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Siebzehnter Abschnitt.


Es geschieht ein Wunder und wir erfahren auf dem Kidron, woher der Wind weht; das Nanne hält fröhliche Hochzeit und die Eva bricht sich einen Zahn aus.

 

Etliche Wochen nach Ostern ging der alte Lazarus gar geschäftig im Städtlein umher, rührte seine Trommel, daß ihm alle Kinder nachliefen und alle Erwachsenen die Köpfe aus den Fenstern streckten, und buchstabierte aus einem Zettel, daß des Friedrichs Anwesen am ersten Mai »freiwillig« an den Meistbietenden versteigert würde und daß sich die Kauflustigen an eben demselben Tage um die neunte Morgenstunde im Wirtshause zur goldenen Krone einzufinden hätten.

Es fanden sich aber der schlechten Zeiten halber, in denen das Geld immer seltener wurde, nicht gar viele Kauflustige ein, und jene, die etwa Miene machten, mitzubieten, und die deshalb zur bestimmten Frist der goldenen Krone zusteuerten, kehrten zumeist beim Tore schmunzelnd wieder um.

Dort stand nämlich der Buckel von Bergdorf und drückte jedem, der wirklich ein Auge auf das kleine Besitztum geworfen zu haben schien, unter verständnisinnigem Blinzeln die Hand, und wer sie dann heimlich öffnete, hatte eine Zehnerbanknote oder ein Dukätlein drin und ging damit, des leichten Erwerbes froh, schleunigst nach Hause.

siehe Bildunterschrift

Das Schneckenhaus in der Mühlgasse.

Das tat der Buckel, der für dergleichen dunkle Geschäfte immer zu haben war, im Auftrage und Solde eines Zimmermeisters, der sich auf diese Art die unbequemen Steigerer vom Halse hielt und so das Gütlein samt dem Schneckenhause Vom Zimmermeister und den späteren Besitzern wurde mein Geburtshaus, das als zweites Bild diesem Buche beigegeben ist, mehrfach um- und ausgebaut. Der Teil rechts von der Türe (vom Beschauer aus) war ursprünglich Stallung, Heubühne, Dreschtenne und Holzschupfen, das Gitter vor dem Hause fehlte, der große Baum, der nunmehr weit übers Haus ragt, reichte damals kaum zum ersten Stockwerke, wo wir wohnten. Zu ebener Erde war die Waschküche und die Wohnung der Flirscher Ploni um einen Spottpreis erstand, der lange nicht die Hälfte des wahren Wertes betragen mochte.

Es war übrigens bei diesem Raubhandel kein Segen: Von Stunde an wandte sich des Zimmermannes Glück und sein Stern erblaßte, alle seine Unternehmungen schlugen fehl, das Vertrauen der Guten und Rechtlichen ging ihm verloren, er geriet immer tiefer und tiefer in Schulden und flüchtete schließlich bei Nacht und Nebel nach Amerika, also daß es sich auch hier klärlich zeigte, daß unrecht Gut nimmer gedeihen mag und daß das Blut der Waisen laut und vernehmlich zum Himmel schreit.

Aber wie der gestrenge Herr Vormund des verkürzten Friedrich seine Übereilung einzusehen begann, da war es längst zu spät, und was man einmal gesündigt hatte, das ließ sich nun einmal nicht mehr rückgängig machen.

Auch wir hatten uns bereits in Unvermeidliche ergeben, und so trug sich im schönen Monat Mai das Wunder zu, daß die Schnecken, denen doch ihr »Klein-aber-mein« gemeiniglich an den Buckel gewachsen ist, auf einmal das Häuslein am Marktplatze verließen, beim Hafnermeister vorbei und über den Mühlbach ins Städtlein krochen und sich in dem noch kleineren Schneckenhause festsetzten, das der Vater Senza klüglich erworben hatte.

Wahrhaftig, wir mußten fast einen ganzen Nachmittag über Hals und Kopf arbeiten, bis es uns gelungen war, unsere Fahrnisse ins neue Heimatlein zu bringen, so viel Zeug hatten wir!

Freilich ... unser Wagen hatte nur zwei Räder und es ging zumeist bergauf und vorgespannt war nur die Eva und stoßen tat nur die Senza, und erst als es galt, das Ungetüm von einem Haspel fortzuschaffen, da griff auch der Bräutigam des Nanne zu.

Dafür mußte aber die Eva versprechen, das demnächst stattfindende Hochzeitsfest mit ihrer Anwesenheit zu beehren, und eine Beihilfe unter solcher Bedingung kam, wie wir bald sehen werden, ein gut Teil teurer zu stehen, als wenn die Base gleich einen Taglöhner aufgenommen hätte.

