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Langenburgs Belagerung im Jahre 1634.

Langenburg wurde im Jahre 1232 von den Herren von Hohenlohe erworben. Schon zwei Jahre darauf belagerte Heinrich von Neuffen im Auftrag des Königs die Stadt, eroberte und zerstörte sie. Von den Grafen von Hohenlohe, welche seit 1585 hier residierten, wurde das Schloß zur Festung mit Feuerwaffen umgebaut. Nach der Nördlinger Schlacht (6. Sept. 1634) erfolgten nun mehrere Angriffe der Kaiserlichen auf die befestigte Stadt, denen sie zuletzt erlag.

Der hohenlohische Rat Assum erzählt hierüber: »Der erste Angriff auf Langenburg geschah mit wenig Volk und wurde durch einen Ausfall, bei welchem die Belagerten ein kleines Kammerstücklein (Hinterladegeschütz) bei sich führten, abgewendet. Der zweite Angriff war stärker und währte etliche Tage, doch wurde auch mit diesem nichts ausgerichtet. Die Feinde verloren einige Mann, verbrannten die Vorstadt bis auf etliche Häuser und zogen wieder ab.

Der dritte Angriff begann etwa am 18. September durch den kaiserlichen Generalwachtmeister Diodati mit einem Regiment zu Fuß, einem Trupp Dragoner und zwei Geschützen. Acht Tage lang wurde mit Geschützen und Musketen Tag und Nacht unablässig auf das Städtlein gefeuert, mit den Geschützen aber jedesmal zu hoch. Treffliche Gegenwehr hinderte jeden Fortschritt der Feinde. Nur der Hofgärtner Jost Schuler wurde auf der Bühne des Hofpredigerhauses und ein rheingräflicher Korporal (ein sehr langer und starker Mensch, welcher sich kurz zuvor auf dem Rennplatz mit einem Fähnrich von der Garnison geschlagen und diesen tödlich verwundet hatte) im kleinen Pfarrgärtlein durch den Kopf geschossen, weil sie sich beide an den Schußlöchern zu sehr bloßgestellt hatten. Beide wurden im Pfarrgärtlein begraben, bis der Weg zum Kirchhof wieder offen war. Dagegen sollen von den Belagerern mehr als 100 Mann gefallen sein, welche in großen Gruben, besonders an den Vierteläckern, eingescharrt wurden.

Am 27. September morgens zwischen 3 und 4 Uhr unternahm Diodati mit Ernst und Macht einen Generalsturm auf die Stadt an zwei Orten, hinter der Kirche und am untern Tor. Der Angriff bei der Kirche wurde abgeschlagen, aber am untern Tor gelang es dem Feinde, die Stadt zu ersteigen und zu gewinnen. Wie nun das Städtlein übermeistert war, lief alles in großem Schrecken dem Schloß zu. Dort hatte sich der Kommandant mit seinen Leuten auf die Rennbahn gestellt und so lange gehalten, bis die Flüchtigen sich ins Schloß zurückgezogen. Dann nahm er seine Mannschaft gliederweise zurück und wies jedem seinen Posten zur Verteidigung des Schlosses an. Unterdessen haben alle Bürger und Soldaten, welche den Rückzug versäumten und bewaffnet waren, zusammen gegen 16 Personen, den Tod erleiden müssen. Unter ihnen war Veit Gibwein, der Sternwirt, ein entschlossener Mann, welcher sich während der Belagerung ritterlich und so gehalten, daß von langem und vielem Schießen sein Gesicht, wie das anderer tapferer Bürger, so von Pulver versengt und schwarz aussah, daß man denselben fast nicht mehr erkennen konnte. Gibwein lag an der Ecke des Assumschen Hauses, sein linkes Auge war faustgroß aus seiner Stätte, die Haare waren ihm büschelweise ausgerissen, dazu hatte er ein großes Loch im Bauch. Einem andern, dem sog. Stoffelsbauern, waren die Zehen an beiden Füßen abgehauen und das Handbeil auf den Leib gelegt. Diese beiden sind in Särgen, die andern in großen Gruben auf dem Kirchhof begraben worden. Die alten Weiber, ziemlich viele Kinder, Dienstboten und kranke Leute hat der General in Bartel Ehrmanns Haus tun und durch die Weiber pflegen lassen, bis das Schloß übergeben war. Die alte Mutter in diesem Haus haben die Soldaten in der ersten Hitze an den Füßen in den Schlot hinaufgezogen, um Geld von ihr zu erpressen, doch hat sie das Leben gerettet. Es haben sich auch nach des Städtleins Übergang etliche Bürger über die Schloßmauer beim Schlachthaus hinabgelassen und sind zu andern, welche schon vor der Belagerung das Städtlein verlassen hatten, in die Wälder geflohen. Unter diesen war der Hofprediger Renner, der sich bisweilen zu Kocherstetten, bisweilen aber in der Kronhalden und andern Wäldern aufgehalten, weil er von dem schwedischen Kommandanten hart verfolgt war. Diese Geflüchteten haben das Mordsgeschrei während und nach dem Sturm wohl gehört.

