Christoph Martin Wieland
Die Abentheuer des Don Sylvio
Christoph Martin Wieland

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Die Abentheuer des
Don Sylvio von Rosalva.

Siebentes Buch.

Erstes Capitel.

Merkwürdige Entdeckung. Sonderbare Verschwiegenheit des Pedrillo.

Der spanische Autor fängt dieses Buch mit einer Art von Entschuldigung an, die er an diejenigen von seinen Lesern richtet, welche (wie er sagt,) einen kleinen Unwillen darüber bezeugt haben, daß seit dem Augenblick, da Donna Felicia und Don Sylvio sich in dem Pavillion zu Lirias so unverhoft zusammen gefunden, der gute Pedrillo bisher so gänzlich bey Seite gesetzt worden, daß man ihn nur nicht ein einziges mal habe auftretten lassen, um die Gesellschaft und den geneigten Leser mit seinen Einfällen zu belustigen.

Wir halten es, sagt unser Autor, für keinen kleinen Fehler eines Schauspiels, wenn der Dichter, der es übernommen hat, die Character, Leidenschaften, Tugenden oder Thorheiten seiner Personen durch den Labyrinth verwickelter Zufälle zu dem vorgesetzten Ziele fortzuführen, an statt seine ganze Aufmerksamkeit mit ihnen allein zu beschäftigen, sich alle Augenblicke an die Zuschauer erinnert, für die er arbeitet, ja wohl gar durch ein ad spectatores, so er bald dieser bald jener handelnden Person in den Mund legt, der schlechten Anlegung seines Plans oder einer hinkenden Entwicklung nachzuhelfen genöthigt ist. Unsers Bedünkens hat es mit einer Geschichte wie die unsrige ist, die nehmliche Bewandniß. Ja, wenn Pedrillo, wie die lustige Personen in gewissen Comödien nur darum da wäre, die Leser lachen zu machen, da könnte man uns billig einen Vorwurf machen, daß wir vielleicht mehr als eine Gelegenheit entgehen lassen, wo er seine Bestimmung zum Zeitvertreib seiner Gönner hätte erfüllen können. Allein Pedrillo hat, wie man längst bemerkt haben sollte, eine weit wichtigere Rolle zu spielen; und wenn auch bey seiner Einführung in diese Geschichte unsere Absicht zum Theil mit auf die Belustigung des Lesers gegangen ist, so ist doch gewiß, daß dieses (um uns gelehrt auszudrücken) nur ein finis secundarius war, der, wie man weißt, dem Haupt-Endzweck allemal Platz machen muß, wenn nicht Raum genug für beyde da ist. Pedrillo kommt also oder geht, plaudert oder schweigt, ist geschäftig oder müssig oder gar unsichtbar, je nachdem es die Natur seines Dienstes oder sein Verhältniß gegen seinen Herrn mit sich bringt. Da er ihn auf seiner wundervollen Wanderschaft begleitete, so hatte er das Recht zu plaudern, wie und was er wollte, so lange Don Sylvio keine bessere Gesellschaft hatte; und er tritt ab, und zieht sich in die Lackayen-Stube, oder in das Zimmer der schönen Laura zurück, so bald sein Herr bessere Gesellschaft hat. Es ist wahr, man könnte uns das Exempel des Sancho Pansa einwenden, welcher in dem Schlosse, wo sein Herr (Trotz seinen Feinden, den Zauberern und Mohren) so wohl aufgenommen wurde, allezeit mit von der Gesellschaft war, allenthalben freyen Zutritt und so gar die Ehre hatte, die Frau Herzogin mehr als einmal unter vier Augen zu sprechen. Allein man muß sich erinnern, daß es dort darum zu thun war, mit der feyerlichen Narrheit des Ritters und der schalkhaften Dummheit des Stallmeisters sich lustig zu machen; da hingegen in dem Schlosse zu Lirias alles angewandt wird, unsern Helden von der Bezauberung seines Gehirns je bälder je lieber zu befreyen, ohne daß man sich das mindeste darum bekümmert, ob unsere werthen Leser, die ihn vielleicht lieber närrisch sehen würden, dabey verlieren oder nicht.