Auch unsere Unterstützung konnte füglich nicht gar hoch angeschlagen werden, die meines Brüderleins schon gar nicht; denn der Lorenz trug an jenem Tage die Katze, eine Tochter der dem Leser aus der Zeit meiner Entdeckungsreisen bekannten Minna, wohl eindutzendmal ins Städtlein hinauf, und so oft er sie in der Stube der neuen Wohnung frei ließ, so oft lief sie miauend ins alte Heim zurück, also daß das Werk unter reichlichen Tränengüssen, Versprechungen und Drohungen von neuem begonnen werden mußte ... eine Sisyphusarbeit, deren ich später gar oft lächelnd gedenken mußte, wenn ich mich als junger Gelehrter in die Dichtung des Griechen Homer versenkte und mit Hilfe eines gewaltigen Wörterbuches die Geschichte von dem boshaften Felsblocke las, vom tückischen Marmor, der immer wieder, so oft ihn auch der unglückliche Verdammte den Berg hinaufgewälzt hatte, hurtig mit Donnergepolter entrollte.

Ich jedoch erwies mich schon nützlicher. Zuerst brachte ich meine Bücherei, vorab die Geschichtenbücher, in Sicherheit. Dann barg ich meine Meerschweinchen. Hierauf schleppte ich eine zahme Krähe in ihrem schweren Holzkistenkäfig bergan. Endlich trug ich alles, was immer bei einer schüttelnden Fahrt zerbrochen werden konnte, Blumenstöcke und Küchengeschirr, eingerahmte Heiligenbilder und meinen Hausaltar in die Mühlgasse.

Und als wir nun ums Zunachten das Schneckenhaus am Marktplatze völlig geräumt hatten und mit der letzten Fuhre, den Holzresten und dem Waschzuber, über den Kidron, das heißt über den Mühlbach, wollten, da saß der Buckel von Bergdorf zusammengekauert auf dem Brückengeländer, rieb sich die Hände, spuckte auf den Boden und rief der Eva höhnisch zu:

»Na – pt – sanftes Evele, jetzt wär's vielleicht an der Zeit, daß wir wieder ein – pt – Wörtlein miteinander täten reden! Mir scheint, jetzt bist nimmer so gut dran, daß du eine reiche – pt – Partie leichtlich magst ausschlagen, und drum eben sitz' ich da und frag', ob dir's überlegt hast und ob der – pt – Adam nicht doch noch sein Weible überkommt!«

So höhnte der Buckel. Nun ging der Eva plötzlich ein Licht auf und sie fühlte auf einmal so deutlich, woher der Wind seit dem Tage geweht hatte, da der Buckel mit einem Korb abgezogen war, daß es ihr eiskalt über den Leib lief und ihre Haut sich zu Perlen aufwarf.

Aber sie hatte, im Leiden und Gottgedenken gekräftigt, sich längst schon wieder gefunden, und darum verlor sie auch jetzt, wo die ungeheure Bosheit taghell vor ihrer Seele lag, wo sie jede Masche des Lügengewebes mit Händen greifen konnte, des teuflischen Netzes, das sich um ihr schuldloses Haupt verwickelt und selbst wohlmeinende Leute irregemacht hatte, auch jetzt verlor sie die Fassung nicht.

Mit einem Rucke ließ sie den Karren stehen, mit einer raschen Handbewegung schleuderte sie die Schlinge des Zugbandes von sich und im nächsten Augenblicke stand sie dem Buckel dicht unter der langen Spitzbubennase.

»Wahrlich,« rief sie, »ich hab's richtig getroffen, wie ich in der Gemeindestube hab' g'sagt, nur der Teufel könn' so eine himmelschreiende Bosheit anzetteln!

Und jetzt nimmt's mich nimmer Wunder, daß die Leute sagen, die Bergdorfer Schlucht sei der Eingang zur Hölle und beim Petersstein im Bergwald kämen die bösen Geister zusammen. Vergl. »Alraunwurzeln«, 4. Aufl, S. 193 ff. Natürlich, weil du in der Schlucht hausest, so hat dich der Teufel gleich bei der Hand, wenn er Unkraut säen will in den schönsten Weizen und er einen Helfershelfer braucht, der noch nichtswerter ist als er selber!

Also du hast's zuwege gebracht, daß der Friedrich fort hat müssen und daß man uns mit Schimpf und Schande aus dem Häuslein verjagt hat! Also du hast die ganze Verwandtschaft des Friedrich gegen mich gehetzt! Also du hast das empfindsame Herz des armen, verzagten Burschen mißbraucht und ihn zum Narren gemacht!

Und nachdem du uns alle so recht ins Elend hinein gesetzt hast, da meinst du, jetzt sei ich weich geworden und jetzt brauchst du mich nur so am kleinen Fingerlein herauszuziehen und als Sklavin vor dir her in dein Teufelsnest zu treiben!

Ei, da hat sich der Schwarze doch einmal verrechnet ... kannst ihm's sagen, wenn du mit ihm zusammenkommst heute abends! Die Eva ist nicht weich geworden im Elend und nicht nachgiebig im Unglück sondern hart wie Stahl, und wenn ich von jetzt an mit diesen Waislein da betteln gehen müßt' von Haus zu Haus und in den Ställen herumliegen bis zu meinem hundertsten Jahre, du aber wärest der Kaiser über die ganze Welt und säßest auf einem Throne aus lauterem Gold und Edelgestein und wolltest mich zur Kaiserin machen und die Buben da zu Prinzen, so tät' ich zum Bettelstab greifen und vor dir ausspucken, du niederträchtiger, gottverlassener Buckel du!«

Bei diesen Worten fuhr die Eva dem auf dem Brückengeländer kauernden Buckel mit ihren muskelstarken Armen so bedenklich gegen den Kopf, daß er erschreckt zurückfuhr und im nächsten Augenblicke, so lang oder kurz er war, mit ausgebreitetem Rocke gleich einem verunglückten Trauermantelschmetterling im Mühlbache schwamm.

