Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

II.
Schwarz auf Weiß.

Es ist keine seltne, aber eine höchst gefährliche Sache um ein Herzensbündniß, das unter den süßen Tönen einer Tanzmusik geschlossen wird. Man hat schöne Exempel von Herzen, die in einem Walzer bestürmt werden, einen Cotillon lang Bedenkzeit nehmen, und in einem Galopp das Jawort geben; ob aber die Grundmelodie der Ehe nachher eine so fröhliche geblieben, ob das Paar hernach stets gleichen Takt gehalten, das möcht' ich fast bezweifeln; es läßt sich zwar kein Tempo vorschreiben für Herzen, die sich finden sollen, aber es gibt einen sichereren Stimmschlüssel für den rechten Grundton als die brausende Balllaune.

Nun, es war auch einmal ein junges Pärchen, das unter den bezaubernden Tönen des Lauterbachers sich seiner innern Harmonie bewußt wurde. Es war zwar kein Ballsaal, schimmernd erhellt von Kronleuchtern und mit Orangebäumen geschmückt und keine schmetternde Trompetermusik, – es war nur des Kronenwirths obere Stube, an der am Kirchweih-Abend der Zinkenist mit seinen Gesellen besagten Lauterbacher heruntergeigte, dem Heinrich und der Karoline ist aber doch der Himmel voll Geigen gehangen.

Der Heinrich war ein Chirurg, der kürzlich von seinen Reisen mit wichtiger Miene in sein väterliches Dorf zurückgekehrt war, vermuthlich um sich zu besinnen, welche Stadt des Vaterlandes er mit seiner Kunst beglücken wollte. Wo er eigentlich seine Studien gemacht und wie weit seine Wissenschaft ging, das wußte man nicht so genau, seine vornehme Miene ließ vielen Spielraum für Vermutungen, – als der kunstliebende Schulmeister einmal die jungen Leute auf die Schönheiten der kleinen gothischen Dorfkirche aufmerksam machte, da meinte der Heinrich mitleidig lächelnd: »da ist doch der Kölner Dom ganz was anders,« also mußt er recht weit herumgekommen sein.

Die Karoline war ein hübsches gutherziges Mädchen, nicht so weit in der Welt gewesen wie der Heinrich, doch hatte sie das Kochen in einem guten Gasthof gelernt, und hielt sich nun, da sie eine Pflegetochter war, bei ihrem Vormund in demselbigen Dörfchen auf, um auf eine passende Stelle als Wirthschafterin oder Ladenjungfer zu warten.

Da sie eine Pflegetochter war, galt sie natürlich für reich, und wir haben Grund zu vermuthen, daß der Heinrich solid genug dachte, solch reelle Eigenschaften neben den flinken Füßchen seiner blühenden Tänzerin in Betracht zu ziehen.

Karoline zog nichts in Betracht als höchstens das schön gelockte Haar, die Manchetten und den braunen Frack des Heinrich; sie hatte ein gutes und ein warmes Herzchen, und sich als Waise gar einsam gefühlt, besonders seit sie den schönen Vers gelernt: »Ein Herz bedarf ein zweites Herz« u. s. w., da war sie denn glückselig, dieses zweite Herz so bald gefunden zu haben, und hegte nicht den geringsten Zweifel an der Realisirung der glänzenden Zukunftsbilder, die Heinrich vor ihr aufrollte. »Ach, Sie glauben nicht, Jungfer Karoline, wie glücklich mich die Inklination eines so gebildeten Frauenzimmers macht, ich werde nun meine ganzen zukünftigen Plane anders einrichten. Rasirt hab ich hier nur zur Unterhaltung, weil in einem so obskuren Nest so wenig Beinbrüche vorkommen, jetzt aber werde ich das Examen erster Klasse machen und mich wo setzen; inwendiger Arzt wird man dann von selbst, das Aeußerliche ist die Hauptsache, wirklich, Jungfer Karoline, Sie können sich jetzt schon der Frau Oberamtsärztin gleich estimiren.«

So ein Glück hatte sich Karoline in ihren stolzesten Träumen nicht vorgestellt, und sie wußte gar nicht, mit welchen Opfern und Liebeszeichen sie dem Heinrich ihre Zuneigung genug beweisen sollte. Die alte silberne Sackuhr, das Erbstück ihres Vaters selig, das Heinrich mit Verachtung als eine Bettflasche behandelte, wurde gegen eine Cylinderuhr vertauscht, wobei die Granaten der Mutter, die Heinrich ohnehin zu gemein erklärt hatte für eine künftige Frau Doktorin, noch in den Kauf gegeben wurden.