Damit man uns indessen den Vorwurf nicht machen könne, als ob wir den guten Pedrillo, so bald wir seiner nicht mehr nöthig gehabt, undankbarer Weise weggeworfen hätten, so haben wir einen Theil dieses Capitels dazu bestimmt, seinen besagten Gönnern eine kurze Nachricht zu geben, wie er seit seiner Ankunft zu Lirias seine Zeit zugebracht.

Man erinnert sich vermuthlich noch, daß die angenehme Laura schon damals, da sie ihm in Gestalt einer Sylphide zum erstenmal erschien, sein Herz mit sich hinweg nahm, ohne daß er selbst begreiffen konnte, wie es zugieng. Man muß gestehen, für einen Liebhaber, der sich in der ersten Wärme einer angehenden Leidenschaft befindet, war die Zerstreuung ziemlich stark, wozu ihn noch an dem nehmlichen Abend die Dame Teresilla verleitete: Allein in diesem Stück war Pedrillo ein anderer Biribinker, wenn er gleich seiner ersten Liebste nicht öfter untreu wurde, als er Anlaß dazu hatte, so schien es doch als ob jede neue Untreue seine Liebe nur desto stärker anfache, und er brauchte die wahre Beherrscherin seines Herzens nur wieder zu sehen, um auf einmal zu vergessen, daß ihm eine andere hätte gefallen können. Bey so bewandten Umständen wird sich niemand wundern, daß es wenig Mühe kostete, ihn einen oder zween Tage von seinem Herrn entfernt zu halten. Laura, welche diesen Befehl von ihrer Gebieterin hatte, fand die Vollziehung desselben desto leichter, da Pedrillo von dem Vergnügen sie zu sehen und mit ihr zu schäckern, (wie er es nannte) so berauscht war, daß er vielleicht in einer noch längern Zeit nicht an Don Sylvio gedacht hätte, wenn die Sylphide nicht selbst die erste gewesen wäre, ihn daran zu erinnern.

Die zärtliche Neigung, welche Pedrillo so glücklich gewesen war, dieser jungen Nymphe einzuflössen, bewog sie, den Gelegenheiten nicht auszuweichen, wo sie mit ihm allein seyn konnte, ohne Aufsehen zu machen oder vermißt zu werden, und so geschah es, daß sie an dem andern Tag seit seiner Ankunft, zu eben der Zeit da die Herrschaft in einem Saale des Garten-Pavillions sich mit Gesprächen unterhielt, und der gröste Theil des Hauses des nachmittäglichen Schlummers pflegte, beyde, ohne sich bestellt zu haben, und also von ungefehr oder durch eine Würkung der magnetischen Kräfte, deren wir an einem andern Orte Erwähnung gethan, in einer dicht verwachsenen Laube des Labyrinths zusammen kamen. Die beyderseitige Absicht war, die Sieste hier zu machen; da sie aber einander eben so unverhoft antrafen als Dido und der trojanische Held in einer gewissen Höhle, so war nichts natürlichers, als daß sie, an statt zu schlafen, sich zusammen setzten, und mit einander schwatzten. Die Hitze thut nicht auf alle Leute die nehmliche Würkung, und wenn gleich die Naturkündiger beweisen, daß ein grosser Grad derselben die Lebensgeister zerstreue, und die Fibern abspanne, so war doch Pedrillo noch niemal in einer Verfassung gewesen, die ihn zu einem gefährlichern Liebhaber hätte machen können als damals. Laura wurde es gar bald gewahr, und da sie, wider die Gewohnheit der spanischen Kammermädchen, weder galant war, noch die Spröde machte, so sahe sie sich endlich genöthiget ihm zu verstehen zu geben, daß ein Liebhaber sie durch nichts als durch seine Bescheidenheit von der Wahrheit seiner Liebe überzeugen könne. Die Furcht sie erzürnt zu haben, that bey dem guten Pedrillo, was nach dem System der Naturkündiger die Hitze hätte thun sollen; er wurde auf einmal so schüchtern und so demüthig, als der demüthigste von den Verehrern der Königin der Cristall-Inseln, und versprach ihr, wenn sie ihn nur nicht gar aus ihrer Gegenwart verbannen wollte, so zahm und unschuldig zu seyn als ein Lamm. Unter dieser Bedingung willigte die schöne Laura ein, ihn bey sich zu behalten, und damit sie seine Aufmerksamkeit auf ihre Reitzungen ein wenig zerstreuen möchte, vermochte sie ihn nach und nach durch Frag und Antwort zu einer umständlichen Erzählung alles dessen, was ihm von der Geschichte seines jungen Herrn bekannt war. Sie erfuhr also den Umstand mit dem Bildniß der bezauberten Princeßin, und ersah aus der Beschreibung desselben, daß es eben dasjenige Halßgeschmeide war, welches ihre Dame vor etlichen Tagen auf einer Spatzierreise nach ihrem kleinen Arcadien verlohren hatte. Sie entdeckte dieses dem Pedrillo, und auf die fernere Nachricht, auf was für eine Weise Don Sylvio desselben beraubt worden war, machte sie sich in Gesellschaft ihres neuen Freundes unverzüglich auf, es wieder herzubringen. Sie zweiffelten nicht, daß es sich in den Händen einer von den Bauer-Dirnen befinden würde, die auf den Schloß-Gütern arbeiteten; und ihre Vermuthung traf richtig ein. Das Kleinod wurde gegen ein Geschenk von etlichen Maravedis ausgeliefert, und noch an dem nehmlichen Abend der Donna Felicia eingehändiget, welche über die Nachrichten und Erläuterungen, die ihr Laura aus Pedrillos Munde darüber gab, noch mehr Vergnügen empfand, als über das Geschmeide selbst, ob es gleich von grossem Werth war. Sie glaubte nunmehr den Talisman in Händen zu haben, durch welchen die Entzauberung ihres geliebten Don Sylvio zu Stande gebracht werden könnte; und setzte sich vor, den Gebrauch, den sie davon machen wollte, nicht länger als bis an den folgenden Morgen zu verschieben.