An Dieben und Verrätern, zum Teil aus den nächstgelegenen Ortschaften, hat es bei dieser erbärmlichen Gelegenheit, wo alles preisgegeben war, auch nicht gefehlt. Sie gaben den Soldaten alle böse Anleitung und haben mehr als die Soldaten geplündert und weggetragen. So ist ein Schuhknecht, welcher kurz zuvor bei Hans Geyher hier gearbeitet hatte, bei seinem Diebsgriff ertappt und durch einen Kanonenschuß mitten auf den Leib getroffen und zerlegt worden. Dem alten Stadtvogt Johann Hagenbuch, der mit Podagra behaftet war und Georg Ehrmann, dem Trommler, ging es auch nicht zum besten. Ersterer wollte die Wache am untern Tor visitieren und entging mit knapper Not den Feinden. Ehrmann geriet beim Lärmschlagen den Siegern in die Hände, wurde ausgezogen, aber begnadigt und mußte beim Abmarsch mit bloßem Haupt und Füßen den Kaiserlichen einen Geißbock und einige Gänse bis Rotenburg nachführen.

Nachdem der Feind im Städtlein sich festgesetzt hatte, wurde aus dem Schloß dermaßen mit Geschützen, Doppelraten und Musketen ins Städtlein gefeuert, daß sich niemand blicken lassen durfte, und die feindlichen Soldaten, wenn sie von der einen Seite des Orts zur andern wollten, hart an den Staketen hinüberkriechen oder auf dem Bauch sich hinüberwälzen mußten. Es wäre auch das Schloß nicht so leicht übergegangen, wenn es nicht gleich am ersten Tag an Wasser und Nahrung für so viele Menschen und Tiere gefehlt hätte.

Der Kommandant Blum, die Leutnants und Fähnriche lagen in der Eßstube und im Frauengemach, die Soldaten in der neuen Eßstube und im Gang, Diener und Bürger in den übrigen Gemächern, die Reiter mit ihren Pferden im Graben am Waschhaus, die Gefangenen in der Kinderstube.

Die Belagerer drohten, falls man das Schloß nicht auch abtrete, würden sie nach seiner Wegnahme alles ohne Unterschied niedermachen und es ist nicht zu sagen, was für ein Zetergeschrei, Weinen und Klagen daraufhin unter den Weibern und Kindern losbrach. Sie baten den Kommandanten, der, auf einer Truhe sitzend, mit einer Reitpeitsche bisweilen an diese schlug, um tausend Gottes willen, er sollte doch die Übergabe einleiten. Diesem war gar nicht wohl bei der Sache, er sah die Gefahr und unvollkommene Versorgung des Schlosses und gab zur Antwort: »Ach, ihr lieben Weiber, es ist nicht Kriegsbrauch, dem Feind die Übergabe anzubieten, es steht mir mein Kopf darauf, ich erwarte die Aufforderung dazu von ihm.«

Am andern Tag gegen 12 Uhr kamen zwei feindliche Trommler mit rührendem Spiel durch die Rennbahn an die äußerste Schlagbrücke und riefen der Hauptwache zu, der Herr General lasse den Herrn Kommandanten grüßen und ihm einen Vergleich anbieten, sie hätten Befehl mit ihm zu reden. Den einen Trommler brachte man mit verbundenen Augen vor den Kommandanten, darauf wurde zusammengeschickt, beraten, Geiseln gestellt und endlich nachstehende Übergabebedingungen festgestellt:

  1. Sämtliche Soldaten sollen mit Ober- und Untergewehr, mit Sack und Pack, wie auch die Offiziere und Reiter mit ihren Pferden und Waffen sowie zwei Wägen zu ihrer Verfügung unaufgehalten die Stadt und Gegend verlassen und
  2. bis nach Frankfurt am Main ziehen,
  3. morgens 8 Uhr abziehen und sofort 5 Meilen Wegs marschieren;
  4. die Häuser der Herrschaft, der Diener und Bürger nicht auszuplündern;
  5. die Kirchendiener in ihrem Amt zu lassen;
  6. alle Gefangenen auf beiden Seiten auf freien Fuß zu stellen;
  7. den Kranken, welche hier bleiben müssen wegen ihrer Schwachheit, den notwendigen Unterhalt zu verschaffen;
  8. sämtliche Räte und Diener ohne Lösegeld in ihren Diensten zu lassen;
  9. Weib, Kind und Gesind in Ehren und unangefochten zu lassen.