Dagegen bekam sie von Heinrich eine Brosche, so groß wie ein Wirthshausschild, und war viel zu gläubig, um nach der Goldprobe dabei zu sehen.

Karolinens Vormund auf dem Lande »der Pfleger« genannt, ein simpler Bauer und Gemeinderath, war etwas minder gläubiger Natur und sah nicht gut zur Sache. Als Heinrich mit dem Gesuch um ein Darlehen von hundert Gulden von dem Vermögen seiner Braut herausrückte, um das Examen erster Klasse recht mit Glanz bestehen zu können, da schlug er das Gesuch rund ab und eröffnete ihm, daß überhaupt sämmtliche fahrende und liegende Habe Karolinens sich höchstens auf siebenhundert Gulden belaufe.

Das dämpfte in etwas die hochfliegenden Pläne und die ungestüme Leidenschaft des Heinrich; erbrachte von einer Geschäftsreise der zärtlichen Karoline die Nachricht mit, daß das Examen erster Klasse erschrecklich viel koste, da man allen den Herren, die examiniren, ein großes Präsent und ihren Frauen noch extra einen Zuckerhut verehren müsse; er habe sich jetzt entschlossen, nach Amerika zu gehen, wo jeder Chirurg gleich von selbst Doktor werde, und wenn er sich je einmal zum Rasiren herablasse, für den Bart je mit einem Luisd'or honorirt werde, da könne es ihm nicht fehlen, sein Glück zu machen, in einem halben Jahr sei sie mündig und könne ihm nachkommen, ohne daß sie sich um den Pfleger zu scheeren brauche.

Nun gehörte Karoline nicht zu den Europamüden, und Auswandern war ihr seither nur wie ein Ausweg für Lumpen und mißrathene Söhne und Töchter erschienen; aber sie hatte ein nachgiebiges Gemüth und glaubte an die verheißenen goldenen Berge, wie an ein Evangelium; so war es keine schwere Sache, sie zu überreden. Sie nähte sich fast blind, um den Heinrich noch ordentlich auszustatten für die weite Reise, ja sie verstieg sich so weit, ihm eine Brieftasche mit dem allerneuesten Dessin zu sticken: »Wandle auf Rosen und Vergißmeinnicht,« am Ende machte sie sogar noch Schulden auf ihr bald anzutretendes Vatergut, da der Pfleger ein Darlehen für den Heinrich verweigerte. Aber schöne Reden von ewiger Liebe und Treue hat Heinrich auch gehalten und Karoline schied von ihm an dem letzten Abend mit tausend, tausend Thränen und im sichern Glauben, daß jetzt der allervortrefflichste Mensch von ganz Europa geschieden sei.

Im Dorf gab es wenig so gläubige Gemüther, die meisten dachten, der Heinrich sei fort auf Nimmerwiedersehen. Es fanden sich respektable junge Leute, die nicht im Sinn hatten, ein Examen erster Klasse zu machen und denen daher das kleine Vermögen der hübschen braven Karoline genug war, aber nein, daran war nicht zu denken! Hatte sie nicht in ihrem Gesangbuch den schönen eigenhändig von Heinrich geschriebenen Vers:

Felsen zerreißen, Marmor zerbricht,
Doch unsre Liebe wankt ewiglich nicht.

Auf den fielen ihre Thränen, so oft sie in der Kirche sang, wie hätte sie denn untreu werden sollen, wenn doch der Marmor zerbricht, obgleich sie den Zusammenhang nicht recht einsah.

Und siehe da, die Treue wurde belohnt! Nach sieben Monaten, kurz nachdem Karoline mündig gesprochen war, kam ein Brief von Amerika, sie konnte ihn vor Zittern kaum öffnen, kaum lesen mit ihren nassen Augen. Ja, der Heinrich hatte geschrieben! nicht so gar glänzend, wie's Karoline erwartet, es schwebte ein gewisses Duster über dem eigentlichen Stand seiner Verhältnisse, aber doch ging's ihm gut und er äußerte eine unaussprechliche Sehnsucht nach seiner »allerliebsten Jungfer Braut.« Karoline solle sich auf den Weg machen, so bald als möglich, mitnehmen an Kleidern und Weißzeug so wenig als möglich, nur Geld, baar Geld, das sei die Hauptsache.