Es hatten sich aber während des lautgeführten Wortwechsels nicht wenig Neugierige eingefunden, und wie nun der Buckel, der trotz seiner vielfachen Verwendbarkeit doch nirgends beliebt war, plötzlich sich wie ein elastischer Zirkushanswurst in der Luft überschlug und unter der Brücke durchrann, da erhoben alle ein unbändiges Gelächter und schrien den Weibern zu, die weiter unten mit geschürzten Röcken und aufgebogenen Hemdärmeln Wäsche schwemmten, sie möchten doch den seltenen Tintenfisch auffangen und an der Bretterwand der Wäschhütte in die Sonne hängen, damit sich das Sprüchlein erfülle und nicht zu ertrinken brauche, was für etwas Höheres bestimmt sei.

Der Bach war jedoch nicht gar tief und so konnten die Beinlein des Buckels, nachdem er sich vom ersten Schreck der unerwarteten Abkühlung erholt hatte, wieder Boden finden und er kroch, eine durchnäßte Maus, ans Ufer, spuckte und schüttelte sich und wandelte scheltend gen Bergdorf in die Schlucht, um dem Satan sein Leid zu klagen.

Wir aber richteten uns in der neuen Heimat wohnlich ein, und da den Kindern alles Neue und aller Wechsel nicht übel behagt, so gaben wir uns bald zufrieden, umsomehr, als die nächsten Wochen der Hochzeit halber, die zwischen dem Nanne und dem Fabriksöler stattfinden sollte, vielfache Anregung und Ablenkung boten.

Auch ich sollte an der Festlichkeit teilnehmen dürfen!

Da jedoch meine Kleider, deren ich wenige genug besaß, zwar durchaus reinlich und mit Sorgfalt gebüßt waren, aber nichts weniger als hochzeitlich erschienen, so mußte bei einem befreundeten Kinde vornehmerer Leute ein besseres Gewand geborgt werden.

Nun hatte mein Altersgenosse Wilhelm, der Sohn eines Kaufmannes, ein gar prächtiges graues Höslein, ein Röcklein von gleicher Farbe, in das man mit dem Kopfe hineinschliefen mußte, Lackstiefelchen, die gleich zwei wandelnden Spiegeln leuchteten, und um die Hüften einen Glanzriemen mit vergoldeter Schnalle, der mir das Wasser zog, so oft ich ihn anschaute.

Diese Kleider sollte ich am Festtage tragen dürfen, und ich trug sie auch und war in dem fremden Staat so voll Seligkeit, daß ich heute noch meinem lieben Wilhelm für die Guttat danken möchte, die ein armes Kind, wenn auch nur für einen Tag, ganz glücklich gemacht hat.

Mein lieber Wilhelm trägt nun schon seit Jahren das Gewand des heiligen Franziskus und ist Professor in einer Stadt Tirols; sollte er diese Geschichte in die Hand bekommen, so mag er sich meiner in alter Freundschaft erinnern und meinen Dank auf diesem etwas ungewöhnlichen Wege entgegennehmen. Auch tue ich ihm kund: Ich konnte wirklich nichts dafür, daß das geborgte Gewand mit einigen Flecken zurückgestellt wurde! Ich war den ganzen Tag so vorsichtig, daß ich mich kaum niederzusitzen getraute, und als ich mich endlich doch bewegen ließ, einen Stuhl zu benützen, da hatte der Vetter Ludwig, der vornehme Herr, richtig schwarzen Kaffee darauf geschüttet, also daß ich weinend in der Brühe saß und von dem Bösewichte obendrein noch ausgelacht wurde!

Die Hochzeit selber aber verlief also:

Zuerst wurde das Brautpaar nach alter Sitte an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen in der Kirche verkündet oder, wie die Leute sagen, von der Kanzel heruntergeworfen, und da kein Mensch eine Einwendung erhob, so wurde der letzte Maimontag zur Vermählung ausersehen.

Am Tage zuvor empfingen die Brautleute mit gebührender Andacht die heiligen Sakramente der Buße und des Altars, um mit reinem Herzen in den Stand zu treten, auf dem das Wohl der Zukunft beruht und der den Beteiligten Pflichten auflädt, deren Ernst leider nur viel zu wenig gewürdigt wird.

Am Morgen des Festtages versammelten wir uns bereits beim Grauen in der Stube, in der das Großmütterchen einst gespult und Langbirnen gegessen und der Schuster Lorenz durch eine rechtzeitige Widersetzlichkeit meiner Krummheit gesteuert hatte.

Auch die Trauungszeugen, die Ehrengesellen, hatten sich in dunkler Gewandung eingefunden, und während wir unter fröhlichem Geplauder das Frühmahl, die Morgensuppe, verzehrten, nadelten die Braut und die Kranzeljungfrau Eva jedem der männlichen Gäste kleine Blumensträußchen, Rosen, Nelken und Rosmarin an die Brust.

