Christoph Martin Wieland
Die Abentheuer des Don Sylvio
Christoph Martin Wieland

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Fünftes Capitel.

Ein Spatziergang. Klugheit des Don Sylvio.

Sie hatten ihre Abrede kaum genommen, als sich in einiger Entfernung die schmetternde Stimme der Donna Mencia hören ließ, die ihre Gäste, frische Luft zu schöpfen, in den Garten führte, der zwar aus Mangel an Unterhaltung wild genug aussah, aber seiner Anlag und Einrichtung nach überaus anmuthig war. Pedrillo hatte kaum so viel Zeit, sich hinter etliche Hecken von Myrthen in einen andern Gang zu schleichen, wo er unbemerkt aus dem Garten kommen konnte; Don Sylvio aber blieb auf seiner Bank sitzen, bis ihm die kleine Gesellschaft näher kam.

Da es ihm, ungeachtet seiner Thorheiten, nicht an Vernunft fehlte, so begrif er bey der ersten Ueberlegung, daß er um die Entweichung, die er vorhatte, besser zu verbergen, ein Betragen annehmen müsse, welches ohne mit der Erklärung, die er seiner anmaßlichen Tante gegeben, einen allzustarken Absatz zu machen, doch Hofnung fassen liesse, daß er nach und nach vielleicht gewonnen werden könnte.

Er gieng also der Gesellschaft mit langsamen Schritten und einem Gesicht entgegen, welches weder ganz bewölkt noch ganz heiter war; er mischte sich mit einer guten Art in ihre Gespräche, und verbarg so gut er konnte, den Eckel und das innerliche Grauen, so ihm die Schwester des grünen Zwergs in desto höherm Grad verursachte, je mehr sie sich Mühe gab ihm zu gefallen, und ihn merken zu lassen, wie sehr er nach ihrem Geschmack sey.

Zu gutem Glück ersetzte die Eitelkeit der schönen Mergelina alles, was eine Person von feiner Empfindung an seinem Betragen vermißt hätte, so reichlich, daß sie vollkommen mit ihm zufrieden schien, obgleich alles, wozu er sich zwingen konnte, in den Gränzen der gleichgültigen Höflichkeit blieb, die man einem Gast und dem Geschlecht schuldig ist, wozu sie zu gehören schien.

Was seine Tante betrift, so konnte wohl nichts überflüßigers seyn, als die Sorge, die er sich machte, daß sie sein Vorhaben nicht argwöhnen möchte. Sie wußte, daß er weder Geld noch die mindeste Bekandtschaft in der ganzen Gegend hatte, und es fiel ihr also nur nicht als etwas mögliches ein, daß er mit einer Flucht umgehen könnte, wozu ihm alle Mittel fehlten. Es ist wahr, der Ton, womit er sich unterstanden hatte sich ihr entgegen zu setzen, und besonders die letzten Worte, die ihm im Unwillen entgangen waren, hatten sie stutzen gemacht, und sie hatte sich vorgenommen, sich im Hause zu erkundigen, ob vielleicht in ihrer Abwesenheit etwas vorgegangen sey, das ihn zu einer so ungewöhnlichen Sprache veranlaßt haben könnte. Allein die Nothwendigkeit ihrem geliebten Don Rodrigo (denn zu Rosalva war Herr Rodrigo Sanchez so gut Don, als ein Gusmann) Gesellschaft zu leisten, hatte ihr noch keine Zeit dazu gelassen; und da sie ihren Neffen jetzt so höflich gegen Donna Mergelina sah, so hofte sie, daß er sich indeß eines bessern besonnen habe, und hielt es für unnöthig sich mehr um Ausdrücke zu bekümmern, die, wie sie glaubte, gar wohl, blosse Eingebungen einer unbesonnenen Jugendhitze gewesen seyn könnten.


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