Das war nun ein Sturm, ein Drängen und Treiben! Der Kaufmann des Orts, derselbe, der dereinst des Heinrichs Reisegeld vorgestreckt, nahm sich treulich der Karoline an, die Güter wurden verkauft mit Schaden, alles zu Geld gemacht, Karoline widerstand heldenmüthig dem weiblichsten Verlangen nach viel Staat und Weißzeug, das konnte sie ja alles noch in Amerika anschaffen.

Endlich und endlich war Alles bereit und eine Reisegesellschaft gefunden, die Hoffnung und Sehnsucht half ihr glücklich über die Beschwerden der Seereise.

Ja, es traf sich Alles so gut, daß sie bei der Ankunft in New-York aus dem Landungsplatz unter all' dem betäubenden Gewühl und Gedräng am Ende doch den Heinrich ansichtig wurde, den sie mit unbeschreiblicher Freude begrüßte.

Sehr nobel und sehr gedeihlich sah nun Heinrich just nicht aus, so schön gebürstet auch sein Frack und Hut, so sorgfältig geordnet sein Slips war.

Er wußte aber gut Bescheid und half ihr mit vieler Gewandtheit ihren Koffer in Sicherheit zu bringen, das Kistchen mit den dreihundert Gulden baar, die sie noch erübrigt hatte, hatte sie auf der Reise nicht von der Hand gelassen, nun erbot sich Heinrich es zu tragen, da es in dem furchtbaren Gewühl ihr so leicht genommen werden könnte. Etwas verlegen antwortete er auf ihre zahlreichen Fragen nach seinem Ergehen, seinem Aufenthalt, seinem Gewerb; – wie sie aber eben wieder recht froh und zutraulich sich zu ihm wandte, – siehe da war kein Heinrich weit und breit, Menschen, Köpfe, Wagen, Karren, Männer und Weiber, Geschrei, und Getöse, – aber nirgends ein Heinrich. Sie rief, sie schrie, sie fragte, sie brach endlich in ein trostloses Weinen aus, – Niemand verstand sie, Niemand kümmerte sich um sie.

So wurde das arme Kind weiter gedrängt und gestoßen, bis in den Straßen New-Yorks der Strom sich allmählich vertheilte, aber wohin? Nun erst fiel ihr ein, daß mit dem Heinrich auch das Kistchen mit all' ihrem Geld verschwunden sei, nur eine ganz kleine Summe war noch in dem Beutelchen ihrer Kleidertasche, – und wen sie ansprach, der antwortete ihr in dem verzweifelten Englisch, von dem sie keine Sylbe verstand.

Da fiel ihr endlich zu unbeschreiblichem Trost ein Wirthsschild in die Augen, das neben der englischen auch eine deutsche Inschrift trug. Zu Tod erschöpft und bekümmert wankte sie hinein, und als sie drinnen zum erstenmal wieder den Gruß »guten Abend« vernahm, sank sie in einen Strom von Thränen auf einen Stuhl.

Nun lernen zwar die Deutschen in Amerika sich ziemlich abstumpfen für das Elend ihrer Landsleute, das ihnen so massenhaft und so vielgestaltig vor die Augen kommt, aber das anständige Aeußere des Mädchens, ihre große Herzensbekümmerniß, die auf tieferen Kummer als Geldmangel schließen ließ, bewegte doch die Herzen zum Mitleid. Gestärkt mit Speise und Trank und freundlichem Zuspruch, faßte sich die arme Karoline endlich so weit, daß sie ihren Jammer erzählen konnte und den Wirth beschwor, doch Himmel und Erde aufzubieten, um den armen Heinrich aufzufinden und ihm mitzutheilen, wo sie sei, der werde sie jetzt ganz trostlos suchen. Der Wirth kannte die Welt, zumal die amerikanische, um etwas besser, und schüttelte lächelnd den Kopf: »der sucht nicht lang und weiß wohl, warum er Euch verloren hat.« Doch ließ er sich bewegen, alle nöthigen Schritte zur Bekanntmachung zu thun, auch war er so glücklich, den Koffer Karolinen's aufzufinden, an dem Ort, wo sie ihn zusammen deponirt hatten. Der Heinrich aber, die Geldschatulle und der schöne blauseidne Regenschirm der Karoline, den er ihr galanter Weise abgenommen hatte, waren und blieben verschwunden.