Am geschäftigsten zeigte sich der Vetter Ludwig, der vornehme Herr aus dem Welschlande, gewesener Kaiserjäger und seiender Papiermacher.

Der hatte nun freilich seit seiner Rückkehr in schwerer Arbeit von seiner Vornehmheit manches eingebüßt, und da er auch ein eigenes Hauswesen zu gründen dachte, so war er von Tag zu Tag fleißiger und sparsamer geworden; aber hie und da spukte ihm doch noch die vergangene Herrlichkeit im Kopf, wie ja auch der abgeschabteste Samtrock nie allen Glanz verliert, und wenn sich die Gelegenheit bot, verstand er es so gut wie einer, sich den gehörigen Anstrich zu geben und feine Lebensart sozusagen in die Bauernstube zu verpflanzen.

Also sprach er den ganzen Tag nur mehr das reinste Hochdeutsch, guckte in alle Töpfe und roch an allen Flaschen, war mit seinen Ratschlägen überall zur Hand, erzählte des langen und breiten von den Herrlichkeiten, die er als Soldat gesehen haben wollte, und rieb einen alten Zylinderhut, den er sich vom Stadtschreiber ausgeborgt hatte und der sich in so gemeiner Gesellschaft offenbar sehr unbehaglich fühlte und des Sträubens kein Ende fand, mit dem rechten Unterärmel seines Staatsrockes unermüdlich rundherum glatt.

»So da,« sagte er, »jetzo hat es nun schon eben bereits drei Viertel auf sechs Auher geschlagen und jetzo müessen wir halt anfangen gen gehen!«

Da griff die alte Mutter des Bräutigams, die während unserer Abwesenheit das Haus zu hüten hatte, in den Weihwasserkessel und segnete den Sohn und die künftige Tochter, und wie die Braut über die Schwelle treten sollte, hub sie so bitterlich zu weinen an, daß wir genugsam zu trösten und zu beruhigen hatten.

Es galt aber solch ein Weinen als gutes Zeichen für eine lange und glückliche Ehe, und so nahmen wir uns die Trauer der Braut nicht allzusehr zu Herzen, ja wir freuten uns beinahe über ihre Klagen, ebenso wie wir uns im entgegengesetzten Falle über ihre Munterkeit im stillen geärgert hätten.

Nachdem nun die gewünschten Tränen getrocknet waren und der Zeremonienmeister Ludwig den Brautzug mit gewaltiger Wichtigtuerei geordnet hatte, gingen wir schön paarweise zur Kirche, und es waren ihrer im ganzen sieben Gäste, wozu sich, nachdem die Trauung vollzogen war, noch der Mesner gesellte, der seit mehr als vierzig Jahren jeder Hochzeit der mittleren und niederen Ständen beigezogen wurde, weil er als trefflicher Redner galt und am Schlusse des Mahles die übliche Abdankung, ohne die eine Hochzeit nicht für vollständig gegolten hätte, mit großer Geläufigkeit und nicht minderem Nachdruck zu halten verstand. Auch trug er durch sein lustiges Wesen viel zur Unterhaltung bei; denn er konnte allerlei Tierstimmen nachahmen, zur Laute heitere Liedlein singen oder ein Tänzlein pfeifen, er konnte hundert Schnurren erzählen, über die man sich beinahe zu Tode lachen mußte, ja er besaß die Gabe, so lange man es haben wollte, in Reimen zu sprechen und auf jeden, der sich irgendwas zuschulden kommen ließ, ein neckisches Gesetzlein zu machen.

So ein Mann durfte dort, wo auch die Freude ihr Recht haben wollte, nicht fehlen.

Nachdem also der gute Pfarrherr das Paar zusammengegeben und es mit herzlichen Worten ermahnt hatte, in Liebe und Treue auszuharren und, so die Ehe mit Kindern gesegnet würde, selbe in der Furcht Gottes und in allem Guten zu erziehen, stiegen wir von der Höhe, auf der die Kirche weit ins Land lugt, herab und fuhren in zwei gar weichgepolsterten Halbwagen, die Herr Pfeifer, des Städtleins erbgesessener Postmeister, auf Rechnung des Bräutigams beigestellt hatte, durchs ganze Walgau und über die Gymnasialstadt hinaus in den nämlichen Markt, in dessen Mitte die uralte Marienkirche herrlich aufragt und in dessen Nähe der Galtbrunnen in tannendunkler Waldschlucht sich dehnt!

Dort hielt der Wagen vor dem Wirtshause zum goldenen Ochsen, und als wir uns mit einem Schlücklein guten Rotweines gestärkt und der Bräutigam ein für unsere Verhältnisse gar vornehmes Mittagmahl bestellt hatte, eilten wir frommen Sinnes den Berg hinan, um der Muttergottes einen Besuch abzustatten und uns ihre gnadenreichen Fürbitte zu versichern.

