Christoph Martin Wieland
Die Abentheuer des Don Sylvio
Christoph Martin Wieland

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Zweytes Capitel.

Ein Gemählde im Geschmacke des Calot.

Don Sylvio, der den Kopf von Schmetterlingen und grünen Zwergen voll hatte, ließ sich wenig davon träumen, daß seine gnädige Tante, indeß, daß er auf die Befreyung seiner beflügelten Princeßin dachte, damit umgieng, ihn mit einem Bürger-Mädgen von Xelva zu verheurathen, und, wenn man die Wahrheit sagen soll, mit dem häßlichsten Dinge, das jemals geheurathet worden ist.

Er war also nicht wenig bestürzt, da er sie, ehe noch Pedrillo mit den Zurüstungen zur Reise fertig war, in Gesellschaft eines Frauenzimmers und einer Mannsperson, die ihm gänzlich unbekannt waren, zurück kommen sah. Er erstaunte noch mehr, da er diese fremde Figuren in der Nähe betrachtete, und insonderheit kam ihm die junge Dame so ausserordentlich vor, daß er sie Anfangs für eine angekleidete Meerkatze hielt. Pedrillo, der ihnen aus der Kutsche steigen half, hatte alle Mühe von der Welt, sich beym Anblick derselben des Lachens zu enthalten, und Don Sylvio, so höflich er sonst war, trat in der ersten Bestürzung ein paar Schritte zurück, ohne die Zufriedenheit zu bemerken, die sich bey seinem Anblick über ihr liebliches Gesicht ausbreitete.

In der That hatte die weise Mencia, um eine Nichte zu haben, die ihren eignen Reitzungen keinen Eintrag thäte, keine bequemere Person auswählen können, als Donna Mergelina.

Wir wollen einen Versuch wagen, ob wir die Einbildungskraft unsrer Leser in den Stand setzen können, sich einige Vorstellung von ihr zu machen.

Sie war vollkommen zwey Ellen und vier Daumen hoch, von einer Schulter zur andern bey nahe eben so breit, und überhaupt so regelmäßig gebaut, daß ihr Kopf ungefehr den vierten Theil ihrer Höhe ausmachte, Hals, Brust und Unterleib aber sich so unmerklich in einander verlohren, daß man unmöglich sehen konnte, wo eines anfieng und das andere aufhörte. Ungeachtet der ausserordentlichen Länge ihres Kinns stellte ihr Gesicht doch ein ziemlich regelmäßiges Viereck vor, denn ihre Stirne war gerade um so viel zu niedrig als ihr Kinn zu lang war. Ihre Augen waren so rund, und standen so weit aus dem Kopf hervor, daß das Beywort, welches Homer der Juno zu geben pflegt, ausdrücklich für Donna Mergelina gemacht zu seyn schien. Ihr Mund war von einer so geräumigen Weite, daß man den Schaumlöffel des Prinzen Tanzai, ohne die mindeste Gefahr ihrer breiten Zähne darinn hätte hin und wieder schieben können, und wenn ihre Lippen jemals von einem Poeten zum Sitz der Gratien gemacht worden sind, so müssen wir gestehen, daß es ein Canape war, auf dem diese Göttinnen Platz genug gehabt hätten, sich im Nothfall noch mit etlichen jungen Liebes-Göttern herum zu tummeln. Ihre Nase war in der That um etwas zu klein, denn man hatte Mühe zwischen ihren dicken und hängenden Backen etwas erhabenes zu entdecken, welches man endlich an den aufgestülpten Naßlöchern für eine Nase gelten lassen mußte; allein das war auch das einzige an ihrer ganzen Person, woran sich die Natur zu karg bewiesen hatte. Zum Ersatz hatte sie hingegen einen Rücken, der so hoch war, als sie sich nur wünschen konnte, ein paar hübsche lange Ohren, und die Hände und Füsse so breit, als es nöthig war, damit sie im Wasser und auf dem Trocknen zugleich leben könnte. Allein, was selbst nach ihrer eigenen Absicht alle diese Schönheiten verdunkeln sollte, war ein Busen, aber ein Busen, wie man, zumal in Spanien, wenige sieht; in der That ziemlich weiß, aber von einem so unmäßigen Umfang, daß er für eine Statue der Venus Callipygos sehr füglich das Modell zu einem ganz andern Theile des Leibes hätte abgeben können. Sie schien sich auf diese Art von Schönheit so viel einzubilden, daß sie dieselbe mit einer Freygebigkeit auslegte, welche von strengen Sittenlehrern vielleicht ärgerlich hätte genennt werden können, wenn sie weniger eckelhaft gewesen wäre.