Das Beutelchen, das Karolinen noch geblieben, war bald aufgezehrt und neben ihrem Herzenskummer wäre das arme Kind auch äußerlich in einer trostlosen Lage gewesen, wenn nicht die Wirthin, die eine so hübsche Gehülfin schon im Hause brauchen konnte, ihr angeboten hätte, sie zu behalten. Das nahm sie nun dankbar an in ihrer tiefen Verlassenheit, aber Balsam auf ihre Herzenswunde war es doch nicht, sie wollte sich durch nichts trösten lassen. Eines Nachmittags war sie allein im Nebenstübchen mit Ordnen ihrer geretteten Habseligkeiten beschäftigt, da fiel ihr das Stammbuch in die Hände und der rührende Vers: Felsen zerreißen, Marmor zerbricht! »Ach, ja, Marmor zerbricht!« schluchzte sie aufs Neue in herzbrechendem Jammer. Da wurde mit einmal ein seidenes Taschentuch sachte an ihre weinenden Augen gedrückt, und auffahrend schrie sie vor Entsetzen, als sie dicht neben sich einen äußerst wohlgekleideten Herrn mit einem gelbbraunen negerartigen Gesicht erblickte, der eifrig bemüht war, ihr mit seinem ostindischen Tuch die Thränen zu trocknen. Seinen höchst gutmüthig lautenden Zuspruch in englischer Sprache verstand sie nicht, aber seine Augen schauten so gar theilnehmend aus dem Mulattengesicht auf die Weinende, daß sie mehr als das Foulard ihre Thränen trockneten. Inzwischen kam der Wirth und machte den Dolmetscher, er erzählte Karolinen deutsch, wie der Herr zwar ein Mulatte sei, was man ihm ein wenig ansehe, aber einer der reichsten Grundbesitzer der Umgegend und ein Stammgast des Hauses. Dem Mulatten berichtete er englisch die traurigen Erlebnisse des Mädchens, und Karoline erschrak ganz, wie ihr seine zornfunkelnden Augen und geballten Fäuste sagten, was er auf ihren immer noch geliebten Heinrich halte.

Endlich ließ sie sich bewegen, sich zu der Gesellschaft zu setzen und der Mulatte legte immer deutlicher sein Wohlgefallen an ihr an den Tag, – er war scheint's gewöhnt, rasche Geschäfte zu machen; denn noch am selben Abend eröffnete er dem Wirth sein Herz und bat ihn um seine Fürsprache bei der schönen Verlassenen. Der Wirth konnte kaum erwarten, bis er dieser mitgetheilt hatte, welcher splendide Ersatz ihrer warte, er hatte sich gar nicht gefaßt gemacht auf den ungeheuren Schreck und Widerwillen, mit dem dieser so höchst beachtenswerthe Antrag aufgenommen wurde. Aber der Gegensatz war auch gar zu groß! Der schöne, saubere Heinrich, weiß und roth wie aus dem Ei geschält, mit dem Ansatz zum Schnurrbärtchen und den glänzenden hellbraunen Haaren, und hier ein halber Mohr! nein, das war doch undenkbar!

Der Wirth sah die Sache in etwas anderem Licht an: ein schuftiges Milchgesicht, das sie um ihre Habe betrogen und sie an Leib und Seele dem Verderben preisgegeben hätte, oder ein rechtschaffener, ehrenwerther Mann, an dessen braune Farbe sie sich so bald gewöhnen werde als an eine weiße, und der sie für ihr Lebtag zu Glück und Ehren bringen könne, – wenn ihr noch die Wahl schwer fiele, so stellte ihr der Wirth frei, ob sie sein Haus mit dem Mulatten oder in jeder sonst beliebigen Weise verlassen wolle.