Auch ließen wir uns mit dem wundertätigen Kreuze segnen, das nebst dem Marienbilde als kostbarer Schatz in der Kirche aufbewahrt wird und von dem die Legende berichtet, ein Wildbach habe es in uralten Zeiten aus dem Gebirge geschwemmt und ein Ochsengespan habe dasselbe durch Schickung des Himmels, aller menschlichen Leitung bar, auf den Berg unserer lieben Frau gezogen, also daß von Gott selbst dessen bleibende Wohnstätte bestimmt worden sei.

Wir genossen aber auch die überwältigende Herrlichkeit der Aussicht, die sich uns auf einem Balkengange darbot, der sich über dem schaurigen Felssturze längs der Kirchenmauer hinzog, und obschon ich damals keinen der ins Blaue ragenden Bergriesen, weder den Säntis noch den hohen Kasten, weder die drei Schwestern noch den hohen Freschen oder die ob dem Viktorsberge emporragende grüne Kugel mit Namen kannte, und obschon mir alle Dörfer ringsum, die aus den Blumen- und Blütengärten der lachenden Ebene heraufblickten oder zwischen den Waldflecklein der Berglehnen herüberwinkten, lauter spanische Dörfer waren, so konnte ich mich doch kaum satt sehen und mein durstiges Auge kehrte immer wieder zu all der Pracht und zu dem Silberbande des Rheines zurück, der sich am Fuße der St. Gallner Alpen in den Bodensee hineinschlängelte.

Und wie nun der Mesner trotz der Heiligkeit des Ortes einen fröhlichen Jauchzer übers Tal hinstieß, da hob auch ich mein Stimmlein und krähte gleich einem jungen Hahne, der zum erstenmale aus der Steige in die freie Welt hinausspaziert, so laut und kräftig ich's nur vermochte.

Und was soll ich nun von der Hochzeitstafel alles berichten?! Mein lieber Gott, die Menschheit ist heutzutage so verwöhnt und so ungenügsam, daß sie beim Durchlesen unseres Speiszettels höchstens den Kopf schütteln und die Achseln verächtlich aufschupfen würde!

Nun ja, nach den heutigen Anforderungen, denen der studierteste Koch und der kühnste ... Schuldenmacher kaum gerecht zu werden vermag, oder auch nach gewissen Landesbräuchen, wo jedes Fest durch unendliches Fressen geheiligt werden muß, war unsere Hochzeit wie beim Kartenspiel der aufgelegte Bettel; aber da bei uns allen, den Mesner etwa ausgenommen, Schmalhans das ganze Jahr hindurch in der Küche saß und wir nie Gelegenheit hatten, auf die sich biegenden Tische reicher Prasser zu schielen, so hielten wir bei Suppe, Rindfleisch und Kalbsbraten königliche Tafel, und wenn auch der Ochsenwirt aus Eigenliebe nur Urgroßmütterkühe schlachten mochte oder Kälblein, die den Jahren des Gescheitwerdens nahe standen, so tat dies unserer fröhlichen Stimmung, die durch zwei Maß süßen Zimtweines nicht unbeträchtlich gehoben wurde, durchaus keinen Eintrag.

Wir bissen tapfer darauf los oder schluckten die widerspänstigen Bröcklein auch ganz hinunter und nur die Eva hatte ein kleines Mißgeschick zu erdulden; denn sie griff auf einmal zum Munde und sagte:

»Ei, luget doch, jetzt hab' ich mir da einen Zahn mordsweg ausgebissen!«

Darob entstand nun, wie beim Göttertische im Heidenhimmel, unendliches Gelächter und die Eva wurde von den beiden Junggesellen sowie dem Mesner vielfach gehänselt.

Es sei gut, daß ihr die Zähne allsgemach ausfallen täten, meinte der eine, denn so verliere sie endlich ihre stadtbekannte Bissigkeit und brauche nicht zu gewärtigen, daß der Gemeindebeschluß, ihr demnächst einen Maulkorb umzuhängen, zur Ausführung komme.

Ein anderer meinte, die erste Zahnlücke sei das Grab des Mannes, und also müsse sich die Eva schon darauf gefaßt machen, dereinst als alte, einschichtige Jungfrau zu versterben und nach ihrem Tode im Riede und Röhricht als unerlöste Seele zu geisten.

Und der Mesner wurde gar zum Dichten aufgelegt und hub an:

»Wer dir tut ins Gesicht gucken
Und sieht die Zahnlucken,
Der kehrt dir den Rucken
Und tut sich drucken!«

Die Eva aber verstand es, dergleichen Hiebe aufzufangen und zurückzugeben, und so vergingen die Stunden beim harmlosen Wortgeplänkel nur allzu schnell.

Nur die Ochsenwirtin, eine kurzhalsige und dickköpfige Fettwalze, wollte in die allgemeine Heiterkeit so wenig einstimmen, wie der trübsinnige Buhi in den Gesang der munteren Vögelein.

