offene Land an die Reihe. Von dort sollen sie außer Lebensmitteln und vielen Gefangenen 2 Millionen Franken weggeschleppt haben.

Unterdessen stellten sich noch mehr Franzosen ein, so daß die Besatzung im November ohne Weiber und Diener 3647 Mann betrug. Der Befehlshaber ließ die Hafenmarktskirche räumen und zu einem Magazin für Heu und Stroh einrichten. Von »Friede auf Erden« war über die Weihnachtszeit in Heilbronn nichts zu sehen und zu hören. Erst an Silvester gab's eine Änderung.

Am letzten Tag des Jahres war die Nachricht vom Anmarsch eines starken deutschen Heeres, das der Kurfürst von Sachsen befehligte, eingetroffen. Und nun gewahrte man an der Besatzung eine eigentümliche Unruhe und Bewegung. Durch die winterlichen Straßen wurde der Befehl getragen, daß sich die Soldaten abends marschfertig auf dem Marktplatz einzufinden hätten. Schwerbeladene Wagen mit Lebensmitteln und Beutestücken rollten den Toren zu. Der Magistrat erhielt den Befehl, sofort 50 000 Taler zu beschaffen. Seine Entschuldigung, daß dieses unmöglich sei, fand kein Gehör. Noch am Abend wurden neun angesehene Männer als Geiseln in Gewahrsam genommen. Die Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten der Franzosen, besonders gegen die Frauen, nahmen in der letzten Nacht einen ungeheuren Umfang an.

Die Dunkelheit diente auch zur Vorbereitung eines weitern teuflischen Planes. Eine Anzahl Soldaten erhielt den Auftrag, an den Stadttoren und Festungstürmen Minen zu legen. Sie füllten das Pulver in armsdicke Schläuche und zogen bis am andern Morgen zum Entsetzen der Bewohner den unheimlichen Gürtel um die festen Mauern. Allem Anschein nach sollte der Schreckensnacht ein entsetzlicher Neujahrsmorgen folgen.

Eine gewaltige Feuersäule in der Mitte der Stadt kündete den neuen Tag an. Die Hafenmarktskirche und vier benachbarte Häuser gingen in Flammen auf. Die Mordbrenner warteten aber das Ende des Brandes nicht ab. Schon um 7 Uhr verließ der Kommandant mit seinen neun Geiseln die Stadt. Ihm folgten die Soldaten, welche neben dem wohlverpackten Raub die vier städtischen Kanonen und elf Falkonettlein, kleine, leichte Geschütze, mitnahmen. Auch die Glocken der drei Tortüren schleppten sie fort. Dieselben verursachten auf dem holperigen Pflaster ein solches Getöse, daß es den geängstigten Einwohnern durch Mark und Bein ging.

Das Schlimmste sollte aber noch kommen. Eine zurückgelassene Kompagnie Dragoner hatte nun die 36 Minen anzuzünden. Der Schaden entsprach aber den Erwartungen der Feinde bei weitem nicht. Nur ein Teil der Mauer beim Fleinertor und der Mauerturm an der entgegengesetzten Nordostecke stürzten ein. Die meisten Minen dagegen versagten, weil sie in der Schnelligkeit nicht sachverständig gelegt waren, und weil die Heilbronner während der Nacht das Wasser nicht sparten. Immerhin berechnete die Stadt ihren gesamten Schaden auf 280 000 Gulden.

Die Geiseln hatten noch viele Trübsale zu erdulden. Zwei davon, die Verwalter von Klostergütern, kehrten zwar schon am 18. April, nachdem für sie ein Lösegeld von 10 000 Talern bezahlt war, zurück. Die andern aber, nämlich die beiden Bürgermeister Feyerabend und Hofmann, drei Ratsherren und der Pfleger des württembergischen und des Kaiserheimer Zenthofs, blieben 2 Jahre, zuerst in Straßburg, dann in Pfalzburg und Besançon in Haft. Man drohte ihnen endlich, sie wie Galeerensträflinge zu behandeln und ließ sie erst in die Heimat zurück, als die 50 000 Taler vollständig bezahlt waren.

 

Nach d. O-A-B. von G. A. V.


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