Da war nun freilich nicht mehr viel zu besinnen, und als nach ein paar Tagen der Mulatte wieder kam in seiner schönen Kutsche, und schönen Kleiderzeug nebst einem rosaseidenen Hut auspackte, da konnte sie nicht mehr widerstehen, und willigte, wenn auch unter tausend Thränen, ein, daß er die nöthigen Schritte zu ihrer Verheirathung thue, was in Amerika nicht halb so umständlich ist, wie hier zu Land. Der Wirth und seine Frau waren Zeugen, die Wirthin hatte schönen Hochzeitstaat besorgt, und der Karoline war's wie ein Traum, als sie als Mrs. Muley an der Seite des Mulatten nach seinem schönen Landgut abfuhr; es wäre diesmal wohl ein Dutzend Foulards nöthig gewesen, um all' ihre Thränen zu trocknen.

»Wenn nur 's Herz schwarz ist,« hatte jener Bediente gemeint, dem man nach dem Tod der Herrschaft seine rothe Weste verwarf, – »wenn nur 's Herz weiß ist,« dachte Karoline nach einigen Wochen ihres Ehestandes, in denen sie die unverdrossene Liebe und Freundlichkeit ihres Mannes, das behagliche Gefühl des Wohlstandes beinahe ganz mit ihrem Geschick ausgesöhnt hatte; nur hie und da warf die Erinnerung an den schönen Heinrich, der Gedanke: wenn er aber doch unschuldig wäre, und mich noch mit Schmerzen suchte! einen Schatten auf ihre Zufriedenheit.

Da fuhr sie eines Tags mit ihrem Manne nach Newyork zu einem Besuch bei den Wirthsleuten; die Straße wurde eben neu beschlagen und rechts und links tönte das unverdrossene Klopfen der Steinschläger. »Felsen zerreißen, Marmor zerbricht,« klang als schmerzliche Reminiscenz der Frau Karoline durch den Sinn, als ihr Blick bei einem kleinen Aufenthalt unterwegs auf eine schmutzige Brieftasche fiel, die einer der Taglöhner mit Tabak' ausgestopft neben sich liegen hatte. »Wandle auf Rosen und Vergißmeinnicht,« schrie sie auf in hellem Schrecken und blickte in diesem Augenblick in das trotzige, schmutzige Gesicht des zerlumpten Steinklopfers, der erstaunt aufsah, – ach, das war der Heinrich! Der Mulatte, in ihrem gebrochenen Englisch unterrichtet, wen sie so unerwartet vor sich sah, hielt inne und stellte ein Verhör mit dem Burschen an. Der war viel zu verblüfft, um leugnen zu können, so gestand er, daß er in so schlechten Verhältnissen gewesen, daß er nicht an die Möglichkeit habe denken können, die Karoline zu heirathen. Darum habe er sich absichtlich mit ihrem Geld aus dem Staube gemacht und gehofft, damit nach Kalifornien zu kommen, er habe gedacht, so einer saubern Person könne es nicht um ein gutes Fortkommen fehlen. Aber, wie gewonnen, so zerronnen; nach zwei Tagen hatte ein gleichgesinnter Schlafgenosse ihm seinen Raub abermals gestohlen, und er sah sich nun auf den Erwerbszweig des Steinklopfens beschränkt.

Karoline verstand den englischen Bericht ihres ungetreuen Liebhabers schon hinlänglich, um seine ganze Schlechtigkeit einzusehen, aber mehr noch als diese entsetzte sie der wilde Zorn, der in den Mienen ihres Mannes aufloderte, mit Todesangst sah sie, wie er in die Tasche fuhr, in der er, wie sie schon mit Schrecken bemerkt hatte, stets ein scharf geschliffenes Messer trug. »Um Gottes Willen?« schrie sie auf deutsch, und wollte ihm in den Arm fallen. Der Mulatte aber stieß ihre Hand zurück, fuhr in die Tasche, riß seine Börse heraus und warf sie dem armen Schlucker hin, »da, für Dank das, daß du mir ein so schön gut Weib verschafft.« Und davon fuhr der Schwarze an der Seite seiner gerührten Frau und zurück blieb der Weiße

»In seines Nichts durchbohrendem Gefühle,«

hub aber sorgfältigst die Börse auf, damit sie nicht wieder die Beute eines Gleichgesinnten werde. Der braungelockte Heinrich hat keine Rolle mehr in den Träumen der Karoline gespielt. Sie ist des Schwarzen glückliche Frau geblieben, ob sie aber Lust hat, die Sprößlinge ihrer zufriedenen Ehe im Vaterland zu präsentiren, das weiß ich nicht.



 << zurück weiter >>