Da es ihr nicht gelang, den aus Schultern, Achseln und Brust behaglich ruhenden Kopf zu schütteln, fuhr sie mit dem Zeigefinger der rechten Hand vor ihrer Uhunase hin und her, seufzte und sagte:

»O mein Gott, o mein Gott, da haben wir's wieder und die Jungfrau aus dem Oberlande scheint kein Sonntagskind zu sein! Denn wisset, Leutlein, alles auf der Welt hat seine Bedeutung: die Schwalbe, die du fliegen siehst, und das Glöcklein, das du läuten hörst, der Stein, über den du stolperst, und der Klee, den du aus dem Grase hebst, und so bedeutet das Ausbrechen eines Zahnes, daß jemand sterben muß, der dem Herzen nahe steht.«

Diese Worte der dicken Prophetin dämpften die Freude und boten dem hellen Gelächter Einhalt, und wenn der Vetter Ludwig auch meinte, es sei der bereits gestorben, an dem sich die Eva den Zahn ausgebissen habe, so wollte der Spaß nicht mehr recht verfangen und die Fröhlichkeit nimmer aufflammen.

Da erhob sich der Mesner, machte eine feierliche Miene und hielt die Abdankungsrede, Teilweise wörtlich nach einer Handschrift des Mesners, die mir dessen Witwe zur Verfügung gestellt hat. indem er anhub:

»Um vor allem dem Geber alles Guten für die genossene Mahlzeit den schuldigen Dank zu entrichten, lasset uns beten ein andächtiges Vaterunser und Ave-Maria!«

Da erhoben wir uns von den Stühlen und sprachen ein stilles Gebet. Hierauf fuhr der Redner also fort:

»Hochansehnliches Brautpaar und Ehrengäste!

Indem Sie heute das heilige Sakrament der Ehe empfangen haben und hiemit eine neue Epoche in Ihrem Leben beginnt, so sei mir vergönnt, besonders an Sie, edles Brautpaar, einige Worte zu richten!

Wir lesen im ersten Buche Mosis, daß, nachdem Gott Himmel und Erde erschaffen, er zuletzt den Menschen schuf und nannte ihn Adam, das heißt Erde, wie seine Mutter, aus der er ihn geschaffen. «Allein», sprach er, «es ist nicht gut, daß der Mensch allein bleibe; ich will ihm eine Gehilfin geben». Nahm daher, als Adam schlief, ihm eine Rippe aus dem Leibe und schuf daraus die Eva, welche mit ihm die Freuden und Leiden dieses Lebens teilen sollte.

Daraus ersehen wir, wie altehrwürdig und heilig der Ehestand ist, indem er Gottes Werk ist.

Friede, Liebe und Eintracht sollen die Grundpfeiler sein, worauf dieses schöne Gebäude ruhen soll.

Friede in der Ehe zu halten, sei daher meine erste Mahnung!

Wenn aber der Friede aus einer Ehe nicht verschwinden soll, so ist es vor allem notwendig, daß Eheleute einander im Innersten ihres Herzen liebhaben. Diese Liebe aber soll nicht bloß eine sinnliche sein, welche die Zeit mit der Blüte des Lebens verschwinden macht und die dem Abendrote gleicht, welches vergeht, sobald die ersten Sterne am Himmel sich zeigen. Nein, die Liebe muß eine geistige sein; denn nur eine solche kann das wahre Glück der Ehe erhalten.

Es scheint ja auch in diesem Stande nicht immer die Sonne, gar oft verbirgt sie sich hinter unheilsschwangeren Wolken, und Kummer und Sorge halten ihren Einzug.

Aber die wahre Liebe weiß sich auch dann zu trösten; denn in ihrem Gefolge ist ja die christliche Geduld, welche auch das größte Ungemach mit männlichem Mute zu tragen vermag.

Ja, gewiß, meine Teuren, wo wahre Liebe zwischen Eheleuten herrscht, da ist weder Glück noch Unglück imstande, den häuslichen Frieden zu stören; denn eines erträgt mit Nachsicht die Fehler und Gebrechen des anderen und jedes schätzt die Vorzüge des anderen mehr als seine eigenen.

Liebet aber auch den Nächsten, seid barmherzig gegen die Armen!

Vergeßt ferner nie, für Eure Eltern zu beten! Ihnen seid Ihr alles schuldig. Sie sind es, welchen Ihr Euer Dasein zu verdanken habt, welche für Euch von der Stunde Eurer Geburt bis in Euer reifes Alter mit der zärtlichsten Liebe sowohl bei Tag als in der Nacht weder Mühen noch Beschwerden scheuten, um Euer Wohl zu fördern, welche Euch von allen Fallstricken der bösen Welt zu bewahren suchten, welche sich den letzten Bissen vom Munde absparten, um Euch zu sättigen.

Und sollte Gott, der Allmächtige, auch Euere Ehe mit Kindern segnen, so nehmet diese mit dankerfülltem Herzen als ein Geschenk des Himmels an! Pflegt die zarten Pflanzen mit allem Fleiße und aller Sorgfalt, damit sie blühen und einst Früchte für die Ewigkeit tragen mögen! Vergeßt nicht, daß von einer guten oder schlechten Erziehung der Kinder künftiges Wohl oder Wehe abhängt; denn wo ist das Gebäude, dessen Grundpfeiler, auf lockeren Sand gebaut, nicht beim Anpralle eines Sturmes als dessen Opfer fallen?

