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Vorwort

Sie waren mir, verehrte Frau, als ich Ihnen meinen »Virtuosen« auf den Tisch legte, freundlich und böse: eine Kränkung Ihres Geschlechts, meinten Sie. Ich schwieg und blieb stillvergnügt. Die Ueberraschung war geplant. Die Frau sollte ihre besondere Huldigung haben. Hier ist sie.

Der »Virtuose« wollte an einigen Haupttypen der Instrumentalkunst den tragischen Konflikt zwischen der äußeren Fertigkeit und der inneren Musik in ihnen zeigen; Uebersättigung, Unzufriedenheit, Unruhe, Gebrochenheit, die in allen großen Wandernden aufsteigt; den Kampf zwischen der Technik und dem Schöpferischen, zwischen dem Zigeunerhaften und dem Bürgerlichen, das sich aus ihnen selbst und aus der Gesellschaft gegen sie erhebt: kurz, alles Problematische. Da galt es, sich auf Umrisse beschränken, um die Idee rein zu erhalten; die Einzelheit, die man kannte, um der Psychologie willen auszuscheiden; endlich auch die Frau, die soviel Spannweite nicht hat, in den Hintergrund zu schieben.

Die Primadonna ist als Typus untragisch. Sie lächelt uns kokett an. Sie liebt ihre Kleinigkeiten. Aber sie hat doch Grund, stolz zu sein. Denn schließlich macht sie ja die Oper. Die Ernsten aller Zeiten wollten sie als amüsante, lächerliche Bagatelle abtun. Was half es ihr, ihnen eine Nase zu drehen?

Man ist eben dabei, sie als Luxus zu ächten und dem Kapitalismus, dem alten Regime aufzuopfern. Sie braucht Hilfe.

Ich huldige ihr, weil ich weiß, daß ihr eine unausrottbare Liebe auch unkapitalistischer Demokraten gehört.

Und nun sollen Sie einmal sehen, verehrte Frau, wie wertvoll diese Ihre Geschlechtsgenossin ist. Ich möchte aus den Kleinigkeiten, aus der Anekdote und Historie den Geist herausschälen, um in die Seele der Primadonna und ihrer Abarten hineinzuleuchten; den Hintergrund zeigen, von dem dieses scheinbar lächerliche Ding sich abhebt, um souverän Geschicke zu lenken; und endlich auch von dieser Unproblematischen aus in die Weite und Tiefe schauen. So muß ich Sie bitten, mit mir längere Zeit in dem Italien des 17. und 18. Jahrhunderts zu verweilen, das ihr erstes Podium ist; ihre, des Kastraten und der Welt Erregungen mit auszukosten; das Frankreich der Louis XV und XIV zu besuchen, um dann, von solchem Sprungbreit aus, Zeitgenossen und Nachkommen in anderm Lichte zu sehen.

Und der Weisheit Schluß? Nichts Reizenderes lebt unter der Sonne.

Dies alles, um mich von einem Alpdruck zu lösen und Sie zu versöhnen.

Adolf Weißmann


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