Inzwischen wurde dem Pedrillo durch seine gebietende Dame, Laura, aufs nachdrücklichste eingeschärft, seinem Herrn nichts von diesem Geheimniß zu sagen, und Pedrillo konnte es folglich kaum erwarten, bis er eine Gelegenheit erschleichen würde, die alte Beobachtung zu rechtfertigen: daß kein gewisseres Mittel ist, die Leute zu etwas anzuspornen, als wenn man es verbietet. Diese Gelegenheit bot sich gleich des folgenden Tages an. Der Herr und der Diener waren beyde verliebt, und schliefen folglich beyde sehr wenig. Pedrillo wurde gewahr, daß Don Sylvio mit anbrechendem Morgen in den Alleen des Gartens tiefsinnig hin und wieder gieng, und weil Laura, die sonst genau auf ihn Acht gab, damals vermuthlich noch in angenehmen Morgen-Träumen begriffen war, so schlich er sich ganz leise aus einem Zimmerchen, so man ihm unter dem Dach eingeräumt hatte, herab, und suchte seinen Herrn auf.

Don Sylvio hatte einen guten Theil der Nacht mit Betrachtungen zugebracht, welche den Feen nicht sehr vortheilhaft waren. Die Wahrheit zu sagen, seit dem kleinen Betrug, den ihm Don Gabriel mit dem Mährchen vom Prinzen Biribinker gespielt hatte, hatte sein Glaube an diese Damen und ihre Geschichtschreiber keine geringe Erschütterung erlitten. Die Geschichte des Herrn Biribinkers kam ihm jetzt selbst so abgeschmackt vor, daß er nicht begreiffen konnte, wie es zugegangen, daß er den Betrug nicht augenblicklich gemerkt habe. Er fand endlich, daß die wahre Ursache davon schwerlich eine andere seyn könne, als die Aehnlichkeit dieses Mährchens mit den übrigen, und das Vorurtheil, so er einmal für die Wahrheit der letztern gefaßt hatte. Er konnte sich selbst nicht länger verbergen, daß, wenn auch die Ungereimtheiten im Biribinker um etwas weiter getrieben wären als in andern Mährchen, dennoch die Analogie zwischen dem ersten und den letztern groß genug sey, um ihm, zumal in Betrachtung alles dessen, was Don Gabriel und Don Eugenio dagegen eingewandt hatten, alle Mährchen ohne Ausnahm verdächtig zu machen. Unter dergleichen Betrachtungen war er endlich eingeschlafen, und nach einem Schlummer von drey Stunden, in welchem er an einem fort von Donna Felicia geträumt hatte, war er wieder aufgestanden, um bey einem einsamen Spatziergang in der Kühle des Morgens seine Betrachtungen über eine für ihn so wichtige Sache mit desto besserm Erfolg fortsetzen zu können.