Welche Freude aber sind gut erzogene Kinder für die Eltern, wenn sie sehen, wie diese mitten in einer verderbten Welt Ehre und guten Namen rein und unbefleckt zu bewahren wissen! Ja fürwahr, solche Kinder berechtigen die Eltern zu der schönsten Hoffnung, daß sie in ihrem Alter an ihnen eine kräftige Stütze finden werden, woran ihr schwacher Körper ausruhen kann.

Und wenn dann der Abend ihres Lebens heranbricht, können sie mit heiterem Gemüte in die Vergangenheit zurückblicken und ihr Hingang zum Allvater wird sanft sein wie Morgenschlummer und das Erwachen in einem besseren Leben die freudigste Entzückung, welche nie eines Menschen Herz empfunden!

Euch aber, ehrenwerte Hochzeitgäste, die ihr als Anverwandte und treue Freunde mit dem anwesenden Brautpaare den schönsten Tag seines Lebens feiert, euch spende ich im Namen der Brautleute meinen Dank. Ihr habt im heitern Gespräche, bei einer wohlbesetzten Tafel aufs Wohl der Brautleute die Becher geleert und dadurch den Bund der Freundschaft wieder erneuert. Gott kräftige in euch den Entschluß, einander auch in den Tagen der Not nie zu verlassen, wie ihr einander in den Tagen des Glückes gefunden habt.

Schließlich muß ich aber nach altem Herkommen und Brauch noch einen Gegenstand berühren, der zwar etwas zarter Natur, für die Brautleute jedoch von großer Wichtigkeit ist.

Der Wirt hat seine Schuldigkeit getan und die Tafel reichlich besetzt und auch an gutem Weine gebrach es nicht; jetzt aber will er bezahlt sein und streckt allbereits die Hände aus.

Dieses sauere Geschäft geht nun allerdings den Herrn Bräutigam an.

Da es aber eine unumstößliche Wahrheit ist, daß eine schwere Bürde leichter von mehreren als von einem einzelnen getragen wird, so zweifle ich keinen Augenblick an der Bereitwilligkeit der Hochzeitsgäste, ihren Teil tragen zu helfen, umsoweniger, da ja alle wissen, wie viele Auslagen Eheleute haben, um ihr Hauswesen einzurichten.

Es stehen hier der Freigebigkeit keine Schranken,
Es werden genommen Taler und Franken
Sowie Gulden von Gold und Papier,
Es mögen drei sein oder vier.
Gewiß werden euch für solche Spende
Die Brautleute danken bis ans Ende,
Und vielleicht stimmt in den Dank übers Jahr
Ein Söhnlein oder ein Töchterlein gar.
Dann werdet ihr sprechen und denken:
Ja, Brautleuten soll man was schenken;
Denn kaum kommen die Kinder zum Taufen,
Muß man schon allerlei Sachen kaufen.
Das ist nun freilich bitter gar sehr;
Jedoch ... das wußten sie alles vorher.
Drum soll man vor allen Dingen
Geduld in den heiligen Ehestand bringen,
Dann wird Friede und auch Heil
Eheleuten hier wie dort zuteil ... Amen!«

Durch diese Rede des Mesners waren wir alle sehr erbaut und die Hochzeitsgäste griffen eilig nach dem Geldbeutelein und zählten die Gulden ab, die sie zur Bestreitung der Festauslagen beizusteuern gedachten.

Die Eva legte drei blinkende Silbergulden vor sich unter den Tellerrand und mir steckte sie deren zwei zu, und nun fingen wir an, die Braut nach altem Herkommen zu beschenken.

Diese setzte sich mit feierlicher Geberde mitten in der Wirtsstube auf einen Stuhl, breitete ihren Schleier, den sie heute zum letztenmale trug, vor sich auf ihrem Schoße aus und stellte einen Teller darauf, und nun gingen wir eines nach dem andern, wie man in der Kirche um den Altar herum zum Opfer geht, um die Braut und ließen unser Scherflein im Teller erklingen.

So fand das Mahl seinen Abschluß, und so hatte die Eva die Beihilfe des neuen Vetters beim Umzuge aus einem Schneckenhause ins andere genugsam bezahlt, umsomehr, als sie auch noch versprochen hatte, alle Kinder, die der liebe Gott dem jungen Paare etwa schenken möchte, aus der Taufe zu heben.

Aber die Eva hatte in solchen Dingen allweil das Bildnis des Erzengels Michael vor Augen, der im Hausgange unserer neuen Wohnung in den Wolken stand und die Sünden wog, und sie pflegte zu sagen, wenn wir Menschen untereinander nicht so genau seien in Dienst und Gegendienst und nicht gleich jede Wohltat auf die Wagschale legen und einander unter die Nase reiben, so möge es leicht sein, daß Gottes Barmherzigkeit am jüngsten Tage größer erscheine als seine furchtbare Gerechtigkeit, und also werde dann der Michael vielleicht auch ein Auge zudrücken auf Gottes Geheiß oder mit einem Tröpflein des kostbaren Blutes unseres Erlösers die Schale der Sünden federleicht in die Höhe schnellen lassen.

So dachte und handelte die Base Eva, die arme Fabriklerin!