Geschehen zu Langenburg am 7. Okt. 1634.

( L. S.) Julius Diodati, Generalwachtmeister,

Daniel Haag, Fähnrich,

Hans Thomas Blum, Hauptmann des Schlosses allhier.

Wie schlecht diese Bedingungen gehalten worden sind, wird später berichtet. Das Schloß wurde also übergeben, die Tore mit kaiserlichen Wachen besetzt, die Gefangenen los- und der General eingelassen und damit die Belagerung des Städtleins und Schlosses beendigt. Der General nahm sein Quartier im Zimmer der Gräfin und hielt nachts eine große Tafel mit seinen Offizieren, dem schwedischen Kommandanten und anderen. Diese Mahlzeit war für Herrn Blum recht unglücklich. Nach seiner Anweisung sollte einer seiner vertrautesten Diener im Hühnergraben aufpassen und mit einem Felleisen, worin die besten Sachen des schwedischen Kommandanten waren und welches ihm vom Schloß aus zugeworfen werden sollte, sich davonmachen. Es geriet aber, wahrscheinlich durch Verrat, den Kaiserlichen in die Hände. Das gleiche soll dem Kammersekretär Heinoldt, der sonst seiner Herrschaft Interesse fleißig wahrte, mit etlichen 100 Gulden auch begegnet sein. Er warf sie über die Mauer, der Feind aber nahm den Beutel weg. Am andern Tag wurde der schwedischen Garnison befohlen, sich am Tore aufzustellen und sich zu erklären, ob nicht der eine oder andere in kaiserliche Dienste treten wolle. Schon tags zuvor war ein Leutnant mit 39 Pferden zum Feinde übergegangen. In Gegenwart des Fähnrichs Haag und des Kommandanten Blum wurde diese Aufforderung bekanntgemacht, worauf sofort alle, mit Ausnahme eines Zeugleutnants und eines Sergeanten, zu den Kaiserlichen übergingen, was dem Kapitän Blum viele Zähren entlockte. Diese drei schwedischen Offiziere haben sich nun sofort unter militärischer Begleitung auf den Weg gemacht und sind Frankfurt zu gewandert.

Gleich am andern Tage marschierte Generalwachtmeister Diodati, nachdem er noch zuvor gegen die Abmachung 2000 Reichstaler Brandschatzung angesetzt hatte, ab und ging vor Mainz, wo ihm, wie verlautete, durch eine Kanonenkugel der Kopf weggerissen worden sein soll. Er hinterließ als Kommandanten im Schloß den Fähnrich Daniel Haag, einen wackern, höflichen Kavalier, welcher kurz nachher eine Tochter des Amtmanns in Öhringen heiratete. Haag mußte seinem General nach Mainz bald folgen. Ihn ersetzte Leutnant Johann Husper vom Gallasischen Regiment zu Fuß, ein hitziger, ehrgeiziger, sehr hinterlistiger Soldat, welcher sich ziemlich ordinär benahm und bei seiner Umgebung den Zunamen »Polterer« führte. So begannen die grausamen, unerträglichen Gallasischen Kontributionserpressungen und endeten erst am 12. Juni 1635. Sieben Monate lang mußte man monatlich an Oberst Achill, Baron de Soye nach Neuenstein liefern: 4896 Gulden an Geld, 18 720 Pfund Haber, 27 000 Pfund Heu, woran nur 2448 Gulden nachgelassen wurden; dagegen waren dem Regimentsquartiermeister Perling 886-2/3 Gulden zuzulegen, ferner Mühle- und Schmiedegelder monatlich 120 Reichstaler, so daß in dieser Zeit draufgingen: 26 159 Gulden 18 Kreuzer 5 Heller fränkisch, dazu an Wolfgang Hafner 400 Gulden 10 Kreuzer. Ferner verschiedene Oberkommissariatsgelder und Verehrungen, als Wolf von Crailsheim als Verwalter der gräflichen Herrschaft hier eingesetzt wurde:

426 Gulden 16 Kreuzer 5 Heller Zehrung,
1334 Gulden 5 Kreuzer   Verehrung

So haben also in 7 Monaten die armen, vorher aufs äußerste ausgemergelten Untertanen aufbringen müssen an Geld alles in allem:

35 280 Gulden 17 Kreuzer 3 Heller.