Es währete eine geraume Zeit, bis ihn Pedrillo fand; denn er hatte sich, indessen daß sich dieser ankleidete und herunter stieg, in den Alleen des Labyrinths vertieft, welches wegen seiner Grösse und der Mannigfaltigkeit der Gänge, Sommerlauben, kleinen Lustwäldchen, Cascaden, griechischen Tempeln, Pagoden, Bildsäulen und andern Dingen, die geschickt waren ihm ein romantisches Ansehen zu geben, den angenehmsten Ort von der Welt ausmachte. Unser Held, der nicht länger zweifeln konnte, daß alles dieses, so sehr es einer bezauberten Gegend gleich sahe, ein Werk der Kunst seye, die, von einer dichterischen Imagination geleitet, aus der geschickten Verbindung der verschiedenen Schönheiten der Natur und der nachahmenden Künste ein so angenehmes Ganzes hervor zu bringen gewußt habe; kam beym ersten Eintritt in diesen anmuthsvollen Hayn auf den Gedanken: daß die Phantasie vielleicht die einzige und wahre Mutter des Wunderbaren sey, welches er bisher, aus Unerfahrenheit, für einen Theil der Natur selbst gehalten hatte. Er hatte diesem Gedanken schon eine ziemliche Weile mit dem Vergnügen, womit lebhafte Geister eine neue Entdeckung zu verfolgen pflegen, nachgehangen, als er auf einmal den Pedrillo ansichtig wurde, der hinter einem Gebüsche von wildem Lorbeer, so sich um die Ruinen eines kleinen Tempels herum zog, mit grosser Freude auf ihn zugelauffen kam. Je, guten Morgen, Herr Don Sylvio, schrie ihm dieser entgegen, so bald er ihn erblickte, lebt ihr auch noch! Sapperment! gnädiger Herr, man kriegt euch ja den ganzen Tag nicht einen Augenblick zu sehen; wenn ich nicht von der Jungfer Laura gehört hätte, daß ihr noch da wäret, ich hätte, verzeyh mirs GOtt, denken mögen, daß euch die Feen durch die Luft davon geführt hätten. Ich habe weit mehr Ursache mich über dich zu beschwehren, versetzte Don Sylvio lachend: Du must sehr von deiner Sylphiden bezaubert seyn, daß ich dich seit dem Augenblick, da du bey der Ankunft der Donna Felicia aus dem Saale weg giengst, nicht zu sehen gekriegt habe. Gnädiger Herr, antwortete Pedrillo, ich glaube, ihr irrt euch nicht um die Hälfte, wenn ihr denkt, daß ich bezaubert bin; man sagt, die Bezauberten essen und trinken nichts, ohne daß sie um ein Quintchen magerer werden als sie gewesen sind; ich will gleich gehangen seyn, aber versteht mich recht, nur an meines Mädchens Halß, meyne ich, wenn ich seit vorgestern so viel gegessen habe als eine Fliege auf ihren Flügeln wegtragen könnte. Seht ihr, wenn wir bey Tische sitzen, so sitze ich allemal der Jungfer Laura gegen über, und da gaffe ich sie halt eines Gaffens an, und da gibt es alle Augenblick etwas anders, und da sehe ich ihr zu, wie ihr das Essen so wohl ansteht, und gucke ihr in ihr kleines Maul, denn sie hat ein Maul voll Zähne, daß es eine Lust ist, so weiß und gleich gesetzt, wie eine Schnur Perlen, und was ich sagte, da neckt sie mich alle Augenblick, oder winkt mir, oder tritt mich mit dem Fuß, oder macht etwas an ihrem Halßtuch zu rechte, und mit alle dem Spaß vergäß' ich, meiner Six! Essen und Trinken, wenn sie mir nicht zuweilen selbst einen Bissen ins Maul steckte. Und doch bin ich, wie Eu. Gnaden sieht, so frisch und stark, als ob ich mit dem Bel zu Babel in die Wette frässe. Das macht die gute Gesellschaft! Beym Velten! man sieht Eu. Gnaden auch keinen Mangel an; ihr seht so frisch und