Unsere prächtigen Wagen führten uns aber, als der Abend herandämmerte, längs der Ill durchs Walgau der Heimat zu, und der Vetter Ludwig, der nun gar eine lange Zigarre rauchte, patschte mir gnädig auf die Oberschenkel und sagte:

»Hei, Büblein, gelt du, das ist veil lustiger, als wo dich der Klaus oder sein Knecht in der graußen Kälte da hinauf hat getragt!«

Freilich war das viel lustiger als meine erste Reise, und der Mesner, dem der Wein etwas zu Kopf gestiegen war, tat redlich das Seine, um die Freude zu mehren; denn bald grunzte es unter unseren Sitzen wie ein Schwein, bald miaute es wie ein klagendes Kätzlein, bald krähte es von einem der vorbeifliegenden Bäume herab wie ein vorzeitig aus dem ersten Schlummer erwachter Hahn, bald hörten wir den Wettstreit des Kuckucks und des Esels, bald flötete eine Amsel ihre vollen Töne und bald bellten böse Hunde hinter den: Wagen her, daß die Pferde Luftsprünge machten und die Weibsleute aufkreischten und die Kutscher alle Mühe hatten, die erschreckten Tiere zu beruhigen.

Auch des Liedes wurde nicht vergessen, und obschon keines von uns je eine Note zu Gesicht bekommen oder bei sechs oder sieben Kreuzen sich bekreuzt hatte, so däuchte es mich doch unsäglich schön; denn die Braut sang vor, die Eva etwas tiefer nach und die Männer vollendeten mit ihrem zeitweilig einfallenden Baßgeigengebrumme den Dreigesang.

Wie der Mondeshirte seine Sternschäflein auf die Weide trieb und sie in der Milchstraße trinken ließ, fuhren wir geräuschlos über das Holzstöckelpflaster der Hauptstraße unseres Städtleins und polternd über den holperigen Steinboden der Mühlgasse, und wie wir's uns in der Stube bequem machen und uns zum Nachtmahle setzen wollten, da ging vor dem Hause eine ohrenzerreißende Musik los mit Hafendeckeln und Maienpfeifen, Gießkannen und Kindertrompetchen, Holzratschen und Klopfhämmern.

Das waren die Burschen der Nachbarschaft, die auf diese wenig artige, aber für uns doch verständliche Weise den letzten Trunk zu teilen begehrten.

Also öffnete der junge Ehemann als nunmehriger Herr des Hauses den Fensterflügel und rief in die Nacht hinaus, wer auf das Wohl der Braut noch einen Ehrentrunk tun wolle, der sei höflichst eingeladen und möge heraufkommen.

Und es kamen ihrer fünf oder sechs Burschen in seltsamer Vermummung in die Stube und trieben seltsamen Schabernack, indem sie mit verstellter Stimme Reden hielten und die Braut auf ihre Weise beschenkten.

Da brachte einer ein hölzernes Fatschenkind in Kissen eingebunden, ein anderer eine rostige, lochreiche Muspfanne samt einem schwachfüßigen Pfannenknechte, ein dritter zerrissene Windeln und Kinderhäubchen, ein vierter eine stattliche Sammlung sorgfältig gebundener Zulpe, die sie bei uns auch Schlotzer, Nuller oder Lutscher nennen, ein fünfter etliche Ruten und ein sechster gar ein farb- und fußloses, ausgedientes Schaukelpferd.

Den Wein aber ließen sie sich gar wohl schmecken und die Brautleute hoch leben, und da einer sogar eine Mundorgel bei sich trug und ein zweiter im Haarkammblasen seinen Meister suchte, so gab's zum Schlusse noch ein fröhliches Tänzlein, an dem sich in dem kleinen Gemach allerdings nur zwei Paare beteiligen konnten.

So ging das fröhliche Fest zu Ende, und als die Neuvermählten ihre Barschaft überzählten, so waren ihnen nach Abzug aller Kosten immerhin noch etliche Güldelein übrig geblieben, und das war ein glückversprechender Anfang.

Tags darauf wanderte der Vetter Öler in aller Frühe in die Fabrik und stieg zu allen Wellbäumen empor und kroch zwischen die Maschinen hinein und zu den gewaltigen Turbinen hinab und verdiente sein Brot im Schweiße seines Angesichtes und in steter Gefahr seines Lebens, und sein Weiblein nahm den Karren zur Hand und holte Jungfutter für das einzige Kühlein und betreute das Feld und das Haus und kochte und wusch und büßte die Kleider und kam von dem Tage der Hochzeit an keine Stunde zu Atem.

So waren beide Leutlein allfort geschäftig und regsam und drehten den Pfennig zehnmal um, bevor sie ihn ausgaben, und siehe, da kamen Kinder, eines nach dem andern, und mit den Kindern kam der Segen, also daß sie im Laufe der Jahre stetig vorwärts hausten, allen Verpflichtungen gerecht wurden und auf einmal das ganze Anwesen ihr schuldenfreies Eigentum nennen konnten.

Wer keine Arbeit scheue, allweil ein bißchen weniger ausgebe, als er einnehme, auch bei Unglücksfällen das Gottvertrauen nicht verliere, der könne es gerade so machen, pflegte der Vetter Öler zu sagen.


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