Was die Farben betrift, so die Natur gebraucht hatte, ein solches Meisterstück auszuschmücken, so waren sie allerdings so wunderbar gemischt, daß sie einem Vandyk zu schaffen gegeben hätten. Sie hatte weder blonde Haare wie Ceres, noch braune wie Venus, noch goldfarbe wie die Schöne mit den goldnen Haaren, die ihrige waren feuerfarbig und dabey von Natur so geradlinicht und kurz, daß sie die Kunst und Gedult einer CypaßisPonendis in mille modis perfecta capillis
Comere sed solas digna, Cypassi, Deas.

                                                Ovid
zu Schanden gemacht hätten. Ihre Augen waren hellgrau, Stirne und Wangen olivenfarbig, und wo es sich gehörte, mit braunroth getuscht, ihr Maul, (wenn es uns für dißmal erlaubt ist dieses Wort zu gebrauchen) spielte ein wenig auf meergrün, und verlohr durch die Schwärze ihrer grossen ungleich gewachsenen Zähne nicht das mindeste von seiner Anmuth; und ihre Arme und Hände hatten eine so natürliche Leder-Farbe, daß sie die Ausgabe völlig ersparen konnte, die andre Frauenzimmer auf Hunds-lederne Handschuhe wenden müssen.

Alles dieses nun, welches ohne Zweifel eine Art von Figuren ausmachte, die man selten anderswo als auf Caminen zu sehen bekommt, war durch einen Putz erhöht, der von dem Geschmack der schönen Mergelina eine so gute Meynung erweckte, daß man sie nur anzusehen brauchte, um die ungemeine Harmonie des Leibes und der Seelen in ihr zu bewundern, die nach den Grundsätzen des Pythagoras die höchste Schönheit ausmacht. Sie trug einen Rock von hochgelbem Atlas mit Silber gestickt, ein Corset von grünem Taft, himmelblaue Bänder, eine Feuerfarbe Feder, carmesinrothe Schuh mit Gold, und rosenfarbe Strümpfe mit silbernen Zwickeln.

Diese liebenswürdige Person hatte mit Hülfe des höflichen Don Sylvio kaum einen kleinen Saal erreicht, in welchem Donna Mencia ihre Besuche anzunehmen pflegte, als ihr erstes war, zu einem Spiegel zu watscheln, um, wie sie sagte, die Unordnung zu verbessern, so die Reise in ihrem Anzug gemacht hatte. Man setzte sich hierauf, und während daß die Dame Beatrix mit einigen Erfrischungen erwartet wurde, schien jede Person in dieser kleinen Gesellschaft verlegen zu seyn, was sie mit sich selbst und mit den andern anfangen sollte. Donna Mergelina spielte mit ihrem Fächer, oder gafte in den Spiegel, dem sie sich gegen über gesetzt hatte, Herr Rodrigo sah bald die jugendliche Mencia bald seine Beine an, Don Sylvio machte grosse Augen und schien zerstreut, und die gute Tante hatte immer den Mund halb offen; ohne daß sie wußte, was sie sagen wollte.

Herr Rodrigo war eben im Begriff zu bemerken, daß es schön Wetter sey, als die aufwartsame Beatrix herein trat, um die Conversation mit einem grossen Korb voll frischer, trockner und eingemachten Früchte zu beleben. Jezt wurde der Gesellschaft auf einmal leicht ums Herz. Donna Mergelina hatte Anlaß ihre gute Erziehung sehen zu lassen, indem sie mit vielen Complimenten und Verneigungen die Ungelegenheit bedaurte, die man sich ihrentwegen mache; Complimente und Grimaßen, die von der höflichen Donna Mencia mit eben so vielen Gegen-Complimenten und Gegen-Grimassen beantwortet wurden. Man machte hierauf die Beobachtung, daß die Erdbeeren sehr groß und die Kirschen von vortrefflichem Geschmack seyen, man lobte die eingemachten Nüsse und Pfersiche, und Donna Mencia nahm davon Anlaß zu einer gelehrten Abhandlung von der Kunst Confituren zu machen, bey welcher der Herr Procurator so lange Weile hatte, daß er sich möglichst angelegen seyn ließ, den Gegenstand derselben aus dem Wege zu räumen, um das Gespräch auf einen Proceß lenken zu können, den er würklich unter Händen hatte, und wovon er, so bald er Gelegenheit hatte das Wort zu nehmen, die Damen auf eine sehr galante Art unterhielt.


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