Dabei wurde noch die Kontribution von mehr als einem Monat mit 4500 fl. kr. 10 Hell. mit 6 Wagen herrschaftlicher Mobilien, Tapeten, Leinwand, Tuch und dergleichen beglichen.

Damit war aber das bittere Elend noch nicht gestillt; gegen die Übergabebedingungen kamen 400 Mann aus der Franche-Comté, welche in Gebärden, Kleidern, ihrer groben französischen Sprache, ihren großen Degen fast den Schweizern glichen, Baron de Soye hatte diese Leute in Besançon und Umgebung angeworben und zu uns gebracht, wie sein Trompeter, Paulus Schneck, der nachher in Langenburgische Dienste trat, oft erzählte. Im hiesigen gräflichen Schloß wurde von Soldaten, aber auch von Dienern alles geraubt, was an Seide, Tapeten, Wollstoffen, weißem Tuch, Zucker, Gewürzwerk vorhanden war, auch das Städtlein rein ausgeplündert, dem Hofprediger Renner für 100 Reichstaler Silbergeschirr genommen, dem alten Stadtvogt Johann Hagenbuch etliche Wagen Wein weggeführt, dann aus dem Zeughaus 8 oder 10 metallene Geschütze, worunter 2 überaus schöne Feldschlangen waren, durch den kaiserlichen Feldzeugmeister Grafen Melchior von Hatzfeld abgeholt und nach Würzburg geführt, wo dessen Bruder Bischof war, so daß die gräfliche Residenzstadt sauber und rein ausgeleert war.

Noch hat Gott gnädig verhütet, daß die gräfliche Herrschaft wie andere Lande und Leute mit Beschlag belegt und eingezogen wurde.

Während der 8tägigen Belagerung war im Schloß und Städtlein alles wohl geordnet und zwei Hauptwachen aufgestellt, die erste zwischen der inneren Brücke und der Schreinerei, in welcher man Kugeln gegossen und durch Knaben hat an die bestimmten Plätze bringen lassen. Auch mußten die Knaben aus Mangel an Mannschaft schanzen helfen. Die andere Hauptwache war im Städtlein vor der Wette. Das Pulvermachen für die Geschütze beaufsichtigte David Schmied, über die kleinen Kammerstücklein (Hinterladegeschütze) war Fr. Reichart, der Burgvogt, gesetzt, auch die Schloßtürme waren bewehrt. An 3 Orten waren Pulverfäßlein aufgestellt, eins bei der Linde auf der Rennbahn, eins beim Staketentor und eins beim Steinhaus. Während der Belagerung erhielt der General einen gefährlichen Schuß. Auf sein Begehren wurde der hiesige, damals berühmte Bader Georg Seybold über die Mauer hinaus und wieder hereingelassen. Dieser brachte zurück, es sei ein etwas matter Schuß gewesen, welcher aber beim General eine solche Aufregung verursacht hätte, daß dieser gesagt habe, wenn ihm der Ort nicht nächstens freiwillig übergeben werde und die Übergabe mit Gewalt erzwungen werden müsse, so solle kein Mensch darin verschont werden. Das hat bei den schwachen Gemütern der Weiber überaus großen Schrecken erweckt. Auch ein vornehmer Offizier, dessen Namen man nicht erfahren hat, ist vom Schloß aus erschossen und in der Kirche zwischen der Kanzel und dem Mädchenstuhl begraben worden. Während der Belagerung grassierte unter den Kindern die Ruhr, so daß etliche daran starben, welche man im Blumengärtlein am inneren Schloßhof eingesenkt, bis man sie auf den Kirchhof hat bringen können. Darnach hat sich die Pest- und Kopfkrankheit so eingeschlichen, daß im November und Dezember manchen Tag 2-3 Personen begraben wurden. Diese Seuche hat auch 1635 dermaßen fortgeraset, daß bisweilen Bettelkinder von dieser Krankheit oder vor Hunger und vielem Ungeziefer tot auf der Gasse gefunden wurden. Die Not war 1635-1637 so groß, daß vor armen Leuten Hunde und Katzen ihres Lebens nicht sicher waren. Ein Laib Brot galt einstmals einen Reichstaler, ein Maß Frucht 2 ½ - 3 und mehr Gulden. Es wurden auch Eicheln und anderes statt Getreide gemahlen und zur menschlichen Nahrung gebraucht.

 

Aus dem Langenburger Archiv mitgeteilt von L. L.


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