rothbackicht wie ein Bräutigam, und doch wollt ich wetten, daß Eu. Gnaden heute Nacht nicht viel geschlafen hat. Das macht, wie du sagst, die gute Gesellschaft, erwiederte Don Sylvio; aber wie gefällt es dir denn in diesem Schlosse, Pedrillo? Wollen wir uns nicht bald wieder auf den Weg machen? Auf den Weg machen? rief Pedrillo, indem er einen Sprung zurück that, und seinen Herrn mit einer schelmischen Mine ansah, Sapperment! wir wollen erst recht ankommen, ehe wir wieder ans Weggehen denken. Wir haben nicht so sehr zu eilen, gnädiger Herr, man trift nicht hinter allen Zäunen ein Quartier an wie dieses, und hernach, wenn mirs Eu. Gnaden nicht übel nehmen will, die Feen mögen sagen wollen, so denk ich halt, es ist doch immer besser unter Christen-Menschen zu leben, als unter solchem Zaubervolk, unter Kobolten und Geistern wo man nie gewiß weißt, wen man vor sich hat. Die Dame Laura gefiel mir gleich das erstemal, ob ich sie gleich für ein Sylphen-Mädchen ansah, ich kan euch nicht sagen wie wohl; aber seit dem ich weiß, daß sie eine gute catholische Christin ist, und Fleisch und Blut hat wie andere ehrliche Leute, und daß sie weder Sylphin noch Gnomin, sondern Jungfer Laura, der gnädigen Frau Donna Felicia von Cardena ihr Kammer-Mädchen ist; seitdem ist sie mir noch tausendmal lieber. Mit einem Wort, Herr Don Sylvio, ich hoffe, daß es Euer Gnaden nicht Ernst war, dieses Schloß schon wieder zu verlassen, wo es uns so wohl geht, daß wir es nicht besser wünschen könnten. Wenn es schon weder von Saphir noch Diamant-Steinen gebaut ist, so ist es doch, wie mir Laura versichert hat, eines von den schönsten in der ganzen Provinz, und mir däucht, ich wollte mir mein Lebenlang kein schöners wünschen, wenn ich an eurem Platz wäre. Ich weiß schon was ich weiß, wenn ich schon nicht dergleichen thue; aber man findet manchmal mehr als man sucht, und ein Waldschnepfe läßt sich wohl gegen einen Auerhahnen tauschen. Ich will nichts gesagt haben, aber denkt an mich, gnädiger Herr, ob wir nicht zwey oder drey Hochzeiten erleben, ehe wir aus diesem Schlosse kommen; ich bitte Eu. Gnaden sich seiner Zeit daran zu erinnern, daß ichs vorher gesagt habe. Ich möchte doch wohl wissen, sagte Don Sylvio, was das vor Geheimnisse sind, die dich, wie es scheint, so stark drucken, daß du es kaum erwarten kanst, bis du dich ihrer erlediget hast? Wenn mich Eu. Gnaden für einen solchen Schwätzer ansieht, erwiederte Pedrillo, so hätte ich gute Lust, daß ich meinen Kopf auch setzte, und euch fein hübsch nichts sagte. Ihr könntet euch leicht einbilden, als ob ich nichts bey mir behalten könnte; und hernach hab ich noch meine besondere Ursachen, und ich dencke, Jungfer Laura hatte die ihrigen auch, da sie mir so scharf verboten, daß ich euch nichts davon sagen sollte, daß die Princeßin – – Sapperment! Schier hätt ichs entwischen lassen; aber ich ertappte mich selbst noch zu rechter Zeit; nur noch eine kleine Gedult, gnädiger Herr; die Birnen fallen von sich selbst, wenn sie reiff sind, es werden, ehe es lange währen wird, seltsame Dinge an den Tag kommen. Aber das muß ich gestehen, gnädiger Herr, daß ihr in einem glückseligen Zeichen gebohren seyd; Sapperment! Es leben die Feen und die bezauberten Schmetterlinge; denn das ist nun einmal richtig, wenn wir nicht Narren gewesen und den blauen Schmetterling gesucht hätten – – Mehr sag ich nicht! Genug, daß ich weiß was ich weiß, und daß Eu. Gnaden sieht, daß ich schweigen kan. Gelt? wenn ich ein solcher Plauderer wäre, wie ihr immer sagt, so hätt ich es sauber bey mir behalten können, daß wir das Bild mit samt der Princeßin gefunden haben? Was sagst du? unterbrach ihn Don Sylvio; Du hast das Bildniß meiner Princeßin gefunden? wo ist es? wo ist es? – – Ich bitte Eu. Gnaden um Vergebung, antwortete Pedrillo mit der grösten Gleichmüthigkeit von der Welt! ich habe kein Bildniß, und ich sagte auch nicht, daß ich das Bildniß eurer Princeßin gefunden habe, und ich würde auch lügen, wenn ich das sagte – – Was plauderst du dann von einem Bild und von einer Princeßin, die man gefunden habe? sagte Don Sylvio – – Ihr habt mich nicht recht verstanden, gnädiger Herr, erwiederte Pedrillo; das sagt ich gewiß nicht, denn das ist eben das Geheimniß, seht ihr; und weil ich nun einmal versprochen habe, daß ich nichts verrathen wolle, so soll es auch nicht aus meinem Munde kommen, und wenn ihr mir goldene Berge davor verhiesset. Ich bitte euch, gnädiger Herr, fragt mich nicht; der Teufel ist ein Schelm, es könnte einem unversehens ein Wort entwischen – – Kurz und gut, Herr Don Sylvio, ich sage so viel, wenn wir gewußt hätten, was ich jetzt weiß, so hätte uns die Fee Rademante die Mühe dem blauen Schmetterling durch dick und dünn nachzulaufen, und eine gute Tracht Schläge, die wir um seinetwillen bekommen haben, ersparen, und uns fein sauber zu Hause lassen können – – Aber bin ich nicht ein Narre? dann hätten wir unsere Princeßin nicht gefunden – – Das ist auch wahr, und man mag sagen was man will, wenn sie gleich nur eine – – Sachte! da war mirs beym Element! schon wieder auf der Zunge – Was dann, du abgeschmackter Dummkopf, rief Don Sylvio ungedultig? Entweder schweige gar, oder rede, daß man begreiffen kan was du willst? – Sey ich ein Esel, Herr Don Sylvio, sagte jener, wenn ich selbst etwas davon begreiffe. Wenn man die Sache auf der einen Seite ansieht, so meynte man, die Fee habe euch nur zum besten gehabt; und doch ist es auf der andern Seite richtig, daß sie ihr Wort gehalten hat; das Bildniß ist da, das hat seine Richtigkeit, und die Princeßin ist auch da, ob sie gleich eigentlich zu reden, weder ein blauer Schmetterling, noch was man sagen möchte, eine Princeßin ist; der Henker mag dieses verworrene Zeug auseinander lesen; denn etwas muß man doch seyn, und wenn das Bildniß – – ich weiß selbst nicht was ich sagen wollte, der Kopf wird mir ganz warm davon, wenn ich unsern Begebenheiten nachsinne; daß Feerey darinn ist, das laß ich mir nicht ausreden; denn man kan es, meiner Six, mit Händen greiffen, daß sich das alles nicht von ungefehr so wunderlich zusammen fügen konnte – – Aber wenn ich recht sehe, so kommt dort die Princeßin – – Donna Felicia wollt ich sagen; Sapperment! sie kommt eben recht; wenn sie nur eine Minute später gekommen wäre, so hätte ich, glaub ich selbst, mit alle dem Plaudern zuletzt das ganze Geheimniß ausgeplaudert. Mit diesen Worten entfernte er sich von Don Sylvio, welcher, so bald er seine Schöne erblickte, auf einmal der Neugier vergaß, die der geheimnißvolle Pedrillo in ihm erregt hatte, und mit schnellen Schritten einen andern Gang einschlug, wo er ihr zu begegnen hofte.


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